Hoffnung buchstabiert der Nikolaus

St. Nikolaus. In einer kalten Garage im Warndt lagern Sehnsüchte aus der ganzen Welt. Lucia aus Brasilien träumt von einem Fahrrad. Rot soll es sein. Der kleine Maxime aus Frankreich möchte mit seiner Mama und seinem Papa das Meer sehen

 Manfred König aus St. Nikolaus nimmt sich viel Zeit für ein Antwortschreiben. Fotos: Iris Maurer

Manfred König aus St. Nikolaus nimmt sich viel Zeit für ein Antwortschreiben. Fotos: Iris Maurer

St. Nikolaus. In einer kalten Garage im Warndt lagern Sehnsüchte aus der ganzen Welt. Lucia aus Brasilien träumt von einem Fahrrad. Rot soll es sein. Der kleine Maxime aus Frankreich möchte mit seiner Mama und seinem Papa das Meer sehen. Und der zehnjährige Benjamin, er denkt nicht an sich, in krakeliger Kinderschrift bittet er in seinem Brief um einen Schutzengel für seinen besten Freund Jonas. Dem geht es nicht so gut wie ihm: Er hat Krebs. Kinder aber auch Erwachsene von allen Kontinenten schicken jährlich 15000 Briefe dorthin, wo sie die Heimat des Heiligen Nikolaus vermuten: nach St.Nikolaus, einem Ortsteil von Großrosseln. Der weihnachtliche Postbetrieb in dem 960-Einwohner-Dorf begann in den 60er Jahren. Ein badischer Pharmareferent gab damals für die Kinder seiner Kunden die ersten Briefe in St.Nikolaus ab. "Diese wurden mit dem Poststempel des Ortes versehen. Das sprach sich schnell herum und von Jahr zu Jahr erreichten uns mehr Kinderbriefe", erinnert sich Manfred König. Der 75-Jährige sitzt an seinem Wohnzimmertisch und sein Füllfederhalter tanzt im Schein des Kaminfeuers über das Papier, um dem kleinen Jonas zu antworten. "Es gibt Briefe", sagt König, "da fehlen selbst dem Nikolaus die Worte. Für Krankheit, Tod, Armut oder Verzweiflung gibt es keine Standardantwort". Der Architekt ist einer von rund 100 ehrenamtlichen Helfern des Postamtes, die das Dorf St.Nikolaus in den vergangenen Jahrzehnten zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein Ort der Hoffnung, in dem die Wünsche aus aller Welt nicht ungehört verhallen. Mehr als 30 Jahre lang hat König selbst den Nikolaus für die Kinder im Ort gegeben und später auch den Festausschuss geleitet, der die Adventsfeierlichkeiten im Ort organisiert. "In den Augen der Kinder", sagt er, "konnte ich als Nikolaus immer ablesen, ob sie an mich geglaubt haben. Ein guter Nikolaus flößt keine Angst ein, er nimmt Kindern die Furcht". Der Respekt vor der Figur des Nikolaus - er ist auch in den nahezu 400 Briefen zu spüren, die in der Adventszeit täglich in der Garage von Peter Gerecke, heutiger Vorsitzender des Festausschusses landen. Gereckes Frau Sabine und Wolfgang Pfortner, beide ebenfalls im Festausschuss engagiert, verbringen in den Wochen vor Weihnachten jeden Tag vier Stunden damit, alle eingehenden Briefe zu lesen und zu ordnen - nach Inhalt und nach Landessprache. Gut 20 Prozent der Post stammt von Erwachsenen. Allein für die deutschen Briefe gibt es acht Standardantworten. Zudem vorbereitete Schreiben auf Italienisch, Spanisch, Französisch, Polnisch, Englisch und Russisch, welche die ehrenamtlichen Helfer ebenfalls in Briefumschläge stecken, mit dem St.Nikolaus-Stempel versehen und dann kostenlos mit der Deutschen Post verschicken. Wo immer in der Welt das Kind den Brief vom Nikolaus öffnet, kann es lesen: "Kitzelt es in meiner Nase, so weiß ich, dass wir gerade aneinander denken."

 So sehen die Briefe aus, die der Nikolaus verschickt. Sie bekommen auch einen echten Nikolaus-Stempel (siehe Foto im Text).

So sehen die Briefe aus, die der Nikolaus verschickt. Sie bekommen auch einen echten Nikolaus-Stempel (siehe Foto im Text).

HintergrundSo feiert St. Nikolaus: Heute und morgen: Nikolaus-Sonderpostamt in der Turnhalle St. Nikolaus (42. Nikolaus-Sonderstempel in Philateliequalität). 7. bis 24. Dezember: Nikolaus-Stempel für jede Art von Post bei Kaffee, Kuchen und Bastelmarkt in der "Alten Schule". 7. Dezember: Lichterprozession ab der Nikolauskirche. 14. Dezember: Adventsfeier in der Turnhalle22. Dezember: Mitwinterwendefeuer vor der "Alten Schule". red

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