Neues Open-Air-Theater-Projekt Ein Fluß überschreitendes Festival
Saarbrücken · Das Theaterschiff „Maria Helena“ hat eine kleine Schwester, die „Encore“ als schwimmende Open-Air-Bühne. Die Zuschauer sitzen an Land. Was geht von 14. August an am Saarufer ab?
40 Veranstaltungen an 13 Tagen an sieben innerstädtischen Spielstätten, umsonst und draußen – das bietet das Festival „Encore … Kultur am Ufer“ vom 14. August bis zum 4. September. Offiziell ist das neue Festival ein Projekt des Regionalverbands. Benannt ist es jedoch nach der „Encore“, dem neuen Beiboot des Theaterschiffs Maria-Helena, und das aus gutem Grund: Die beiden Schiffs-Theatermacher Barbara Bruhn und Frank Lion sind mit ihrer Idee an den Regionalverband als potenten Partner herangetreten und verantworten Programm, Planung und Organisation, so dass man getrost von einer flussüberschreitenden Kooperation reden darf.
Der unlängst erst zu Wasser gelassene, ehemalige Arbeitskahn Encore soll dabei als schwimmende Freilicht-Bühne im Schlepptau der Péniche „Volkstheater im besten Sinne“ ans Saarufer bringen, wie man am Donnerstag auf der Pressekonferenz im Schiffsbauch der Maria-Helena erfuhr. Weitere Spielorte sind der Platz zwischen Moderner Galerie und Hochschule für Musik Saar und das sogenannte Willi-Graf-Ufer zwischen Congresshalle und Saarlandmuseum. Außerdem der Bürgerpark, beispielsweise das Wasserspiel, und auch die Treppe unterhalb der Congresshalle wird kulturell eingeweiht.
Auf der Agenda stehen Straßentheater, Tanz, Akrobatik, Konzerte von Klassik über Tango bis Pop, Poetry Slam, Lesungen, Kindertheater, Zauberei, Performance und Improvisation, Wasserstraßentheater und Straßenmusik; weniger an feste Orte gebunden sind mobile Walking Acts. Vielfalt lautet die Devise – man will Flaneure anlocken und ein breit gefächertes Publikum erreichen. Wobei das bewusst niedrigschwellig konzipierte Angebot nicht gleichbedeutend ist mit „gefällig“: „Wir haben ein Herz fürs Schräge“, betont Claude Adam-Brettar vom Kulturforum des Regionalverbands.
Möglich wurde das ganze Festival allerdings nur durch eine Förderung im Rahmen des Bundesprogramms „Neustart Kultur“. Und dass es überhaupt geklappt hat, grenzt an ein Wunder, wenn man sich anguckt, mit welch heißer Nadel das Ganze gestrickt werden musste. „Vom Timing her das Engste, was ich jemals gemacht habe“, beteuert Frank Lion. Zur Verdeutlichung: Am 26. März trudelte die Ausschreibung des Bundes-Förderfonds „Neustart Kultur“ ein. Bedingung unter anderem ein Projektvolumen von mindestens 100 000 Euro. Am 22. April war schon Einsendeschluss. „Und dazwischen lag noch Ostern“, seufzt Lion. Am 23. Mai kam die Förderzusage, und von da ab ging's richtig rund: Künstler buchen, Spielstätten klarmachen, dazu die ganzen Corona-verschärften Absprachen mit dem Ordnungsamt, und das alles bei äußerst dünner Personaldecke – als Verstärkung fürs Festivalteam wurde PR-Fachfrau Astrid Karger angeheuert.
„Wir haben wirklich den Turbo angeworfen“, sagt Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD). Und man glaubt Adam-Brettar sofort, wenn er erzählt, dass es ohnehin nur funktioniert habe, weil alle im Team Frühaufsteher sind und schon ab 7.30 Uhr morgens die Standleitung glühen ließen. Budget und Programm bezeichnet Gillo als „enorm“: 120 000 Euro kommen vom Bund, weitere 30 000 Euro schießt der Regionalverband zu – das Geld war quasi übrig, weil die gesamte Reihe „Sonntags ans Schloss“ pandemiebedingt abgesagt werden musste. Damit wurden nun zur Förderung der hiesigen Szene viele Lokalmatadoren wie Schauspielerin Eva Kammigan, die Zauberer Kalibo und Markus Lenzen, das neutönende In.Zeit-Ensemble und die Poetry Slammerin Andrea-Maria Fahrenkampf verpflichtet.
Auch Kindertheater wird ganz großgeschrieben. Daneben kommen Gruppen aus der erweiterten Großregion zu Besuch. Außerdem gibt's ein Wiedersehen mit Cracks, die man bereits vom ehemaligen Straßentheaterfestival „Sommer Szene“ kennt: Gleich zum Auftakt reitet etwa der waghalsige Maschinenkünstler Ulik eine motorisierte Drachenschnecke, und das französische „Mademoiselle Orchestra“ heizt uns in Stöckelschuhen ein. Gespannt sein darf man auch auf das absurde Theater der Schweizer „This Maag“ und – ganz exklusiv - das spektakuläre „Archiv des Weltensammlers“, das im Anschluss nach Barcelona weiterreist.
Und was passiert, wenn's regnet? Mit Ausweichquartieren sieht's eher mau aus. Vielleicht kann die eine oder andere Brücke als Unterstelloption dienen, so die Überlegung. Der Turmbau des Schweizer Performers Georg Traber würde da aber schon mal nicht drunter passen. „Es regnet nicht!“, sagt Barbara Bruhn tapfer – im Vertrauen darauf, dass Claude Adam-Brettars legendär guter Draht zum Wettergott nicht nur sonntags funkt.