Frankreich – Deutschland – Saarbrücken Von Freud’ und auch mal Leid an der Grenze

Regionalverband · Was bedeutet in Saarbrücken und dem Regionalverband die Nähe zu Frankreich? – Sieben Blickwinkel

 Hintergründiger Ulk auf einer Saarland-Postkarte des Grafikbüros ichundu von 2007: Ein Baguette als „Saarländischer Kulturbesitz“ hinter Glas im Museum. Klar, die Nähe zu Frankreich wirkt sich auch auf unsere Essgewohnheiten aus – aber was bedeutet sie noch?

Hintergründiger Ulk auf einer Saarland-Postkarte des Grafikbüros ichundu von 2007: Ein Baguette als „Saarländischer Kulturbesitz“ hinter Glas im Museum. Klar, die Nähe zu Frankreich wirkt sich auch auf unsere Essgewohnheiten aus – aber was bedeutet sie noch?

Foto: Fremdenverkehrsamt Saarland/Agentur ichunddu/Repro: SZ

Es war im Laufe der Geschichte alles andere als immer spannungsfrei, das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich – gerade in unserer Grenzregion, in der etwa im August 1870 eine blutige Schlacht zwischen Armeen beider Nationen tobte. Doch nicht zuletzt dank der Europäischen Union sind 1993 die sichtbaren Schranken verschwunden. Man kann hüben wie drüben einkaufen, die Kultur wahrnehmen und auch arbeiten – wobei gerade Letzteres noch mit Problemen behaftet ist. Zum immer am 22. Januar begangenen Deutsch-Französischen Tag wollten wir von Menschen, die mit beiden Seiten der Grenze vertraut sind oder zu tun haben wissen, was ihnen die Nähe zu Frankreich oder zu Deutschland bedeutet.

Catherine Robinet ist nicht nur französische Generalkonsulin in Saarbrücken, sie kennt die Region auch aus früherer Zeit schon sehr gut: Aufgewachsen ist sie, bis zum Abitur 1984, in Forbach.

„Die Nachbarschaft zu Saarbrücken beziehungsweise jetzt zu Frankreich war für mich immer ganz normal“, sagt Generalkonsulin Robinet, die in ihrer Jugend immer mal wieder „rüber“ in die saarländische Landeshauptstadt kam – durchaus auch wegen der Kneipen. Noch heute hat sie Freunde in Forbach aus dieser Zeit.

Die Nähe, das ist natürlich auch das wechselseitige Einkaufen auf beiden Seiten – mal da den Käse hier, mal hier die Wurst da – und auch der Besuch kultureller Veranstaltungen zu beiden Seiten der fast unsichtbar gewordenen Grenze.

Aber was ist mit immer noch bestehenden Problemen für Pendler zwischen den Nationen, etwa in Sachen Steuererhebung und Rente? Solche Probleme, sagt die Generalkonsulin, seien nicht lokal zu lösen, sondern eine Sache von Berlin und Paris. Allerdings verweist sie auch darauf, dass kommenden Mittwoch, wie im Aachener Vertrag vorgesehen (Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration), ein Ausschuss ins Leben gerufen wird, der offene deutsch-französische Fragen zum Beispiel in Sachen Sozialversicherungen, Steuerrecht und Verkehr klären soll. Was den lokalen Bereich betrifft, da leiste der Eurodistrict Saar-Moselle gute Arbeit.

 Ein Ziel der Mitglieder des  Eurodistricts – darunter der Regionalverband Saarbrücken – ist es, für einen wettbewerbsfähigen grenzüberschreitenden Ballungsraum zu sorgen und bei Problemen im Zusammenhang mit dem Strukturwandel zu helfen.

Marcel Adam, Liedermacher und Sänger aus Lothringen, mit vielen Auftritten im Regionalverband und auch in der Mundart zu Hause.

