Leerstände Großer Leerstand in der Innenstadt

Saarbrücken · Diskussion im Rathaus: Mehr als 50 Geschäfte in der City sind verwaist, sagt Händler Max Schoenberg.

 Das ehemalige C & A-Gebäude in der Viktoriastraße an der Ecke Kaiserstraße steht seit Jahren leer.

Das ehemalige C & A-Gebäude in der Viktoriastraße an der Ecke Kaiserstraße steht seit Jahren leer.

Foto: BeckerBredel

Verödete Glasfronten in der Diskonto-Passage oder am St. Johanner Markt: Mehr als 50 Läden, Geschäfte und Gastronomiebetriebe in der Saarbrücker Innenstadt, so schätzt der Einzelhandels-Experte und Schuhhändler Max Schoenberg, stehen leer. Und es könnte – wie schon in anderen deutschen Städten – noch schlimmer kommen, wenn nicht gegengesteuert wird. Darin war sich am Mittwochabend eine Expertenrunde zum Thema „Handel im Wandel/Attraktive Innenstadt“ im vollbesetzten Saarbrücker Rathausfestsaal einig.

„Uns fehlen einfach täglich 10 000 Kunden mehr in der Stadt“, beklagten Schoenberg und der Saarbrücker Gastronom Angelo Damascato. Hauptgrund für dieses Dilemma: „Die Fußgängerzone kämpft gegen Shopping-Center und die City gegen Online-Handel und Amazon.“ „Die Entscheidung trifft der einzelne Kunde, nicht der Händler“, sagte Schoenberg. Mode, Textilien und Schuhe aus dem Fachladen seien immer weniger gefragt. Die Kundenfrequenz hat sich laut Schoenberg in den vergangenen 15 Jahren nahezu halbiert.

„Der stationäre Einzelhandel steht vor dem größten Strukturwandel seit Einführung der Selbstbedienungsläden“, sagte Gisbert Schneider von der Düsseldorfer Einzelhandels-Beratungsfirma Straten Consulting. Die vielen Leerstände in Saarbrücken wie anderswo seien zudem damit zu erklären, dass die Ladenmieten in den Innenstädten trotz Preisverfalls zu hoch sind, nicht alle potenziell infrage kommenden Nachmieter erreicht werden und es zu viele Einzelhandelsflächen in den Innenstädten gibt. Bundesweit tätige Spezialmanager kümmerten sich nur um 1-A-Lagen, der St. Johanner Markt sei aber nur noch 1-B-Lage. Eine Analyse der Bahnhofstraße habe ergeben, dass von 2000 in einer Datenbank erfassten deutschen Anbietern auf Ladensuche nur 96 überhaupt als Ansprechpartner für eine Ansiedlung in der Saarbrücker Haupteinkaufsstraße in Frage kämen. Die Stadt Krefeld, so sagte der Experte, habe einen eigenen Ladenflächenmanager, Kiel einen Leerstandsmanager.

In Saarbrücken will Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) Anregungen der Expertenrunde aufgreifen, Immobilieneigentümer, Einzelhändler, Stadtplaner, Wirtschaftsförderer und andere zu einer Art runder Tisch für eine strategische Problemlösung zusammenzubringen. Projektentwickler und Immobilienbesitzer Dieter Leismann regte an, sich um mehr Ansiedlungen französischer Geschäfte in die Saarbrücker City zu bemühen. Geschäftsobjektbetreiber Albert Klaus plädierte für noch mehr Gastronomie und Dienstleistungsbetriebe rund um die „gute Stube“ St. Johanner Markt. Vom Friseur über die Postverteilstelle bis zur Physiotherapeutenpraxis reicht die mögliche Palette.

Laut dem Handelsexperten der Industrie- und Handelkammer (IHK) Saar, Leander Wappler, sind junge Geschäftsinteressenten und Start-Up-Unternehmer meist nur bereit, 600 bis 800 Euro Miete für kleine Läden mit 50 bis 60 Quadratmeter aufzubringen. Zum Vergleich: Für ein großes Geschäftsgebäude in der Bahnhofstraße werde 36 500 Euro Monatsmiete gezahlt. Wer mehr als 20 Prozent vom Umsatz für Miete aufwenden müsse, komme als Nachmieter für eine Leerstands-Immobilie nicht infrage, hieß es.

Einig waren sich die Experten mit Oberbürgermeisterin Britz, dass die Kunden in der City nicht nur Einkaufen, sondern auch essen, Kultur erleben und flanieren wollen. Dazu bedürfe es einer gesunden Mischung aus Handel, Gastronomie und Kultur.

„Auch Sicherheit und Sauberkeit sind ein Riesenthema in der Stadt, um sie noch attraktiver zu machen“, sagte Oberbürgermeisterin Britz. Dazu werde der kommunale Ordnungsdienst um sechs Stellen ausgeweitet. Nächste Woche gebe es zudem einen „Parkgipfel“, an dem unter anderem Vertreter des Handels, der Handwerks- sowie Industrie- und Handelkammer, der Deutsche Hotel- und Geststättenverband und Parkhausbetreiber Q-Park teilnehmen.

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