Juristin macht Warndt-Bewohnern Mut

Großrosseln · In Umweltfragen ist europäisches Recht ein scharfes Schwert: Das machte die Juristin Franziska Heß bei einem Info-Abend in Großrosseln klar. Zur geplanten Erweiterung der Carlinger Chemieplattform wird es nun wohl Einsprüche von deutscher Seite geben.

 Blick auf die Chemie-Plattform im lothringischen Carling. Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Blick auf die Chemie-Plattform im lothringischen Carling. Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Foto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Prasselnder Beifall nach einem Vortrag über Juristisches - das gibt es selten. Aber am Mittwochabend fesselte die Rechtsanwältin Franziska Heß ohne Mühe 90 Minuten lang die Aufmerksamkeit des Publikums in der Großrosseler Rosseltalhalle.

Heß erklärte, präzise und nachvollziehbar, wie die Bürger aus dem deutschen Warndt mit Hilfe des europäischen Umweltrechts mehr Informationen erhalten können über die grenznahe Chemieplattform Carling/St. Avold. Und über die Erweiterungspläne, für die das Chemieunternehmen Total Genehmigungen bei den französischen Behörden beantragt hat.

Der Verein "Saubere Luft für die Warndtgemeinden", Gastgeber des Info-Abends, hatte sich zuvor schon mit den - wenigen - deutschsprachigen Unterlagen zum Projekt befasst. Er hatte darin keine Antworten auf viele Bürgerfragen gefunden. Rechtsanwältin Heß schaute mit fachlichem Blick drauf. Ergebnis: Nach Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU), die in Umweltfragen Frankreich wie Deutschland binden, haben es sich Behörden beider Länder in Sachen Carling bisher zu leicht gemacht.

Denn nach EU-Recht gelte, dass bei Vorhaben mit grenzüberschreitenden Auswirkungen "Öffentlichkeitsbeteiligung" Pflicht sei. Deutsche Bürger müssten ebenso ausführlich informiert werden wie französische. Also mit vollständig übersetzten Unterlagen statt nur mit Auszügen, in denen zudem konkrete Daten und Risikoanalysen fehlen. Übersetzen koste Geld und Zeit, hatte der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) gesagt. Heß hielt dagegen: Übersetzungskosten habe die französische Seite zu tragen, und Fristen müssten eben lang genug bemessen sein.

Die Rechtsanwältin aus Leipzig lieferte genaue EU-rechtliche Begründungen mit. Samt Empfehlungen, wie Landes- und Kommunalpolitiker wirklich die Interessen "ihrer" Bürger vertreten können. Nicht auf dem Klageweg. Sondern mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Etwa indem das Saarland die Lothringer bitte, einen gemeinsamen Luftreinhalteplan zu erstellen. Und Messungen zu finanzieren - um Carling-Effekte zu erfassen, sei das saarländische Messnetz nicht dicht genug, in Lauterbach müsse man das komplette Schadstoffspektrum messen.

In den Unterlagen, so Heß, sei nur von einer neuen Anlage für Kunststoffharze und deren Emissionen die Rede. Dass diese Anlage zum viel größeren Projekt "Ambition 2016" gehöre, werde aber nicht dargestellt. "Salamitaktik?", fragte die Juristin. Direkteinleitung von Abwasser in die Merle - konkret: von Lithiumhydroxid, einem ätzenden, für Wasserorganismen schädlichen Stoff -, sei wohl nicht vereinbar mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Und da der Warndt Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiet sei, gehöre auch eine FFH-Prüfung zum Genehmigungsverfahren.

Bürgern riet Heß, vorsorglich Einsprüche gegen das Projekt geltend zu machen. Das werden jetzt wohl viele tun. "So geht das nicht, haben wir ja gerade gehört", sagte eine Zuhörerin nach der Veranstaltung draußen vor der Tür - ihre Begleiter stimmten energisch zu.

Die Präsentation des Vortrags von Franziska Heß, mit Formulierungshilfen für Einsprüche, ist im Internet nachzulesen.

bi-saubereluft.de

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