Vorstellen muss man ihn bei uns eigentlich nicht, den Lothringer Barden Marcel Adam. Wenn man seine fröhlichen Auftritte kennt, dann mag es überraschen, dass er die Probleme der Grenzgänger zwischen den beiden Nationen sehr kritisch anspricht; nicht das Zwischenmenschliche, da stimmt’s:  „Man kann hier ‚gudd mit de Leid schwätze‘ und auch mal ‚änna dringe geh’n‘. Und bei meinen Konzerten außerhalb des Saarlandes mache ich auch immer Werbung für’s Saarland.“ Doch die tatsächliche Ausgestaltung nicht zuletzt des Steuerrechts, die lasse sehr zu wünschen übrig, davon könne er ein wenig erfreuliches Lied singen: Er werde seit einer Gesetzesänderung vor ein paar Jahren „wie ein im Ausland lebender Fußballspieler veranlagt“, das sei damals im Finanzamt aber übersehen worden, und so musste er gehörig Steuern in Deutschland nachzahlen, obwohl  er sie in Frankreich schon gezahlt hatte.  Von den französischen Steuerbehörden gab’s das Geld zwar größtenteils zurück, „aber nach sehr, sehr viel Papierkram und Mühen“. Ohnehin sei man als Künstler, der gleichzeitig Grenzgänger ist, „seit Jahren benachteiligt. Ich hab’s auch gemerkt, als ich vor Jahren aus der deutschen Künstlersozialkasse gefeuert wurde, obwohl ich dort eingezahlt hatte. – Die Idee, dass es keine Grenzen mehr gibt, finde ich fantastisch“, aber in der Realität gebe es noch sehr viel zu verbessern. So würde er sich wünschen, mal zu einer Diskussion mit Politikern zum Thema eingeladen zu werden, „das wird dann keine Schönwetter-Gesprächsrunde!“

Hans Bächle ist, zusammen mit Clarit Alofs, Leiter des Deutsch-Französischen-Gymnasiums (DFG) in Saarbrücken mit derzeit etwa 1100 Schülerinnen und Schülern. Das DFG hat drei deutsche und drei französische Eingangsklassen, etwa die Hälfte der jungen Leute kommt aus dem Département Moselle.

Die Nähe von Saarbrücken zu Frankreich bewertet Hans Bächle „sehr positiv, sowohl in wirtschaftlicher als auch kultureller Sicht. Sie eröffnet berufliche Chancen, Begegnung und Austausch, sprachliche, kulinarische und wirtschaftliche Kontakte und Überwindung von Klischees“. Und warum sollte ein junger Mensch im Saarland Französisch lernen? „Aus sprachwissenschaftlicher Sicht“, so der Schulleiter, „ist es erwiesen, dass Französisch die ideale Zweitsprache und Basis für das Erlernen weiterer Fremdsprachen ist. Neben dem Englischen sollte jeder Europäer und jede Europäerin die Sprache des Nachbarn lernen. Mehrsprachigkeit fördert europäische Identität, erhöht berufliche Chancen und den Aktionsradius in der Großregion.“

Gerd Heger, Redakteur, Moderator, „Monsieur Chanson“ beim SR, wo er viele grenzüberschreitende Beiträge verantwortete.

„Inzwischen kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, im Innern eines Landes zu wohnen – okay, vielleicht noch am Meer.“ Ein Vorteil vom Leben auf der Grenze: „Wenn die einen hier auf den ‚petit four’ gehen, dann hopp rüber und bei den anderen einen Pastis getrunken. Und umgekehrt – mit Dibbelabbes.“

 Trotz Beteuerungen aus der Politik ist er zwar nicht so wirklich überzeugt, dass es hierzulande eine echte „Frankreichstrategie“ gibt. Aber natürlich die französischsprachige Musik. Die steht auch im Saarland bei den Hör-Gewohnheiten klar hinter der englischen, „trotz der treuen Hörerinnen und Hörer, die im Radio erleben, dass es eine unglaubliche Vielfalt in der aktuellen frankophonen Musik gibt – davon tatsächlich noch immer ein großer Teil Chanson im engeren Sinne“.

Eine Empfehlung für Einsteiger? „Schwierig. Schließlich gibt es für jeden Musikgeschmack tolle frankophone Leute. Allerdings viele, die uns hier im Saarland ans Herz gewachsen sind. Aktuell zum Beispiel Marie Baraton aus Paris, die am 1. Februar im Sunset im Marais ihr neues Album vorstellt. Außerdem kommt tatsächlich seit Jahren mal wieder ein echter Chanson-Star ins Saarland: Michel Fugain am 6. März nach Saarlouis ins Theater am Ring – feine Sache!“

Deana Zinßmeister, Bestseller-Autorin aus Heusweiler, hat durch ihre erfolgreiche Reihe „Die Hugenotten“ einen persönlichen Bezug.

„Wegen der Nähe des Saarlandes zu Frankreich bin ich auf ein interessantes Thema für einen Roman gestoßen – der Hugenottenverfolgung. Franzosen, die wegen ihres calvinistischen Glaubens verfolgt wurden, fanden im grenznahen Saarland eine neue Heimat und gründeten den Ort Ludwigsweiler – heute Ludweiler genannt und inzwischen ein Stadtteil von Völklingen.“ Das Schreiben führte, über vielfältige Recherchen für die Historien-Romane, auch zu persönlichen Kontakten: „Mit Historikern, aber auch mit Privatleuten, die mich bei der Recherche unterstützt haben und mit denen ich heute noch in Kontakt stehe.“

Angelika Lauriel ist Autorin – unter anderem von zweisprachigen deutsch-französischen Kinderkrimis und von Haus aus Übersetzerin, sie unterrichtet junge Flüchtlinge im  Fach „Deutsch als Zweitsprache“.

