Porträt Saarbrücker Professor mit Zahlen im Blut

Saarbrücken · Günter Schmidt-Gönner lehrt Bauingenieurwesen und hat die Statik von Gebäuden und Kunstwerken berechnet.

 Günter Schmidt-Gönner  ist leidenschaftlicher Sammler von Rechenmaschinen.  

Günter Schmidt-Gönner ist leidenschaftlicher Sammler von Rechenmaschinen.  

Foto: Heiko Lehmann

Wenn man heutzutage 23 mal 47 ausrechnen möchte, zieht man ganz entspannt sein Handy aus der Tasche, ruft die App des Taschenrechners auf und weiß in wenigen Sekunden, dass 1081 herauskommt. „Vor 100 Jahren sah das noch ganz anders aus. Damals wurde von Hand zu Fuß gerechnet. Rechenmaschinen konnten sich nur die großen Unternehmen leisten“, sagt Günter Schmidt-Gönner.

Der 70-Jährige ist großer Fan von Zahlen und Rechenarten. In seinem Büro in Saarbrücken stehen etwa 60 Rechenmaschinen in Regalen. 100 Rechenschieber, von ganz klein bis ganz groß, kommen noch hinzu. Günter Schmidt-Gönner kennt von allen Stücken die Geschichte. „Mit dem Abakus hat alles angefangen. Auf chinesischen Märkten wird heute noch damit gerechnet. Im Mittelalter hat die Kirche den Abakus für Teufelszeug erklärt und in ganz Europa verboten“, sagt der geborene Hesse und hält dabei einen Abakus in der Hand.

Ein hölzerner Rahmen in dem Kugeln auf Stangen hin und her geschoben werden können. Wer sie nicht kennt, verwechselt die Ur-Rechenmaschine leicht mit einem Spiel. Ein paar Fächer weiter stehen Rechenmaschinen, die mehr als 100 Jahre alt sind – oder ein programmierbarer Taschenrechner aus dem Jahr 1974, der damals unglaubliche 3350 D-Mark gekostet hat.

„Das hier ist eine Curta“, sagt Günter Schmidt-Gönner und hält eine faustgroße Rechenmaschine in der Hand. „Sie wurde von Curt Herzstark, einem Halbjuden im Konzentrationlager Buchenwald entwickelt. Es war damals eine Sensation, die ihm sein Leben rettete“, weiß der Professor für Bauingenieurwesen.

Günter Schmidt-Gönner war und ist der Meister der Zahlen in Saarbrücken. Vor allem wenn es um Statik geht. Viele Bauwerke und Skulpturen in der Welt tragen seine Handschrift. Er hat einen Bogen in Paris berechnet, die Karl-Marx-Skulptur in Trier oder den neuen Turm der Saarbrücker Schlosskirche. „Zahlen sind eben mein Ding. Das war schon immer so. Mir macht das alles großen Spaß“, sagt der Professor, der heute noch einmal pro Woche eine Vorlesung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken hält.

Weniger spannend ist es allerdings mit Günter Schmidt-Gönner einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Der 70-Jährige ist mit seinen Gedanken fast ausschließlich in der Statik von Gebäuden und Brücken.

Die längste Brücke der Welt und das höchste Hochhaus hat er auch schon begutachtet. „Meine Frau meckert immer, wenn ich mich mal wieder zu sehr ins Thema vertiefe. Aber ich kann oft nicht anders. Ich sehe die Welt mit anderen Augen. Bei manchen Gebäuden muss man sich schon die Frage stellen, wieso die überhaupt noch stehen“, sagt Günter Schmidt-Gönner und lacht. Der Wahl-St. Arnualer hat seine große Leidenschaft zum Beruf gemacht. Für seine weiteren Hobbys, wie Motorradfahren oder Fußballschauen, bleibt nicht viel Zeit. Er berechnet lieber für viele Künstler die Statik ihrer Kunstwerke oder stöbert im Internet nach alten Rechenmaschinen. „Diese hier müssen Sie noch sehen. Das ist eine Vier-Spezies-Rechenmaschine. Die kann alle vier Grundrechenarten, ist etwa 90 Jahre alt und kostete damals 1000 Reichsmark“, sagt der 70-Jährige mit strahlenden Augen.

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