Radfahren in Saarbrücken Ein Netz ist nur so gut wie seine schwächste Stelle

Saarbrücken · Zu Gast in der Redaktion: Thomas Fläschner und Jan Messerschmidt vom ADFC beleuchten die Rad-Politik der Stadt Saarbrücken.

 Ein Radler auf dem Schutzstreifen in der Lebacher Straße. In Saarbrücken fühlen sich Radfahrer oft unsicher, obwohl das Radfahren tatsächlich hier nicht gefährlicher ist als anderswo. Aber man müsse auch etwas für die gefühlte Sicherheit tun, sagen die Profis vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

Ein Radler auf dem Schutzstreifen in der Lebacher Straße. In Saarbrücken fühlen sich Radfahrer oft unsicher, obwohl das Radfahren tatsächlich hier nicht gefährlicher ist als anderswo. Aber man müsse auch etwas für die gefühlte Sicherheit tun, sagen die Profis vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

Foto: ADFC

Fahrradfahrer nehmen sich zu wichtig. Schlimmer noch: Die Politik und die Medien nehmen Fahrradfahrer zu wichtig. Und das führt dazu, dass für Fahrradfahrer viel und für Autofahrer wenig getan wird. Thomas Fläschner und Jan Messerschmidt wären froh, wenn dieser oft gehörte Vorwurf stimmen würde. Nun ja, zumindest, wenn etwas mehr für Fahrradfahrer getan würde. Autofahrer sind für die beiden nämlich per se keine Feinde. Viele Mitglieder der Interessenvereinigung, in deren Landesvorstand Thomas Fläschner und Jan Messerschmidt sitzen, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) nämlich, sind auch Autofahrer.

Die Betonung liegt auf „auch“. Und wenn sich noch mehr Saarländer im Allgemeinen und Saarbrücker im Besonderen für dieses „auch“ begeistern könnten, dann, sagt Fläschner, sei viel erreicht. Er formuliert das so: „Die Entwicklung muss dahin gehen, dass die Leute differenziert umgehen mit Mobilität.“ Und erklärt: Man müsse eben immer neu entscheiden, welche Wege man zu Fuß schafft, für welche man das Fahrrad nimmt, für welche man auf Saarbahn und Bus setzt und für welche aufs Auto. Wobei es dann ja nicht unbedingt das eigene Auto sein müsse. Man könne sich ja auch mal ein Auto leihen, etwa indem man sich zum Car-Sharing anmeldet.

Um Menschen dazu zu bewegen, bewusst mit den vielfältigen Möglichkeiten von Mobilität umzugehen, helfe es nicht, einfach den Zeigefinger zu erheben und darauf hinzuweisen, dass zu viel Autoverkehr die Umwelt kaputtmacht und die Blechlawinen die Lebensqualität in der Innenstadt verschlechtern. „Motivieren können wir, wenn wir zeigen: Das ist gesund für dich, es ist kostengünstig, du hast keine Parkplatzprobleme“, sagt Fläschner.

Wer für mehr Radverkehr werbe, müsse denen, die den Umstieg wagen, dann aber auch das bieten, was er verspricht. Und da hapere es noch in Saarbrücken. Der Radverkehr solle zwar von zurzeit rund vier Prozent auf mehr als zehn Prozent am Gesamtverkehr steigen. Dieses im Verkehrsentwicklungsplan formulierte Ziel sei aber leichter hingeschrieben als erreicht. Viele Saarbrücker fühlen sich auf dem Rad nicht sicher in der Stadt. Dabei sei es „in Saarbrücken objektiv gesehen nicht unsicherer als anderswo“, sagt Messerschmidt. Aber man müsse eben einiges tun, um „den Leuten zu zeigen, dass sie nicht nur sicher sind, sondern sich auch sicher fühlen“.

