Benefizkonzert für Medica Mondial „Gewalt gegen Frauen gab es schon in Troja“

Saarbrücken · Die Organisation medica mondiale kümmert sich seit 25 Jahren um traumatisierte Frauen. Morgen gibt es ein Benefizkonzert.

 Medica mondiale ist auch im Irak in den Flüchtlingslagern vertreten und bemüht sich, das Los der Frauen zu verbessern.

Medica mondiale ist auch im Irak in den Flüchtlingslagern vertreten und bemüht sich, das Los der Frauen zu verbessern.

Foto: Medica Mondial/Rhenas Merkan/Rhenas Merkan

Der Gemischte Saarbrücker Damenchor gibt am morgigen Mittwoch, 19 Uhr, im Rahmen des FrauenThemenMonats ein Benefizkonzert im Rathausfestsaal. Der Erlös ist für den Verein medica mondiale bestimmt, der sich in Krisengebieten für Frauen und Mädchen einsetzt, die Gewalt erfahren haben. Wir wollten mehr über die Frauenrechtsorganisation wissen und haben mit Vereinsgründerin Monika Hauser gesprochen.

25 Jahre gibt es medica mondiale, und die Organisation ist in dieser Zeit stark gewachsen. Man könnte sagen, eine Erfolgsgeschichte, aber es ist natürlich das Gegenteil. Ist die Welt für Frauen und Mädchen heute gefährlicher als vor ein paar Jahrzehnten?

Monika Hauser: Aktuell fliehen mehr als 65 Millionen Menschen weltweit aus ihrer Heimat oder werden vertrieben. Die Hälfte davon sind Frauen und Mädchen, die auf der Flucht häufig Gewalt erleben, zum Beispiel durch Schlepper. In Deutschland angekommen, werden sie auch in Unterkünften nicht geschützt vor Übergriffen. Leider ist Gewalt gegen Frauen kein aktuelles Phänomen. Es gab sie schon immer, zum Beispiel im Krieg um Troja, und es gibt sie heute noch, auch hier in Deutschland. Für Frauen und Mädchen ist das Leben überall gefährlich, das belegen auch die seit Jahrzehnten überfüllten deutschen Frauenhäuser. Dennoch ist medica mondiale eine Erfolgsgeschichte in ihrer Pionierarbeit.

Sie sind eine Organisation, die sich ausschließlich um von, zumeist sexualisierter, Gewalt betroffene Frauen und Mädchen kümmert. Wie erleben Sie da die Solidarität von Männern? Finden Sie Unterstützer in den Ländern?

Monika Hauser: Ja, überall auf der Welt gibt es Männer, die unsere Arbeit wichtig finden. In Bosnien und Herzegowina beispielsweise schulen wir Krankenhauspersonal im Umgang mit Frauen, die Vergewaltigungen überlebt haben. Einer der Teilnehmer, ein Gynäkologe, sagte anschließend, die Ausbildung hätte seine Haltung gegenüber Frauen verändert und ihn sensibilisiert für ihre Belange. Wir wünschen uns deutlich mehr Bewusstsein unter Männern weltweit. Schließlich ist sexualisierte Gewalt ihr Problem.

Medica mondiale war vor ein paar Tagen prominent präsentiert in der ARD-Reformationsgala mit Eckhard von Hirschhausen. Wie wirken sich solche medienwirksamen Ereignisse aus? Merken Sie es unmittelbar am Spendenaufkommen? Melden sich neue Helferinnen?

Monika Hauser: Solche Veranstaltungen zeigen vielfach Wirkung – sei es in der Berichterstattung über unsere Arbeit, in positiven Rückmeldungen unserer Spender und Unterstützerinnen und auch in unserer politischen Arbeit. Sie belegen, dass unsere Arbeit und die unserer Kolleginnen vor Ort wahrgenommen und geschätzt wird. Allerdings ebbt das Interesse jeweils schnell wieder ab, und unsere Sisyphos-Arbeit geht weiter.

