Fußball Falscher Pfiff und alles kann vorbei sein

Saarbrücken · Jan Dennemärker ist erst 24 Jahre alt – und darf schon in der Regionalliga ran. Sein Ziel: „Nicht gleich wieder absteigen“.

 Jan Dennemärker sagt: „Wenn ich weiß, dass Kameras beim Spiel dabei sind, schaue ich schon noch mal in den Spiegel, bevor ich rausgehe.“

Jan Dennemärker sagt: „Wenn ich weiß, dass Kameras beim Spiel dabei sind, schaue ich schon noch mal in den Spiegel, bevor ich rausgehe.“

Foto: Andreas Schlichter

„Ich hatte die Wahl zwischen Zeitung austragen und Schiedsrichter, um mein Taschengeld aufzubessern“, erzählt Jan Dennemärker, mit erst 24 Jahren einer der jüngsten Unparteiischen in der Fußball-Regionalliga. Er erklärt: „Das mit der Zeitung wäre jeden Morgen sehr früh gewesen, also habe ich mit dem Pfeifen angefangen.“ Anders als andere Schiedsrichter hat Dennemärker keinen „Stallgeruch“. Bei ihm war es sogar umgekehrt. „Bei vielen Kollegen hat der Vater schon gepfiffen. Bei uns war es genau andersherum. Erst nachdem es bei mir ganz gut lief, hat mein Papa die Schiedsrichter-Prüfung gemacht“, erzählt der 24-Jährige. Seinen ersten Einsatz hatte Dennemärker mit 15 Jahren bei einem Jugend-Turnier in Beaumarais. „Ich war so schüchtern. Ich habe mich nicht getraut, im Anschluss meine Rechnung im Clubheim abzugeben.“

Diese Zurückhaltung ist passé. Gestern Abend pfiff er sein erstes Spiel in der Regionalliga: das Hessen-Derby zwischen dem TSV Steinbach und dem FSV Frankfurt (bei Redaktionsschluss nicht beendet). „Als Schiedsrichter stehst du immer unter Beobachtung. Und natürlich wird sicher auch etwas Aufregung aufkommen. Aber die habe ich immer kurz vor dem Anpfiff. Wenn das Spiel dann losgegangen ist, bin ich im Ablauf drin“, sagt der 1,97 Meter große Schiedsrichter vor der Partie. Er hat vor jedem Spiel seine eigene Routine: „Eine Stunde vor Abfahrt gehe ich noch mal duschen. Dann kommt Musik auf die Ohren – von Heavy Metal über Hip- Hop bis zu Musical-Liedern, ganz nach Stimmung. Danach wird die Tasche gepackt, nach ganz festem Ablauf. Und dann geht es los.“

Dennemärker ist gerade erst in die Regionalliga aufgestiegen. Mit 24 hat er alle Chancen, weiter nach oben zu kommen. Die Bundesliga ist erreichbar. „Wie bei den Vereinen auch ist es das erste Ziel, nicht gleich wieder abzusteigen“, sagt der angehende Wirtschaftsingenieur, der für den FV Schwarzenholz pfeift: „Natürlich muss man alle möglichen Ressourcen einsetzen, um nach oben zu kommen. Aber wenn man sich zu viel Druck macht, verkrampft man. Ich werde einfach schauen, was geht.“ Der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Schiedsrichter entstehe ohnehin nicht auf dem Feld allein, glaubt der 24-Jährige: „Jeder bei uns bringt die körperlichen Voraussetzungen mit und weiß, was Foul oder Abseits ist. Aber nur, wenn es zuhause und in der Beziehung stimmt, hat man auf dem Platz den Kopf frei. Man ist viel unterwegs, das muss das Umfeld akzeptieren.“ Er ergänzt: „Meine Freundin Selina hat mich so kennengelernt. Sie ist mittlerweile stolz auf das, was ich erreicht habe.“ Gemeinsame Zeit verbringen sie oft auf dem Tennisplatz, wo ihm die Freundin meist die Grenzen aufzeige.

Dennemärker schreibt gerade an der Abschlussarbeit seines Studiums – und gleichzeitig Bewerbungen. Potenzielle Arbeitgeber werden auch auf die Akzeptanz des zeitinsiven Hobbys überprüft. „Ein sicherer Beruf ist wichtig“, sagt Dennemärker, „schließlich kann die Schiedsrichter-Karriere mit einem falschen Pfiff einen richtigen Knick bekommen. In den derzeitigen Strukturen halte ich es auch für unmöglich, Profi-Schiedsrichter einzuführen.“ Dazu müsse man sowohl in der Ausbildung als auch in der Zukunftssicherung andere Voraussetzungen schaffen. Klar ist: Der Berufsschiedsrichter schützt ebenso wenig vor Fehlentscheidungen wie der Videobeweis.

„Niemand ärgert sich mehr über Fehler als der Schiedsrichter selbst“, sagt Dennemärker: „Bei der Weltmeisterschaft hat der Video-Assistent nur bei klaren Fehlern eingegriffen. Das wurde von den Fans deutlich besser angenommen, als es zu Beginn in der Bundesliga war. Am Ende geht es nur darum, dass es gerechter wird.“ Dennemärker gehört zu den besten Schiedsrichtern im Saarland.

Zu seiner Stärke gehört, dass er sich eine kleine Schwäche eingesteht: „Wenn ich weiß, dass Kameras beim Spiel dabei sind, schaue ich schon noch mal in den Spiegel, bevor ich rausgehe.“ Das hat natürlich einen guten Grund: Damit er als Unparteiischer auf allen Ebenen eine gute Figur macht.

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