Saarbrücker Kommunalpolitik Saarbrücker Grüne bekämpfen sich selbst

Saarbrücken · Ein Ortsverband sieht sich als Nest des Widerstands gegen den Rest der Partei und teilt heftig gegen die eigene Stadtratsfraktion aus.

 Die Grünen sind erfolgreich. Das ist offenbar nicht allen Grünen recht. 

Die Grünen sind erfolgreich. Das ist offenbar nicht allen Grünen recht. 

Foto: dpa/Michael Reichel

Mit den Grünen im Saarbrücker Stadtbezirk Halberg scheint es so zu sein wie mit dem japanischen Offizier, der bis 1974 auf einer Insel ausharrte und sich noch im Zweiten Weltkrieg wähnte, obwohl der schon einige Jahre vorbei war. Oder wie es Barbara Meyer-Gluche formuliert: „Die führen da einen alten Krieg, den es gar nicht mehr gibt.“ Einen Krieg, in dem die Grünen-Stadtratsfraktion, deren Vorsitzende Meyer-Gluche ist, und so ziemlich alle Saarbrücker Grünen auf der einen und die Mitglieder des Ortsverbands Halberg auf der anderen Seite stehen.

Kaum hatte die Fraktion nach der Kommunalwahl Ende Mai die Arbeit aufgenommen, kam die Kritik von der Partei aus dem Saarbrücker Osten, die über eine Presseerklärung mitteilte: „Ortsverband Halberg irritiert von grüner Stadtratsfraktion.“

Man sei wie die Stadtratsfraktion für die Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Aber dass die Grünen in einer vom Stadtrat mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution sich direkt an den Bund wenden, statt, wie im Asylgesetz vorgesehen, die Verteilung der Flüchtlinge übers Land abzuwarten, also „Regeln nach Gutdünken zu verbiegen“, sei „keine seriöse Politik“.

Auch die Ausrufung des Klimanotstands auf Antrag der Grünen-Stadtratsfraktion ist aus Sicht der Hal­berg-Grünen „ohne personelle und im Haushalt abgesicherte finanzielle Verpflichtungen eine leere Versprechung“. „Kommunalpolitik muss qualitativen Mindestansprüchen genügen“, rügte Joachim Mohr, der Vorsitzende der Halberger Grünen. Und dass sie diese Mindestansprüche bei ihrem eigenen Führungspersonal nicht sehen, daraus machen er und seine Co-Vorsitzende Anne Lahoda keinen Hehl.

Diese Woche kam nun die nächste Attacke aus dem Saarbrücker Osten. Die Halberg-Grünen warnten vor der Rodung eines Waldstücks in Gersweiler. Dort will die Maschinenbaufirma Woll ihr Betriebsgelände erweitern. Die Halberg-Grünen beklagen nicht nur die dafür notwendigen Baumfällungen, sondern auch, dass die alte Grünen-Stadtratsfraktion der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans zugestimmt hat.

Weil der Stadtteil Gersweiler im Bezirk West liegt, also am anderen Ende der Stadt, sind die Grünen im Bezirk Halberg eigentlich überhaupt nicht beteiligt. Sie schlagen aber vor, dass die Firma doch, anstatt Bäume fällen zu lassen, auf eine Brachfläche am Halberger Ohr in Brebach umsiedeln soll. Und verbinden das mit dem Vorwurf, die Grünen-Stadtratsfraktion habe sich „der Kettensägen-Politik von CDU und SPD“ angeschlossen.

Das sei Quatsch, sagt Barbara Meyer-Gluche. Zum einen sei mit dem Aufstellen eines Bebauungsplans „nichts entschieden“, sondern lediglich ein Verfahren in Gang gesetzt, in dessen Verlauf es nun Gutachten und Bürgerbeteiligung gibt. Dass die Grünen in der alten Koalition mit SPD und Linken diesem Verfahren zugestimmt haben, heiße „nicht, dass wir wollen, dass der Wald fällt“. Man verhandele gerade über eine Koalition im Stadtrat. Und da werde auch dieses Thema eine Rolle spielen.

Aber um den Wald, die Bootsflüchtlinge und den Klimanotstand scheint es eh nur vordergründig zu gehen. Im Hintegrund lodert ein alter Grünen-Konflikt neu auf. So sagt das zumindest der Chef der Hal­berg-Grünen, Joachim Mohr, ganz offen. „Wir sind der Ortsverband, der kritisch gegenüber Hubert Ulrich ist.“ Der ehemalige, wegen seiner Netzwerkbildung nicht unumstrittene Landesvorsitzende habe sich zwar formal zurückgezogen, ziehe aber noch die Strippen, sagt Mohr. Ulrich kontrolliere immer noch, wer zu Wahlen aufgestellt wird, und fördere seine Leute. Deshalb sei von seinen Kritikern auch niemand im Saarbrücker Stadtrat.

Auch das hält Barbara Meyer-Gluche für Unfug. „Hubert Ulrich hat überhaupt nichts mit Saarbrücken zu tun“, beteuert sie. „Wir haben mit einem Super-Team ein Super-Ergebnis bei der Stadtratswahl eingefahren – das beste, das wir je hatten“, sagt sie.

 Barbara Meyer-Gluche, Vorsitzende der Saarbrücker Grünen-Stadtratsfraktion.   Foto: Grüne/ Wolfgang Klauke

Barbara Meyer-Gluche, Vorsitzende der Saarbrücker Grünen-Stadtratsfraktion.  Foto: Grüne/ Wolfgang Klauke

Foto: Wolfgang Klauke
 Anne Lahoda, Vorsitzende des Grünen-Ortsverbands Halberg.

Anne Lahoda, Vorsitzende des Grünen-Ortsverbands Halberg.

Foto: Mohr/ Grüne

Das Wahlprogramm sei „basisdemokratisch“ erarbeitet worden. Sie selbst sei beim Ortsverband Halberg gewesen, um den Programmentwurf zu diskutieren. Und wer Kritik an der Stadtratsfraktion habe, könne montags in die offene Fraktionssitzung kommen und dort mitdiskutieren. Dass sich der Ortsverband Halberg lieber im innerparteilichen Krieg sieht, findet sie „sehr schade“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort