Dringender Appell Saarbrücker Arzt schlägt Alarm: Saarländer vernachlässigen ihre Krebsvorsorge wegen Corona

Saarbrücken · Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie sagen viele Saarländer ihre Vorsorge-Termine ab. Dr. Steffen Wagner, der Vorsitzende der Saarländischen Krebsgesellschaft, sieht die Auswirkungen davon schon in seinem Arbeitsalltag – und klärt in der SZ über die Wichtigkeit und Wirkung auch im Hinblick auf die Corona-Impfung auf.

 Auf keinen Fall sollte man wegen Corona seinen Krebsvorsorgetermin verschieben oder gar ganz darauf verzichten, warnt die Saarländische Krebsgesellschaft. Hier analysiert ein Krebsforscher Proben.

Auf keinen Fall sollte man wegen Corona seinen Krebsvorsorgetermin verschieben oder gar ganz darauf verzichten, warnt die Saarländische Krebsgesellschaft. Hier analysiert ein Krebsforscher Proben.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Der Saarbrücker Frauenarzt Dr. Steffen Wagner schlägt Alarm: Viele Saarländer haben ihre Krebsvorsorge- und Nachsorgetermine in der Corona-Pandemie erheblich vernachlässigt, warnt der Vorsitzende der Saarländischen Krebsgesellschaft. „Aus Angst vor Ansteckung und wegen verschiedener Empfehlungen, auch Arztbesuche nur in dringenden Fällen vorzunehmen, gingen viele gar nicht mehr zum Arzt. Wir sehen jetzt die Folgen und haben auffällig viele Krebsfälle mit zum Teil erheblich vorangeschrittenen Wucherungen, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben“, sagt Wagner.

Er habe Tumore gesehen, die beängstigend groß gewesen seien – und das in auffälliger Häufung. So hätten etwa Frauen Beschwerden ignoriert, Früherkennungsuntersuchungen nach hinten geschoben und aus Angst vor Ansteckung keinen Arzt aufgesucht. „Nun muss man aber wissen, dass gerade beim Brustkrebs schon wenige Wochen Zuwarten die Prognose enorm verschlechtern“, erklärt der Mediziner.

Doch die Angst vor einer Ansteckung beim Arzt sei unbegründet „In der Arztpraxis ist das Ansteckungsrisiko durch die Hygienemaßnahmen, die überall gelten, extrem gering“, sagt Wagner. Auch wenn man nicht geimpft sei, solle man sich nicht zu Hause einigeln. „Dabei haben wir Krebspatienten, die Impfungen auch deswegen ablehnen, weil sie glauben, dass das Immunsystem ohnehin überlastet sei. Ein Zehntel lehnt die Impfung aus diesem Grund ab, aber da wollen wir gerne aufklären“, betont Wagner.

Die Impfung verschlechtere die Wirksamkeit einer Krebstherapie nicht, es könne lediglich vorkommen, dass die Wirksamkeit der Impfung durch die Therapie eingeschränkt werde. Patienten, die gerade eine Chemotherapie machen, sollten deshalb auch schon vor der üblichen Fünf-Monats-Frist nach der Zweitimpfung ihre Auffrischung erhalten, empfiehlt der Experte und verweist auf eine entsprechende Leitlinie des Robert-Koch-Instituts (RKI). „Krebsbetroffene, die beispielsweise eine Chemotherapie erhalten, sind besonders gefährdet, weil die hohe Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufes besteht. Die Impfung kann und muss gerade dann erfolgen.“

Unter Umständen könne eine Boosterimpfung sogar bereits ab der vierten Woche nach der Zweitimpfung erforderlich sein, sagt der Chef der Saarländischen Krebsgesellschaft. Er empfiehlt, dafür immer einen mRNA-Impfstoff wie das Vakzin von Biontech oder Moderna zu verwenden „Nach einer einmaligen Impfung Janssen/Johnson&Johnson sollte unmittelbar eine Auffrischung mit mRNA-Impfstoff erfolgen.“ Aber auch Familienangehörige und Kontaktpersonen müssten rasch ihre Impfung auffrischen lassen.

Und noch einmal: Krebspatienten sollten in der Pandemie den Arztkontakt auf keinen Fall abreißen lassen, mahnt Wagner. Noch wichtiger sei allerdings der Erstkontakt im frühen Stadium. Zwar gebe es noch keine genauen wissenschaftlichen Daten über mögliche negative Folgen für die Heilung von Krebspatienten, die wegen der Pandemie zu lange gewartet haben, zum Arzt zu gehen. „Britische Hochrechnungen gehen allerdings von vielen zusätzlichen Todesfällen allein in England aus. Und wir schätzen, dass sich diese Daten auf das Saarland übertragen lassen“, glaubt Wagner.

Auch im eigenen Praxisalltag habe er bereits entsprechende Beobachtungen gemacht. „Frauen berichten dann, schon seit vielen Monaten etwas gespürt zu haben, sich aber nicht zum Frauenarzt oder zur Mammografievorsorge getraut zu haben. Bei vielen der Betroffenen kann der Krebs nur noch durch eine komplette Brustabnahme entfernt werden oder hat in vielen Fällen bereits gestreut“, berichtet der Saarbrücker Frauenarzt.

Vor diesem Hintergrund mache er sich auch Sorgen, dass, wenn sich die Pandemie-Lage weiter zuspitzt, am Ende noch Operationen verschoben werden müssen, damit alle ins Krankenhaus eingewiesenen Corona-Patienten versorgt werden können. So etwas drohe in den saarländischen Krebszentren zwar noch nicht, aber man müsse trotzdem stets daran erinnern, dass dies für Krebspatienten lebensbedrohlich werden könne. Auch gerade deshalb seien Corona-Impfungen so wichtig und die Krebsgesellschaft unterstütze entsprechende Kampagnen ausdrücklich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort