Der Weisse Ring im Saarland Ein offenes Ohr für Opfer von Verbrechen

Saarbrücken · Gerhard Müllenbach, Landesvorsitzender der Hilfsorganisation Weisser Ring, zu Besuch beim Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung.

  Gerade bei Gewalttaten innerhalb der Familie ist die Dunkelziffer hoch. Es wird geschätzt, dass jede vierte Frau Opfer häuslicher Gewalt wird.

Gerade bei Gewalttaten innerhalb der Familie ist die Dunkelziffer hoch. Es wird geschätzt, dass jede vierte Frau Opfer häuslicher Gewalt wird.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Kriminalitätsprävention und Opferhilfe: Das sind die beiden Säulen des Weissen Rings seit seiner Gründung im Jahr 1976. Welchen Aufgaben sich der gemeinnützige Verein im Saarland widmet, wie die Organisationsstruktur hierzulande aussieht und wohin sich Opfer wenden können: Diesen Fragen widmete sich der Gerhard Müllenbach, Landesvorsitzender der Hilfsorganisation, im Gespräch mit dem Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung.

Im Gegensatz zu Polizei und Gerichten sei der Weisse Ring ausschließlich für die Opfer da, erklärt Müllenbach. Der Justizapparat kümmere sich vorrangig um die Beweissicherung und die korrekte Behandlung der mutmaßlichen Täter. „Der Täter hat viele Rechte, die Polizisten beachten müssen“, sagt Müllenbach. „Das muss auch so sein, damit er später verurteilt werden kann und nicht, beispielsweise aufgrund von Verfahrensfehlern, freigesprochen werden muss.“ Zudem behalte die Justiz neben der Bestrafung stets die spätere Resozialisierung der Täter im Auge. Dass die Opfer von staatlicher Seite kaum beachtet würden, sei eine der Triebfedern zur Gründung des Vereins vor über 40 Jahren gewesen. „Damals kümmerte sich niemand um die Opfer“, sagt Müllenbach.

Die Mitarbeiter des Vereins seien wie Müllenbach selbst zu 30 Prozent ehemalige Polizisten, auch viele Anwälte seien darunter. Dennoch müssen sie mehrere Schulungen besuchen, bevor sie Opfern von Verbrechen zur Seite gestellt werden. „Es ist nicht einfach, ein am Boden liegendes Opfer zu betreuen und dabei den nötigen Abstand zu wahren“, erklärt Müllenbach. Trotz dieser hohen Anforderungen stünden im Saarland genug Betreuer zur Verfügung. „Wer sich bei uns meldet, bekommt binnen 48 Stunden einen Termin“, sagt Müllenbach. „Wir haben Helfer mit verschiedensten Hintergründen, um immer die passende Betreuung anbieten zu können.“

Der Bedarf sei eindeutig da, erklärt der Ex-Polizist. „Noch immer wird in Deutschland jede vierte Frau Opfer von häuslicher Gewalt“, sagt Müllenbach. Auf die Frage von SZ-Ältestenratsmitglied Heide Dannemann, ob die Kriminalität in Deutschland zunehme, antwortet Müllenbach, dass die Zahlen insgesamt zwar zurückgingen, dass aber vor allem Verbrechen mit hoher Dunkelziffer wie etwa sexuelle Gewalt eher zunähmen. „Wir haben pro Jahr 100 000 Fälle von sexuellem Missbrauch bei Kindern, davon werden aber nur 20 000 angezeigt.“ Aus Scham würden die Opfer sich mitunter erst viele Jahre nach der Tat an Organisationen wie den Weissen Ring wenden. Hier sei mehr Sensibilität in der Bevölkerung nötig, fordert Müllenbach. „Wir wollen im öffentlichen Bild verankern, dass Opfer keine Verlierer sind.“

Laut Müllenbach werden in Deutschland jedes Jahr rund eine Million Menschen Opfer eines Verbrechens, rund 400 davon betreut der Weisse Ring im Saarland. Ältestenratsmitglied Anna-Luise Hossfeld-Umlauf möchte wissen, wie viele Senioren darunter sind. „Nur rund 3,5 Prozent“, lautet die Antwort von Gerhard Müllenbach. Die meisten Opfer seien zwischen 30 und 40 Jahren alt. „Ältere Menschen haben meist so viel Lebenserfahrung, dass sie auf viele Tricks nicht mehr hereinfallen“, sagt Müllenbach. Aber es gebe auch Ausnahmen wie den Enkeltrick oder Betrugsversuche im Internet.

Der Weisse Ring finanziere sich ausschließlich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Bußgeldzuweisungen, erklärt Müllenbach. „Staatliche Gelder dürfen wir nicht annehmen, dann könnte man uns einen Interessenkonflikt vorwerfen.“

 Der Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung beschäftigte sich diesmal mit dem Opferschutz. Zu diesem Thema war der Landesvorsitzende des Weissen Rings im Saarland, Gerhard Müllenbach, zu Gast.

Der Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung beschäftigte sich diesmal mit dem Opferschutz. Zu diesem Thema war der Landesvorsitzende des Weissen Rings im Saarland, Gerhard Müllenbach, zu Gast.

Foto: Iris Maria Maurer

Kontakt: Wer sich mit einem Anliegen an den Weissen Ring wenden oder die Arbeit des Vereins unterstützen möchte, erreicht ihn unter der Telefonnummer (06 81) 6 73 19, per E-Mail an ­lbsaarland@weisser-ring.de oder im Internet unter: saarland.weisser-ring.de

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