Vogelkino im Warndt Kino-Szenen am Himmel über dem Warndt
Großrosseln · Riesige Starenschwärme überm Dach: Aktuelle Naturbeobachtungen haben bei einer Großrosselerin Hitchcock-Gefühle geweckt.
„Zwischen 17.15 und 18 Uhr erwacht das Grauen über unserem Grundstück – Hitchcock lässt grüßen“: So schildert Patricia Müller aus Großrosseln, was sie seit zwei Wochen beobachtet. Riesige Vogelschwärme ziehen täglich zur Abenddämmerungszeit über die Häuser. Auch wenn sie sich, mit leichter Gänsehaut, an den Kinoklassiker „Die Vögel“ erinnert fühlt, hat die SZ-Leserin genau hingeschaut. „Die Vögel (ich gehe von Staren aus) kommen zuerst in kleinen Trupps, fliegen anscheinend zu ihrem Nachtlager. Dort sammeln sie sich und fliegen dann zu Tausenden immer wieder über uns hinweg. Es ist ein sehr erschreckendes Schauspiel“, schreibt sie in einer E-Mail an die Redaktion. Und: „Die Geräusche dazu, es ist der helle Wahnsinn.“ Ihr Mann Peter hat das ungewöhnliche Natur-„Kino“ fotografiert. Seine Bilder zeigen regelrechte Vogel-Wolken. Um Einzeltiere aus dem Schwarm mit der Kamera näher heranzuholen – und so die Bestimmung der Vögel 100-prozentig abzusichern –, habe das Dämmerlicht nicht ausgereicht, sagt Patricia Müller. Außerdem seien sie und ihre Familie während der Schwarm-Zeit lieber unterm Balkon geblieben, um nicht vom reichlich herabrieselnden Vogeldreck getroffen zu werden.
Doch mit ihrer Vermutung, dass es sich um Stare handelt, liegt Müller sicher richtig. Kaum eine andere Vogelart tut sich zu so eindrucksvollen Schwärmen zusammen, wenn es gilt, aufzubrechen zu den Winterquartieren in Süd- und Westeuropa. Es gibt Regionen in Deutschland, zu denen Naturfreunde per Bus anreisen, um sich das herbstliche Schauspiel anzuschauen.
Herbst. Und erst im Frühjahr kehren die Zugvögel zurück. Aber was tut der Star – vom Naturschutzbund (NABU) übrigens zum Vogel des Jahres 2018 ernannt – im Februar bei uns? Patricia und Peter Müller wohnen ganz nah an der Halde St. Charles IV, die sich im Lauf der Jahre zum Vogelparadies entwickelt hat und wohl das Nachtlager der Großrosseler Starenschwärme ist. Die beiden Schlammweiher auf dem Haldenplateau gelten schon lange als Trittsteine für den Vogelzug. Nach den nassen vergangenen Wochen gut gefüllt, sind sie im Moment aus der Luft gut zu erkennen und laden Vögel zur Rast ein.
Dennoch: im Februar? Dafür hat auch der erfahrene NABU-Mann und Vogelkenner Wolfram Doerr keine Erklärung. Doch auch ihm ist dieser Tage ein Starenschwarm über dem eigenen Garten in Ludweiler aufgefallen. „Es war ein richtiges Rauschen“, sagt der 83-Jährige. Und fügt hinzu: „So große Gruppen von Staren habe ich um diese Jahreszeit noch nie gesehen.“ Möglich sei, dass das warme Wetter die Vögel zu besonders früher Rückkehr veranlasst habe.
Denkbar auch, dass sich Hiergebliebene – ein Teil der Staren-Population verzichtet seit jeher auf den Zug gen Süden – gesammelt hätten. Denn Schwärme, erläutert der Fachmann Doerr, sind „Notgemeinschaften“, sie dienen zu besserem Schutz gegen Beutegreifer und zur gemeinsamen Futtersuche. Schreite das Jahr voran, würden sie aufgelöst, „die Vögel verteilen sich“.
Das hat in Großrosseln offenbar schon begonnen. Patricia Müller berichtet, die Zahl der Vögel habe mittlerweile abgenommen – „das Grauen zieht sich zurück“.