Etwas tun – das heißt für den ADFC unter anderem: Die Lücken im innerstädtischen Radwegenetz müssen geschlossen werden. Man komme zum Beispiel ganz gut mit dem Rad aus Richtung Sulzbach in die Stadt. Doch in Höhe der ehemaligen Neufang-Brauerei sei dann die erste Lücke im Radwegenetz. Das sind ja nur ein paar hundert Meter, könne man sagen, aber „jedes Netz ist nur so gut und so sicher wie seine schwächste Stelle“, erklärt Fläschner. An der genannten Stelle habe die Stadtverwaltung versucht, die Lücke zu schließen. Aber das hätte, wie jetzt in der Planung auf der Wilhelm-Heinrich-Brücke, Platz für Autofahrer gekostet.

Selbst der gute Wille bei Politikern, die den Radverkehr als etwas Gutes sehen, schwinde mitunter, „wenn es um Verteilungskämpfe geht“, weiß Fläschner. „Da hat die Stadt der Mut verlassen“, sagt Messerschmidt. Dabei können sich Mut und Weitsicht lohnen für eine Stadt, findet er und nennt das Beispiel Freiburg. „Freiburg hatte 180 000 Einwohner, jetzt sind es über 200 000. Freiburg ist stärker an den Menschen orientiert, als Saarbrücken das ist“, sagt er. Freiburg tue sehr viel für den Radverkehr, entlaste so die Innenstadt, schaffe Lebensqualität, die auch dem Handel zugute kommt. Freiburg, erzählt Messerschmidt, hat zum Beispiel ein autofreies Viertel ausgewiesen. Am Franzenbrunnen hätte man das auch tun können. 200 von 100 000 Wohneinheiten ohne direkte Autozufahrt, das hätte man hinkriegen können, findet er. Voraussetzung: „Man muss mit dem Herzen dabei sein.“ Das sei zwar der eine oder die andere in der Stadtverwaltung. In der Politik sei es da schon anstrengender. „Der Stadtrat hat schon öfter Sachen kaputtgemacht“, sagt Messerschmidt.

Es gebe Städte, in denen der Radverkehr bis zu 40 Prozent des Gesamtverkehrs ausmacht, sagen die ADFC-Männer. Selbst in Stuttgart, einer Stadt, in der es fast nur bergauf geht, liege der Radverkehrsanteil bei zehn Prozent. In Saarbrücken sind es vier Prozent. „Aber das sind ja keine anderen Menschen hier“, sagt Fläschner.Man müsse die Rahmenbedingungen verbessern. Konsequent Lücken im Netz schließen. Verhindern, dass Radwege zugeparkt werden. Die Fahrradmitnahme in Bahnen und Bussen einfacher machen. Schon in den Schulen mit Fahrradwerkstätten Lust aufs Rad machen.

 Jan Messerschmidt und Thomas Fläschner im Gespräch mit Ilka Desgranges, Martin Rolshausen, Nina Drokur und Alexander Stallmann (v.r.).

Jan Messerschmidt und Thomas Fläschner im Gespräch mit Ilka Desgranges, Martin Rolshausen, Nina Drokur und Alexander Stallmann (v.r.).

Foto: Robby Lorenz
 Eines von vielen Beispielen, die zeigen, wo es für Radfahrer schwierig ist: Die Ursulinenstraße ist eine Hauptverkehrsstraße, doch es gibt keinen Radweg.

Eines von vielen Beispielen, die zeigen, wo es für Radfahrer schwierig ist: Die Ursulinenstraße ist eine Hauptverkehrsstraße, doch es gibt keinen Radweg.

Foto: ADFC
 Ewiges Ärgernis: Falschparker auf dem Radweg in der Trierer Straße.

Ewiges Ärgernis: Falschparker auf dem Radweg in der Trierer Straße.

Foto: ADFC

Vor allem müsse Saarbrücken raus aus einem „Teufelskreislauf“, der bisher so funktioniere: Es fahren wenige Menschen Rad. Die Politiker denken: wenige Leute, wenig Wählerpotenzial. Also machen sie wenig. Also fahren weniger Leute Rad.

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