Kleiderkörbe für 3888 Mann

Karlsbrunn. Es ist trüb, es nieselt - einer dieser Nachmittage, an denen man am liebsten nicht nach draußen ginge

 Kleiderbügel für Hose und Jacke, ein Korb für Wäsche und Schuhe, per Kette an die Decke gezogen und per Schloss vor unbefugtem Zugriff gesichert: Die Waschkaue des Bergwerks Warndt (hier ein Archivbild von 2007, als die Beleuchtung sich noch einschalten ließ) ist nach dem Prinzip des Weiß-Schwarz-Bades gebaut. 3888 Bergleute konnten sich hier unkleiden. Foto: Becker & Bredel

Kleiderbügel für Hose und Jacke, ein Korb für Wäsche und Schuhe, per Kette an die Decke gezogen und per Schloss vor unbefugtem Zugriff gesichert: Die Waschkaue des Bergwerks Warndt (hier ein Archivbild von 2007, als die Beleuchtung sich noch einschalten ließ) ist nach dem Prinzip des Weiß-Schwarz-Bades gebaut. 3888 Bergleute konnten sich hier unkleiden. Foto: Becker & Bredel

 Im Vorraum des Weiß-Schwarz-Bades: Delf Slotta (links) erläutert gut 40 Interessierten Bau-Details des Bergwerks Warndt. Die Uhr an der Rückwand ist stehengeblieben, Beleuchtung gibt es nicht - der Strom ist abgeschaltet. Foto: Jenal

Im Vorraum des Weiß-Schwarz-Bades: Delf Slotta (links) erläutert gut 40 Interessierten Bau-Details des Bergwerks Warndt. Die Uhr an der Rückwand ist stehengeblieben, Beleuchtung gibt es nicht - der Strom ist abgeschaltet. Foto: Jenal

Karlsbrunn. Es ist trüb, es nieselt - einer dieser Nachmittage, an denen man am liebsten nicht nach draußen ginge. Eine Einladung der Völklinger Volkshochschule aber erweist sich am Montag trotz des Wetters als unwiderstehlich: Gut 40 Menschen warten am Pförtnerhaus des Bergwerks Karlsbrunn darauf, mit Delf Slotta als Führer die denkmalgeschützte Tagesanlage der seit 2005 stillgelegten Grube in Augenschein zu nehmen. Mit "Glück auf" begrüßt Slotta die Gruppe, "Glück auf" schallt es zurück. Nicht so kraftvoll, wie bei Bergleuten üblich, stellt Slotta lächelnd fest - die Mehrheit der Neugierigen ist "bergfremd". So wundert sich Slotta auch nicht, dass seine Frage, was der Bergmannsgruß eigentlich bedeute, unbeantwortet bleibt. Der Gruß, erklärt er, stehe für den Wunsch, die Lagerstätte möge sich glücklich öffnen; er stamme aus dem 14. Jahrhundert. Einige Mitglieder der Gruppe wussten es, haben sich nur zurückgehalten. Sie kennen sich auch auf dem Gelände bestens aus: Sie haben hier gearbeitet. Einer geht in der Waschkaue, der nächsten Besichtigungsstation, zu seinem früheren Platz, löst den Riegel, lässt rasselnd den an Ketten hängenden Korb herunter, zieht ihn wieder hinauf, als ginge es zur Schicht. Aber das ist vorbei; man merkt: Es tut weh. Beruhigend immerhin, dass noch alles funktioniert. Slotta erläutert, welche technische Errungenschaft die - heute nur noch selten erhaltene - Einrichtung eines Weiß-Schwarz-Bades für die Bergleute bedeutet hat, völlige Trennung von sauberer Straßenkleidung und kohlestaubgeschwärzter Arbeitskluft. Am Bad, so berichtet er, sei abzulesen, welch ehrgeizige Kohleförderungspläne die Bergwerks-Erbauer in den späten 1950er Jahren verfolgten: Es war ausgelegt für 3888 Mann. Weiter, zum Zechensaal. "Hier ist ja noch mein Namensschild!", ruft ein Besucher. "Volker Dreistadt, Arbeitsvorbereitung", steht da. Schnell ins einstige Büro geschaut: "Mei Schreibtisch war frieher scheener", stellt Dreistadt nach einem Blick auf das leicht demolierte Möbel trocken fest. Und lacht. Vorbei, "also, was soll's?"Spätestens jetzt zeigt sich, dass Slotta sich in einem wichtigen Punkt vertan hat: Bei der Terminplanung hat er die Zeitumstellung vergessen. Es ist bereits fast dunkel; und Innenbeleuchtung gibt es nicht mehr, der Strom ist abgestellt. Die sachliche 50-er-Jahre-Architektur, deren Eigenheiten Slotta hier und dann draußen vor dem Förderturm schildert, lässt sich im letzten Tageslicht - zu dem sich ein paar Taschenlampen gesellen - nur ahnen. Trotzdem Beifall am Ausgang. Und die Frage: "Wann ist die nächste Führung?" Denn ebenso wie zu Betriebszeiten ist die Anlage auch jetzt noch eine verbotene Stadt, für die Öffentlichkeit verschlossen - die Wissbegierde aber ist groß.

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