Als medica mondiale gegründet wurde, war Hilfe vor allem in „fernen“ Ländern nötig. Mit den Kriegsflüchtlingen, die in Deutschland Zuflucht suchen, kommen nun auch Frauen zu uns, die Kriegsgewalt erlebt haben. Wie verändert das Ihre Arbeit? Wie können Sie diesen helfen?

Monika Hauser: Politik und Gesellschaft tragen die Verantwortung, jene, die zu uns kommen, zu schützen und ihnen eine Perspektive zu geben. Dazu gehören Empathie, der Zugang zu Bildung, Arbeit, Sprache und entsprechende Beratungsangebote. Tatsächlich haben wir 2015 Deutschland für uns zum Projektland erklärt, um in Nordrhein-Westfalen Haupt- und Ehrenamtliche im stress- und traumasensiblen Umgang mit Geflüchteten auszubilden. Gleichzeitig engagieren wir uns im Nordirak, wo tausende Geflohene Schutz suchen. Dort schulen wir Gesundheitspersonal und unterstützen Frauenrechtsinitiativen.

In 25 Jahren haben Sie sicher viele Geschichten erlebt, tragische und hoffentlich auch welche mit gutem Ausgang. Gibt es eine Geschichte, die Ihnen spontan einfällt, die exemplarisch für Ihre Arbeit steht?

Monika Hauser: Vor einiger Zeit habe ich eine unserer ersten Klientinnen in Bosnien wiedergesehen. Damals, 1993, wollte sie ihr Leben beenden. Heute leitet sie in ihrem Dorf eine Selbsthilfegruppe für Frauen, ganz ohne Hilfe von außen. Sie ist eine tolle, starke Frau und möchte etwas zurückgeben, nachdem ihr, wie sie sagt, medica mondiale das Leben gerettet hat. Das berührt mich und macht mir Mut.

Wenn man sich die Welt heute so anschaut, hat man das Gefühl, jede Hilfe ist immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Manche Regionen versinken geradezu in einem Strudel dauernder Gewalt und Verrohung. Wie halten Sie es aus, dass Ihre Arbeit nie genug ist und einfach nie endet?

Monika Hauser: Angesichts dieser Herausforderungen gilt es, widerständig zu bleiben und solidarisch denen zur Seite zu stehen, auf deren Rücken Konflikte ausgetragen werden – wozu ja auch die westliche neoliberale Politik beiträgt. Ermutigende Vorbilder sind da unsere Partnerorganisationen. Zum Beispiel die Frauen von Medica Afghanistan, die sich unermüdlich für Gesetze zum Schutz vor Gewalt stark machen. Oder die Beraterinnen in Liberia, die tagtäglich mit leidvollen Geschichten konfrontiert sind. Oder die vielen Menschen, die sich hierzulande für Geflüchtete engagieren. Sie alle setzen der Gewalt und Zerstörung etwas entgegen.

Interviewpartnerin: Susanne Brenner

 Der Gemischte Saarbrücker Damenchor unter Leitung von Amei Scheib zählt schon lange zu den Unterstützern von medica mondiale.

Der Gemischte Saarbrücker Damenchor unter Leitung von Amei Scheib zählt schon lange zu den Unterstützern von medica mondiale.

Foto: Iris Maurer
 In Ruanda haben viele Frauen Fürchterliches erlebt. Medica mondiale hilft ihnen, ihre Traumata zu verarbeiten.

In Ruanda haben viele Frauen Fürchterliches erlebt. Medica mondiale hilft ihnen, ihre Traumata zu verarbeiten.

Foto: Stefanie Keienburg/Medica Mondial/Stefanie Keienburg
 Die Gynäkologin Monika Hauser gründete medica mondiale als Reaktion auf die Massenvergewaltigungen im Bosnien-Krieg.

Die Gynäkologin Monika Hauser gründete medica mondiale als Reaktion auf die Massenvergewaltigungen im Bosnien-Krieg.

Foto: Lena Boehm/Medica Mondial/Lena Boehm

Infos und Spenden unter www.medicamondiale.org

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