Die Nähe zu Frankreich bedeutet für sie persönlich – abgesehen von ihrer französischen Bulldogge – auch ein Blick zurück in die Schulzeit: „Französisch war meine erste Fremdsprache, ich habe darin Abitur gemacht und die Sprache anschließend studiert.“ Kontakte entstanden aber auch aus der persönlichen Lebenswelt: „Seit zwei meiner Söhne das Deutsch-Französische Gymnasium besuchten, zählen fünf Französinnen aus der Grenzregion zu meinen Freundinnen. Kennengelernt haben wir uns in einer deutsch-französischen Theater-AG.“ Wie vermutlich viele Saarländer liebt es Angelika Lauriel, „gelegentlich einfach hinüber zu fahren und in die Nachbarregion einzutauchen, oder es geht mal schnell auf die Spicherer Höhen zum Flammkuchen essen. Lothringen und das Elsass haben aber ganz selbstverständlich auch Einzug in meine Bücher gehalten, sowohl in die deutsch-französischen Kinderkrimis, die in Saarbrücken und Saargemünd spielen, als auch in meinen Liebesromanen (unter dem Pseudonym Laura Albers). Darin treffen deutsche und französische Protagonisten aufeinander, und die Schauplätze liegen in Frankreich.“

Professor Joachim Conrad ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Kölln mit Sitz in Püttlingen-Köllerbach und Historiker.

Die Nähe zu Frankreich nutzt er persönlich immer wieder: „Ich fahre ausgesprochen gerne nach Lothringen und ins Elsass, weil es dort so viele bedeutende Orte, Burgen, Schlösser, Kirchen und noch mehr gibt, dass man sich ein Leben lang nicht ‚satt sehen’ kann.“ Und er gibt sein erworbenes Wissen weiter: „Ich leite außerdem selbst gerne Führungen durch Metz, durch Nancy, durch Straßburg und zu den Stengelkirche in Saarwerden. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, gehe ich natürlich dort essen.“ Und die Grenze? „Die Grenze besteht bei mir faktisch nicht.“ Von dem Historiker wollten wir auch wissen, wie wahrscheinlich es für eine schon länger im Grenzraum ansässige Familie ist, dass sie auch französische Vorfahren hat. Berechnen könne er das nicht, so Conrad. Er geht aber davon aus: „Viele angestammte Saarländer werden französische Wurzeln haben.“ Von seinen eigenen Vorfahren weiß er: „Meine Ur-Uurgroßmutter kam von Mont Sainte Odile – sie hieß übrigens auch Odile, und den Namen trägt meine älteste Schwester als dritten Namen immer noch, aber deutsch: Und die Familie hat Wurzeln in Obernai, Ottrott etc., unter anderem mit dem Familiennamen Stordeur.“

 Professor   Peter Moll   Foto: Robby Lorenz

Professor Peter Moll Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz
 Marcel Adam    Foto: Jean Laffitau/Familie Adam

Marcel Adam Foto: Jean Laffitau/Familie Adam

Foto: Jean M. Laffitau
 Angelika Lauriel    Foto: Isabel Sand/Gemeinde Schiffweiler

Angelika Lauriel Foto: Isabel Sand/Gemeinde Schiffweiler

Foto: Gemeinde Schiffweiler/Isabel Sand
 Gerd Heger   Foto: Designladen.com   / Zippo     Zimmermann

Gerd Heger Foto: Designladen.com / Zippo Zimmermann

Foto: Gerd Heger/Heger
 Deana   Zinßmeister    Foto: Zinßmeister

Deana Zinßmeister Foto: Zinßmeister

Foto: Zinßmeister
 Hans Bächle   Foto: Becker & Bredel

Hans Bächle Foto: Becker & Bredel

Foto: BeckerBredel
 Professor  Joachim Conrad     Foto: Iris Maurer

Professor Joachim Conrad  Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer
 Generalkonsulin  Catherine   Robinet    Foto: Iris Maurer

Generalkonsulin Catherine Robinet  Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maria Maurer

Besondere Bedeutung für die Region hatten unter den Zuwanderern die zeitweise in Frankreich verfolgten Hugenotten: „Sie brachten für die dürre Region im Warndt den wirtschaftlichen Aufschwung“, so Joachim Conrad. „Es waren ja überwiegend Glasbläser, also hochqualifizierte Handwerker. Das hat der Gegend gutgetan. – Die lutherischen Grafen von Saarbrücken waren schon früh ziemlich tolerant.“

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