Ein Kunstfreund erinnert sich an Lackenmacher „Er war eigentlich ein kleiner Junge“

Saarbrücken · Das Kulturzentrum am Eurobahnhof zeigt Werke von Otto Lackenmacher. Der Kunstfreund Peter Riede erinnert sich an viele Begegnungen mit dem Künstler.

 Öl auf Leinwand von Otto Lackenmacher.

Öl auf Leinwand von Otto Lackenmacher.

Foto: Peter Riede

So etwas hatte Andreas Bayer, künstlerischer Leiter des Kulturzentrums am Eurobahnhof (KuBa), noch nicht erlebt. Kaum hatte er vor Monaten in den sozialen Netzwerken das erste Posting abgesetzt, das KuBa plane eine Ausstellung mit Gemälden und Grafiken von Otto Lackenmacher, hagelte es Rückmeldungen. „Sie schrieben: Toll! Endlich! Ich hab auch noch einen Lackenmacher, braucht ihr den?“, erinnert er sich.

Viele Saarbrücker haben den 1988 verstorbenen Künstler noch persönlich kennengelernt. Das brachte das KuBa auf eine Idee: Unter dem Titel „Mein Lackenmacher“ lädt es begleitend zur Ausstellung stolze Besitzer eines Lackenmacher-Kunstwerks ein, diese Arbeit mittwochabends mit ins KuBa zu bringen und anderen zu erzählen, was sie mit diesem Kunstwerk verbindet, wie sie es erworben haben, aber auch persönliche Geschichten und Anekdoten zu Lackenmacher, an die sie sich noch erinnern. Einer, der Otto Lackenmacher besonders intensiv begleitet und gesammelt hat, ist Peter Riede. Der ehemalige Chefredakteur der Arbeitskammer-Zeitschrift „Der Arbeitnehmer“ hat etliche seiner Schätze als Leihgaben in die KuBa-Ausstellung eingebracht – und für die SZ in seinen Erinnerungen an den Künstler gekramt.

Seine erste Druckgrafik habe er einst erstanden, ohne zu wissen, dass Otto Lackenmacher ein Künstler war, der in derselben Stadt lebte wie er selbst, erzählt Riede amüsiert. „Als ich 1975 ins Saarland kam, gab es einen Grafikkreis in München. Dessen Leiter, der legendäre Dr. Richard Hiepe, ging mit seinen Restauflagen immer auf Tournee. Der stand dann da in Saarbrücken auf einer Kiste und verkaufte Grafiken für fünf oder zehn Mark.“

Als Riede, mit ein paar Neuerwerbungen unterm Arm, zu Hause den Katalog von Hiepe studierte und feststellte, einer der Künstler ist ein Saarbrücker, machte er sich auf den Weg in dessen Atelier, um mehr über ihn zu erfahren. „Vielleicht hatte er sein Atelier zu der Zeit in der Mainzer Straße, er hat ja mehrmals gewechselt“, sagt Riede. Von da an blieben die Beiden in Kontakt. Anfang der 1980er eröffnete Riede mit einer Gewerkschaftskollegin in der Präsident-Balz-Straße Nummer 1 eine eigene Galerie, die Galerie am See. „1984 haben wir da Lackenmacher ausgestellt“, erzählt Riede. „Es war ja so eine Aufbruchstimmung damals, Oskar Lafontaine saß bei uns auf dem Sofa und Marianne Granz stand daneben.“

 Eine Radierung des Künstlers.

Eine Radierung des Künstlers.

Foto: Peter Riede
 Der Künstler Otto Lackenmacher.

Der Künstler Otto Lackenmacher.

Foto: Peter Riede

Und Lackenmacher? Einfach im Umgang war er wohl nicht. „Du musstest seine Marotten hinnehmen“, sagt Riede. „Er war kein Intellektueller, mit dem man philosophische Gespräche führen konnte.“ Er habe halt viel getrunken, meist Weißwein, habe dann deftige Worte gebraucht, aber ein Prolet, so Riede,  war er auch nicht. „Er war der Typus Quartalstrinker, doch nur auf dieser Basis waren seine Arbeiten möglich. Jemand, der solche Kunst macht, der kann nicht das Leben eines Beamten führen“, ist Riede überzeugt. Kneipen wie das Bingert waren für Lackenmacher das „zweite Wohnzimmer“. Wenn er nicht dort war, ging er zu Prostituierten oder lud sie in sein Atelier ein, um sie zu zeichnen. Die kümmerten sich nicht selten geradezu mütterlich um ihn, erinnert sich Riede, bezogen ihm das Bett neu, das aus einer Matratze auf dem Boden hinter einem Vorhang im Atelier bestand und wuschen ihm seine Wäsche. „Der Sexualheld, den man vermutet, war er nicht, eigentlich hat in seiner Lebenssituation die Einsamkeit eine große Rolle gespielt“, ist sich der Kunstfreund sicher.“„Ich fand immer, er war eigentlich ein kleiner Junge, mit diesen hellen wachen Äuglein, wenn er so da gesessen hat“, sagt Riede. Und ein Mann, der auch wochenlang aufhören konnte mit dem Trinken, wenn er drauf halten musste, weil eine Ausstellung nahte. Und einer, der zäh war. „Einmal hat er sich mit mir am Heizkraftwerk verabredet“, erinnert sich Riede. „Er sagte: Riede, jetzt wird trainiert“, und dann fuhren wir mit dem Rad nach Saargemünd und zurück. Als wir zurückkamen, war ich total fertig, aber er, mit seinem alten Schreppchen, befahl: Und jetzt noch mal!“

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