Jugendkirche Elija in Saarbrücken Kriegsangst und Lebenskrise: Wo junge Christen Halt und Rat finden

Saarbrücken · Seit fünf Monaten ist Thomas Hufschmidt Pfarrer der katholischen Jugendkirche Elija in Saarbrücken. Wir sprachen mit ihm über Seelsorge in Zeiten von Kriegsangst. Und wie der Missbrauchsskandal (nicht nur) junge Katholiken beschäftigt.

 Thomas Hufschmidt  (31) ist seit fünf Monaten Pfarrer in der katholischen Jugendkirche Elija in der Saarbrücker Halbergstraße. Auch dort wird für den Frieden gebetet.

Thomas Hufschmidt  (31) ist seit fünf Monaten Pfarrer in der katholischen Jugendkirche Elija in der Saarbrücker Halbergstraße. Auch dort wird für den Frieden gebetet.

Foto: Iris Maria Maurer

In der Mitte der Elija-Jugendkirche brennen Friedenskerzen auf dem Boden – gegen den grausamen Angriffskrieg in der Ukraine. Die schrecklichen Bilder verängstigter Menschen auf der Flucht, zerstörter Städte und schlimmer Kämpfe mit nunmehr Tausenden Toten gehen zu Herzen und an die Substanz. Auch vielen jungen Menschen. Für diese Zielgruppe speziell, aber auch für nicht wenige Menschen allen Alters, ist die Elija-Jugendkirche in der Saarbrücker Halbergstraße ein geschützter Ort, wo man immer ein offenes Ohr finden kann. Einige kämen regelmäßig von außerhalb  zu den Gottesdiensten – weil die eben anders seien als in der traditionellen katholischen Dorfkirche, sagt Pfarrer Thomas Hufschmidt.

„Es gibt viel Gesprächsbedarf“, stellt der Seelsorger fest. „Aus oberflächlichem Smalltalk entwickeln sich oft tiefe Gespräche“, hat er die Erfahrung gemacht. In seinen Begegnungen mit Jugendlichen sei deren Kriegsangst aber zurzeit eher diffus. „Die Jugendlichen sind sehr in ihren Welten unterwegs, oft geht es um  unmittelbare Probleme, zum Beispiel in der Schule“, erzählt der 31-Jährige. Und doch sei das Thema allgegenwärtig. Er selbst gehört einer Generation an, die nach Ende des Kalten Krieges geboren wurde und mit diesem Thema nicht konfrontiert war. Und auch für seine „Schäfchen“ ist die Eskalation in der Ukraine mit ihren direkten Auswirkungen auf das persönliche Leben  eine neue Erfahrung.

Nun ist er also wieder da, der große, überwunden geglaubte Ost-West-Konflikt. Und auch die Kirchen stellen sich darauf ein, veranstalten Friedensgebete und organisieren Hilfe. „Wir laden zu Momenten der Stille ein, die wir in unsere Gottesdienste integriert haben“, erzählt Hufschmidt. Das würde sehr gut angenommen. Die Gottesdienste seien gewissermaßen „der Pulsschlag“ der Gemeinde. Immer sonntags um 18.15 Uhr und mittwochs um 19.30 Uhr finden sie in der schönen Elija-Kirche statt, manchmal kommen bis zu 100 Menschen. „Und immer beteiligen sich junge Leute am Gottesdienst. Das ist unser Konzept.“

LGBTQ-Gemeinde ist willkommen

Die Elija-Kirche ist ein offener, einladender Ort. Erfrischend unkonventionell. Und deshalb für junge Leute ein gutes Angebot. Unabhängig davon, ob sie sehr, weniger oder gar nicht religiös sind. „Viele sind auf der Suche“, weiß der Seelsorger, der sich als Ansprechpartner in vielen Dingen versteht und auch kurzfristig Zeit hat. Es  gehe keineswegs nur um Religion und das eigene Gottesverständnis. „Hier werden die Themen, die Jugendliche und junge Erwachsene, beschäftigen, verhandelt.“ In und um die Kirche sei immer etwas los, und meist jemand anzutreffen. Dass sich alle in seiner Kirche willkommen fühlen, ist dem Pfarrer wichtig. „Das gilt auch für homosexuelle, lesbische oder queere Menschen – selbstverständlich!“, sagt Hufschmidt.

In der Diskussion: Missbrauchsskandal und Frauenrechte

Dass man als Katholik auch eine Haltung zu innerkirchlichen Problemen haben darf, spricht Hufschmidt selbst an. Zum Beispiel zum Thema sexueller Missbrauch durch Amtsträger, aber auch zur Rolle der Frauen in der katholischen Kirche. Wie sollte ein Gespräch mit einem katholischen Geistlichen auch möglich sein, ohne diese Themen anzuschneiden?

Der Missbrauchsskandal bestimme tatsächlich ein Stück weit seinen Arbeitsalltag, denn wie in vielen anderen Kirchengemeinden arbeite man auch bei Elija an einem Präventionskonzept. Viel sei im Team und in der Gemeinde darüber diskutiert worden. „Wir brauchen eine Kultur der Achtsamkeit und Transparenz“, fordert der Pfarrer. Für ihn und das siebenköpfige (feste) Elija-Team bedeute dies zum Beispiel, dass alle die Kalender der anderen einsehen können. Zudem seien die Jugendlichen intensiv an der Erstellung des Konzepts beteiligt.

Ob er einen Generalverdacht gegenüber Geistlichen spüre? „Eigentlich nicht“, sagt Hufschmidt. „Ich fühle mich nicht geknechtet.“ Gleichwohl hätten manche Kontakte an Spontanität und Leichtigkeit verloren. Deshalb trifft sich der Seelsorger lieber zu Gesprächen bei einem Spaziergang als im Büro. Er sei ohnehin gerne in der Natur unterwegs – und fährt Motorrad, wenn er mal Zeit hat in seiner prall gefüllten Sechs-Tage-Woche, in der Hufschmidt mindestens drei, meist aber sechs oder sieben Gottesdienste in Saarbrücker Kirchen hält, darunter neben der Elija-Kirche, in der Basilika, in Christkönig (St. Arnual) oder St. Jakob (Alt-Saarbrücken).  Außerdem unterrichtet er katholische Religion an der Marienschule.

Auch wenn vieles im Argen liegt, reformbedürftig ist: Thomas Hufschmidt sieht nicht schwarz für seine Kirche. Im Gegenteil. „Es braucht mehr Orte wie die Jugendkirche.“ Denn dort hat man sich  – so weit es geht – von starren Vorgaben befreit. Mit dem Ergebnis, dass das Angebot gut angenommen wird.  „Wir halten hier die Hierarchie flach, ich sehe mich eher in der Rolle eines Co-Leiters mit der Gemeindereferentin, es gibt kein Machtgefälle“, erläutert Hufschmidt das Arbeitsklima.  Und zur Stellung der Frauen: „Es ist wichtig, das Thema in der Kirche wach zu halten, sich aber nicht daran abzuarbeiten“, findet der junge Pfarrer.

 Mehr Authentizität, Offenheit und Ehrlichkeit

Was er seiner Kirche angesichts exorbitantem Mitgliederschwundes und einem zunehmenden Vertrauensverlust empfehle? „Mehr Authentizität, mehr Ehrlichkeit und Offenheit“, sagt Hufschmidt nach eine Denkpause. „Unsere Botschaft ist eine Gute.“ Und das gelte gerade in Zeiten von Angst und Krieg wie diesen.

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