Saarbrücken Kinder, Kinder: Hier wächst Saarbrücken

Saarbrücken  · Die Talfahrt ist vorbei. Die Geburtenzahlen in der Stadt steigen. Aber der gebremste Bevölkerungsrückgang hat andere Gründe.

 1752 Geburten verzeichneten die städtischen Statistiker im vergangenen Jahr. Das waren fast 300 mehr als zu Beginn des Jahrzehnts.

1752 Geburten verzeichneten die städtischen Statistiker im vergangenen Jahr. Das waren fast 300 mehr als zu Beginn des Jahrzehnts.

Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch

183 178: Das ist eine Zahl mit Folgen für die Stadt- und Personalplaner in der Saarbrücker Verwaltung, erhoben am 30. Juni dieses Jahres. Damit hatte die Landeshauptstadt zur Jahresmitte zwar 485 Bewohner weniger als Ende 2017.

Aber die wahre Bedeutung dieser aktuellen Einwohnerzahl zeigt sich im Vergleich mit dem Wert vom August 2014: Damals lebten so wenige Menschen in der Stadt wie noch nie zuvor: 178 007.

Der seither trotz zwei leichter Ausschlägen nach unten zu verzeichnende Zuwachs wird sich noch über Jahre auf viele Bereiche der Stadtplanung auswirken. Die Statistiker trugen für die SZ auf Anfrage zusammen, welche Ursachen Saarbrückens Bevölkerungszugewinn hat. Und welche Folgen.

Erkenntnis Nummer eins: Das Plus bei der Bewohnerzahl hat nicht in erster Linie mit steigenden Geburtenraten zu tun.

Obwohl es seit 2012 Jahr für Jahr mehr Neugeborene gibt, überwiegen die Sterbefälle deutlich. 2018 standen in Saarbrücken 1752 Geburten 2264 Todesfälle gegenüber. Am Defizit, dem Hauptgrund für den demografischen Wandel auch in der Landeshauptstadt, hat sich also nichts geändert.

Der Bevölkerungszuwachs ist in erster Linie auf Zuwanderer aus dem Ausland zurückzuführen. Einerseits kamen Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen, andererseits Einwanderer aus Osteuropa.

Lebten 2010 nur 151 Menschen aus Syrien, Eritrea und Afghanistan in Saarbrücken, so waren es vor einem Monat 8144. Den größten Zustrom aus diesen drei Herkunftsländern gab es zwischen 2014 und 2016 mit rund 4400 Ankömmlingen.

Bedeutend für die Zahl der Neubürger in Saarbrücken war genauso die zweite EU-Ost-Erweiterung im Jahr 2007 um Bulgarien und Rumänien. 1171 Menschen aus diesen Ländern lebten im Jahr 2010 in Saarbrücken. Ihre Zahl stieg bis zum 30. Juni dieses Jahres fortlaufend auf 3659.

Wo mehr Menschen leben wollen, wächst der Wohnraumbedarf. Anfang des Jahres waren in Saarbrücken 2500 neue Häuser und Wohnungen geplant. Deshalb und weil es ohnehin schon mehr Kinder gibt, steckt die Stadt Geld in ihre Tagesstätten und Schulen.

Bis 2022 sollen allein an den Grundschulen 930 weitere Plätze in Neu- und Erweiterungsbauten entstehen. Das kostet voraussichtlich 35 Millionen Euro.

Der Bevölkerungszuwachs lohnt sich jedoch auf der anderen Seite für die Stadt. Mit jedem zusätzlichen Saarbrücker steigt der Anteil der Kommune an der Einkommenssteuer. Betrug dieser Anteil 2016 noch 58,3 Millionen Euro, so erreichte er 2017 bereits 61,2 Millionen. Das waren immerhin neun Millionen Euro mehr aus der Einkommenssteuer als 2013.

Genauso klar ist den Stadtplanern, dass dem Einwohnerzuwachs der vergangenen Jahre ein deutlicher Rückgang folgen wird. Die Zahl der Saarbrücker schwindet bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um sechs Prozent, die der Haushalte dagegen nur um drei Prozent. Diese Prognose steht unter dem Vorbehalt, dass es nicht wieder Einwanderungswellen wie im vergangenen Jahrzehnt gibt.

Unabhängig davon sieht die Stadtverwaltung ohnehin Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt in Saarbrücken. Die Planer ermittelten, dass bis 2030 Platz für 3300 zusätzliche Haushalte zu schaffen ist. Gleichzeitig hätten sie gern bessere Möglichkeiten, Schrott-Immobilien zu beseitigen. Sie sagen, dazu seien Landesgesetze nötig, die den Ordnungsbehörden wie in Nordrhein-Westfalen das Einschreiten erleichtern.

Es gelte, neue Wohnformen für veränderte Lebensstrukturen – zum Beispiel Single-Haushalte – zu schaffen, aber auch die jungen Familien in der Stadt zu halten, um ein Abwandern ins Umland zu vermeiden. Gelinge das, verringere es die Pendlerströme.

Eines jedenfalls ist den Stadtgestaltern klar. Egal, an welcher Stellschraube sie drehen: Es wird unmöglich sein, den Bevölkerungsschwund aus den vergangenen fünf Jahrzehnten rückgängig zu machen. 1970 lebten im heutigen Saarbrücker Stadtgebiet noch rund 213 000 Frauen, Männer und Kinder.

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