EU-Bürokratie plagt Tierpark
Karlsbrunn. Ziegenbock Franz-Josef hat seine ganz eigene Meinung zu der Vorschrift aus Brüssel, einen Clip im Ohr tragen zu müssen. Nachdem die gesamte Ziegen-Herde im Wildpark Karlsbrunn vor wenigen Wochen ein gelbes Kennzeichen aufgrund der entsprechenden Viehverkehrsordnung der EU erhielt, riss der Bock die Beringung ab
Karlsbrunn. Ziegenbock Franz-Josef hat seine ganz eigene Meinung zu der Vorschrift aus Brüssel, einen Clip im Ohr tragen zu müssen. Nachdem die gesamte Ziegen-Herde im Wildpark Karlsbrunn vor wenigen Wochen ein gelbes Kennzeichen aufgrund der entsprechenden Viehverkehrsordnung der EU erhielt, riss der Bock die Beringung ab. Für den Vorsitzenden des Vereins zur Förderung der Naherholung Karlsbrunn, Jochen Blatter, war die Maßnahme ein weiteres Zeichen dafür, dass die bürokratische Schikane weiter zunimmt."Irgendwie hat man den Eindruck, er versteht Franz-Josef sehr gut. "Einerseits versuche ich, mich am Tierschutzgesetz zu orientieren, dann aber muss ich den Ziegen Löcher mit einer Zange in die Ohren knipsen wegen der Markierung". Weil Fördergelder von der Erfüllung der Normen abhängen, muss Blatter sich beugen.
Als der EDV-Experte, der bei der Nachfolgefirma MTD des ehemaligen Unternehmens Gutbrod in Bübingen arbeitet, vor drei Jahren den ehrenamtlichen Job übernahm, hatte er "keine Ahnung, was auf mich zukommen würde."
Ärgerlicher Diebstahl
Die eine Seite: Besucher des Wildparks genießen die Natur, beobachten Wildschweine, das Damwild, die Ziegenherde. Doch hinter der idyllischen Kulisse verbirgt sich ein Unternehmen, das knallhart wirtschaftlich arbeiten muss. Ohne seine drei Ein-Euro-Mitarbeiter, wie Blatter die Jobber nennt, und eine Gehegewartin auf einer halben Stelle "wäre ich aufgeschmissen", sagt Blatter über sein kleines Unternehmen. Man sei verantwortlich für Mitarbeiter, Gebäude, Vorschriften, die Folgen der unberechenbaren Natur, "wenn etwa wie beim Sturm im Frühjahr ein Baum quer ins Gehege fällt und den Zaun beschädigt und ein Hirsch ausbüxt". Oder drei Mal die Wasserleitung platzt. Oder Diebe lassen das Weidezaungerät mitgehen, das den Zaun um das Wildschweinterrain unter Strom setzt und 200 Euro gekostet hat. Immer wieder ist Erfindergeist gefragt, der Verein muss mit geringen Geldmitteln klar kommen, fordert kein Eintrittsgeld für den Wildpark, "die größte Einnahmequelle ist die Verpachtung des Kiosks", erklärt Blatter.
Gelegentlich verkauft er eine der afrikanischen Zwergziegen an einen Privathaushalt. Auch das ist eine zusätzliche Einnahme, bringt pro Tier 50 Euro. "Manche Familien kaufen eine Ziege für ihre Kinder. Die ist schnell handzahm", berichtet Blatter. Auch das Holz der durch den Sturm entwurzelten Bäume darf er zerlegen und verkaufen. Zusätzlich kann er, wenn die Herden zu groß werden, das Fleisch an Privatleute oder Restaurants verkaufen.
Arbeit als Schlachtbetrieb
Seit knapp vier Wochen könnte er das, wenn er wollte, sogar bundesweit. Denn der Verein besitzt jetzt eine Konzession als Schlachtbetrieb. Auch das eine Vorschrift aus Brüssel, um weiterhin das Fleisch der Wildpark-Tiere selber verwerten zu dürfen. Außerdem muss ein amtlich bestellter Veterinär die Tiere beschauen. Bis die Genehmigung gültig war, musste Blatter wieder eine bürokratische Hürde nehmen: "Nur im Saarland - von Bayern abgesehen - muss man dafür ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen". Auch den "Imbiss-Schein", wie er den Hygienegrundkurs nennt, musste er für 35 Euro absolvieren.
Weitere Formalitäten halten Blatter auf Trab wie die Jahresmeldung über alle Tiere, die er der Landwirtschaftskammer in Lebach vorlegt, das Gehegebuch, das er für das Umweltministerium führt und in das Geburten und Abgänge eingetragen werden, der Lehrgang zum Gehegewart, den vierten Schein muss er noch machen. Dann wäre da noch die Schweinehygieneverordnung, da regiert Brüssel wieder mit, die besagt, dass um das Wildschweingehege eine doppelte Umzäunung gehört.
Den Schweinen scheint das ziemlich egal. Nur eins interessiert sie: Jochen Blatter öffnet während eines Spaziergangs durch den Wildpark die Futterstation und schon rottet sich die Gruppe zusammen, balgt um Brotkanten und Brezelstücke. An vier Tagen in der Woche, sagt Blatter, werden die Schweine gefüttert. Es gab Zeiten, da beschwerten sich die Kunden, das Wildschwein-Fleisch wäre zu fett. "Die Tiere waren zu üppig versorgt. Das haben wir umgestellt", so Blatter. Offensichtlich mit Erfolg, der älteste Keiler der Anlage hat das stolze Alter von 15 oder 16 Jahren erreicht. "Er ist vor kurzem gestorben."Zum Schluss stellt Blatter noch klar: "Die Tiere für das Wildsaufest stammen nicht von uns".
Auf einen Blick
Vor 40 Jahren gründeten 16 Aktive aus Karlsbrunn den Verein zur Förderung der Naherholung. Der kümmert sich um den Wildpark mit rund 80 Tieren. Es gibt neben Dam- Schwarz-, Sikawild sowie Nippon Nippon auch afrikanische Zwergziegen und Wildschweine. Jochen Blatter ist stolz darauf, das Durchschnittsalter des Vereins gesenkt zu haben. Das lag bei seinem Amtsantritt als Vorsitzender vor drei Jahren bei 66. Es gibt 115 Mitglieder, sie zahlen 15 Euro pro Jahr Beitrag, Familien zahlen 20 Euro, fördernde Mitglieder 50 Euro. af