Wahnsinns-Radtour Mit dem Rad zum Nordkap und zurück

Großrosseln · Artur Palm aus Großrosseln hat eine 8000-Kilometer-Radtour hinter sich – um die Ostsee herum und durch 13 Länder.

 Am Ziel: Artur Palm ist mit dem Rad ans Nordkap gefahren (Foto) – und zurück. Das Nordkap ragt an der Nordseite der norwegischen Insel Magerøya ins Nordpolarmeer hinein. Es ist der nördlichste Punkt Europas, den man auf Straßen vom europäischen Festland aus erreichen kann (seit 1956 führt ein Tunnel unter dem Meer durch zur Insel).

Am Ziel: Artur Palm ist mit dem Rad ans Nordkap gefahren (Foto) – und zurück. Das Nordkap ragt an der Nordseite der norwegischen Insel Magerøya ins Nordpolarmeer hinein. Es ist der nördlichste Punkt Europas, den man auf Straßen vom europäischen Festland aus erreichen kann (seit 1956 führt ein Tunnel unter dem Meer durch zur Insel).

Foto: Artur Palm

„Das Alter? – Spielt keine Rolle“, sagt Artur Palm. Wenn man ihn so sieht und ihm zuhört, dann glaubt man ihm das auch. Der Rentner aus Großrosseln, mit Lederkappe, gesunder Gesichtsfarbe und eindrucksvollem Schnurrbart, wird im Oktober 70, und er ist gerade vom Nordkap zurückgekommen. Mit dem Fahrrad. Hin und zurück waren das so etwa 7500, 8000 Kilometer auf dem Drahtesel, ganz genau weiß er es nicht, weil unterwegs der Tacho samt Kilometerzähler kaputt gegangen ist. Wie auch in Schweden das Hinterrad, als ein paar Speichen aus den Felgen rissen, was dann unterm Strich so knapp 50 Kilometer Schieben bedeutete.

Aber das war’s dann auch schon mit größeren Problemen. Obwohl er bei seiner „kleinen“ Rundfahrt um die komplette Ostsee bei der von ihm gewählten Route durch 13 Länder gekommen ist – Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich –, hat es kein einziges Problem mit anderen Menschen gegeben, keine wie auch immer geartete brenzlige Situation.

Und das Übernachten? Fast immer im Hotel Sternenhimmel: Meistens schlief Palm auf Feldern oder am Waldrand im Schlafsack. Eine kleine Plane, am Fahrrad festgebunden, diente gegebenenfalls als Regendach. Größere Städte hat er gemieden. Nur fünf Tage habe er, bei starkem Regen, in einer Campingplatz-Hütte verbracht. Ansonsten hätte ein Ausrichten der Tour nach Zeltplatz-Standorten nur den eigenen Rhythmus gestört, der aus täglich acht bis zehn Stunden Radfahren und freien Entscheidungen bestand.

Natürlich hatte Palm die Tour vorgeplant, aber nicht bis ins kleinste Detail: „An den Abenden habe ich in die Karte geschaut und mir die Strecke für den nächsten Tag notiert. Und wenn ich das gesteckte Tagesziel nicht erreicht habe, dann stand das halt einen Tag später nochmal auf der Route.“ Kurzfristig auch die Entscheidung, von Finnland nach Schweden zu wechseln, weil es da wärmer war, „aber dafür gab’s dann extrem viele ganz kleine Mücken; da brauchst du nur mit dem Finger schnippen, da sind Tausende aufgestoben“ – sein Moskitonetz hat ihm jedenfalls gute Dienste geleistet.

Einmal wurde es allerdings, kurz vor dem Ziel, doch etwas unheimlich, jedenfalls gefühlt. Das Nordkap liegt auf der norwegischen Insel Magerøya. Und zur Insel führt ein 6875 Meter langer Unterwassertunnel – an seiner tiefsten Stelle 212 Meter unter dem Meeresspiegel. Das bedeutete für Palm nicht nur eine gehörige Steigung bei der Anfahrt zur Insel, sondern auch „dieses Rauschen, das durch den Tunnel hallte – fast so, als kämen Düsenjäger“.

Auf dem Rückweg – wie auf dem Hinweg nicht immer auf dem schnellsten Weg, sondern zum Beispiel in Dänemark lieber die Küste entlang – war dann eine Station doch fest gesetzt: Bei der Freundin in Geldern war eine Woche Pause angesagt – nicht ohne dort, so zwischendrin, mal zur Routenerkundung aufs Rennrad umzusteigen.

Gestartet war Palm kurz vor Ostern, am Mittwoch, 17. April. Zurück in Großrosseln war er am Donnerstag, 18. Juli. Ob er unterwegs mal ans Aufgeben gedacht hat? „Nö, nö“, sagt Palm lakonisch, während sein langjähriger Radler-Freund Reimund Spies, den wir zu Besuch bei Palm treffen, lachend anmerkt: „Der gibt nie auf!“ Eigentlich ist es ja auch, so wie Palm es schildert, ganz einfach: „Man fährt jeden Tag so 80 bis 120, 130 Kilometer, und irgendwann kommt man an.“ Aber, na ja, sehr hart sei es schon gewesen.

Seine erste längere Tour hatte ihn 2003, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, zu einem Cousin nach Berlin geführt. Es folgten weitere Touren, etwa über den Gotthard, ins schwedische Göteborg oder nach Santiago de Compostela in Nordwest-Spanien. Abgebrochen hat er nur – noch bevor dort der Krieg ausgebrochen war – eine Radtour auf die Halbinsel Krim in der Ukraine, nachdem er unterwegs eindringlich vor den Gefahren gewarnt worden war; „ich habe dann in Wien ein Stück Torte gegessen und bin wieder zurückgefahren“.

 Ganz schön abgefahren war Artur Palms Tour ans Nordkap – ebenso der Vorderreifen nach der Tour.

Ganz schön abgefahren war Artur Palms Tour ans Nordkap – ebenso der Vorderreifen nach der Tour.

Foto: Marco Reuther
 Artur Palm (rechts) kurz nach der Rückkehr. Am Rad-Lenker baumelt eine einbeinige Stoffmaus, die er irgendwo aufgelesen hat. Hinten am Rad die Fahnen aller durchquerten Länder. Zu Besuch ist gerade Reimund Spies. 

Artur Palm (rechts) kurz nach der Rückkehr. Am Rad-Lenker baumelt eine einbeinige Stoffmaus, die er irgendwo aufgelesen hat. Hinten am Rad die Fahnen aller durchquerten Länder. Zu Besuch ist gerade Reimund Spies. 

Foto: Marco Reuther
 Von Großrosseln zum Nordkap

Von Großrosseln zum Nordkap

Foto: SZ/Müller, Astrid

Und was steht als nächstes auf dem Programm? „Vielleicht Schottland.“ Dann lacht Artur Palm noch und ergänzt: „Aber mit einer kleineren Landkarte. Dann sieht die Strecke nicht so weit aus.“

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