Kunstaktion zu Gunsten des abgehängten Stadtteils Burbach Ex-Ministerpräsident Klimmt hatte einen Künstler-Bruder

Saarbrücken/Burbach · Bisher war nur Reinhard Klimmt den Menschen ein Begriff, als SPD-Spitzenpolitiker und Autor. Nun lernen sie auch seinen Bruder Ulrich kennen. Und das dient einem guten Zweck.

 Ex-Ministerpräsident Reinhard Klimmt in den Räumen des Kulturvereins Burbach, in denen Werke seines verstorbenen Bruders Ulrich zu sehen sind.

Ex-Ministerpräsident Reinhard Klimmt in den Räumen des Kulturvereins Burbach, in denen Werke seines verstorbenen Bruders Ulrich zu sehen sind.

Foto: Oliver Dietze

Burbach, das ist der Stadtteil der kleinen Leute und der riesigen sozialen Probleme. Und er ist der Stadtteil, an den Reinhard Klimmt, Ex-Ministerpräsident des Saarlandes, sein großes sozialdemokratisches Herz verloren hat. Das passierte 1982/83, während der Aufsehen erregenden Betriebsbesetzung der Heckel-Werke. Damals erfuhr Klimmt – er war Chef der Saarbrücker-SPD und stellvertretender Fraktionschef im Landtag –, dass Solidarität nicht nur ein Begriff im Parteiprogramm ist, sondern Verantwortung für Menschen und persönlich erfahrbare Nähe. Und irgendwie setzt sich beides bis heute fort. Denn der 80-jährige Klimmt, gebürtig aus einem Dorf in der Nähe von Osnabrück, hat sich als Historiker und Autor das Saarland sozusagen in die eigene DNA geschrieben. Vor zwölf Jahren gründete er den Kulturverein Burbach, der sich hauptsächlich um Integrations-Beratungen kümmert, denn rund 50 Prozent der Burbacher haben einen Migrationshintergrund.

Doch der passionierte Bücher- und Kunst-Freund Klimmt wäre nicht Klimmt, würde er nicht auch ein Kulturprogramm auflegen, mit Vorträgen und Ausstellungen. Letztere verblüffen mit etablierten Namen: Armin Rohr, Annegret Leiner, Mane Hellenthal. Was sich dadurch erklärt, dass die Künstlerin Vera Loos zum Vereinsvorstand gehört und ihre Kontakte nutzt. Man mag das Konzept für gewagt und ein wenig überambitioniert halten, denn die Räumlichkeiten im Kulturvereins-Café sind nun mal keine Galerie. Doch es steckt eine Strategie dahinter. „Wir locken die Saarbrücker zur Ausstellungseröffnung nach Burbach“, sagt Klimmt und fügt hinzu: „Die Burbacher selbst kommen dann nach der Vernissage.“ Eine Distanz zu den Bildungsbürgerlichen existiert unter den Burbachern also durchaus, mag deren anfängliche Schwellenangst auch einer „gewissen Neugier“ gewichen sein, so Klimmts Beobachtungen.

Er gehört allerdings gar nicht wirklich zur Stadtteil-Community, denn er lebt am Eschberg. Gleichwohl hat der in seinen Studentenjahren nach Saarbrücken zugewanderte Klimmt Malstatter Wurzeln, wohnte in Rußhütte, trainierte in der Rasbachtalhalle und sah dann Jahrzehnte lang dem Niedergang zu. Es schmerzt ihn, wenn „Stadtteile nur noch als sozialer Brennpunkt wahr genommen und in Verruf gebracht werden.“ Und Klimmt wäre auch an dieser Stelle nicht Klimmt, wollte er nicht dagegenhalten – mit Kultur.

Die jüngste Ausstellung fällt freilich aus dem Konzept. „Ein Klimmt für Burbach!“ lautet der Titel. Der Künstler heißt Ulrich Klimmt, und der Erlös der Werke kommt dem Kulturverein zu Gute, insofern wäre der Titel „Zwei Klimmts für Burbach“ passender.

Es handelt sich um eine Auswahl aus über 1000 Werken, die Reinhard Klimmt vom „großen“ Bruder geerbt hat. Der lebte in Celle, war zehn Jahre älter und starb im November 2022. „Schreiben, zeichnen, kleben, malen“, das gehörte bis zu Ulrich Klimmts Tod zu dessen Alltag. Der hätte wohl das Zeug gehabt zum freien Künstler, studierte in Hannover und Berlin an Kunsthochschulen, wählte dann aber als verantwortungsbewusster junger Familienvater den Beruf des Kunsterziehers, konzentrierte sich ganz aufs Familiäre. Nur im privaten Atelier gab Ulrich Klimmt fortan seiner Kreativität einen Raum. Dies allerdings täglich, und auch auf Reisen fuhr der Skizzenblock mit. Das erklärt die Unmenge an Werken, die er hinterlässt.

„Er hatte einfach keine Lust auf den Kunstbetrieb“, sagt Reinhard Klimmt, der nun versucht, dem Bruder zumindest posthum dort einen Platz zu sichern. Mit dem Merziger Kunstsammler Martin Zimmer, der eine bemerkenswerte Privatgalerie zu den „Neuen Wilden“ unterhält, suchte Klimmt, wie er berichtet, das Gespräch. Zimmer habe Feuer gefangen, plane eine Ulrich-Klimmt-Ausstellung. Das sei, sagt Klimmt, ja wohl ein „Qualitätshinweis“.

Aus der Werk-Zusammenstellung und aus der Preisgestaltung für die Burbacher Schau hat er sich nach eigenem Bekunden gänzlich heraus gehalten, denn „Nepotismus“ (Vetternwirtschaft) will er sich nicht nachsagen lassen. So haben denn Vera Loos und Jochen Zech vom Kulturverein vor allem Kleinformatiges ausgewählt, Farbenfroh-Gefälliges: Impressionen einer Lappland-Reise, Frauenakte. Ulrich Klimmt blieb lebenslang im Figurativen, sein Stil wirkt bis ins hohe Alter sehr „Fifties“, sympathisch retro. Für Klimmt, der die Wände abschreitet, ist es diese Begegnung mit dem Künstler-Bruder, der charakterlich so ganz anders tickte wie er, ein Fest: „Jesses, wie schön!“, entfährt es ihm. Dann wird er nachdenklich: „Mein Bruder drängte nie ins Rampenlicht, er wollte sogar anonym beerdigt werden“, sagt er. „Dieser Wunsch, einfach zu verlöschen, der ist mir fremd.“ Deshalb die Polit-Karriere, deshalb auch das unermüdliche Bücher-Machen, auf dass was bleibt? Auch der Bruder soll nicht einfach so verschwinden: „Ich möchte ihm ein Denkmal setzen“, sagt Klimmt. Er, der an Beifall und Bedeutung orientierte Extrovertierte, wird ein Buchprojekt über den zurückgezogenen Ulrich in Angriff nehmen. Denn Reinhard Klimmt kann nicht anders. Das Schreiben ist für ihn ähnlich exitentiell wie es das Malen für seinen Bruder war.

Ein Klimmt für Burbach! Bis 19. Mai. Montag bis Donnerstag: 10-13 Uhr und 14-17 Uhr, Freitag: 10-13 Uhr. Burbacher Straße 20. Tel. (06 81) 99 04 67 28.

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