Musikalisch-literarischer Abend Ein Bücher-Abend mit skurriler Note

Saarbrücken · „Ähnlich wie letztes Mal, aber doch ganz anders.“ So leitet Germaine Paulus, Mitbegründerin des Saarbrücker Independent-Verlages „The Dandy Is Dead“, die zweite Release-Party des Verlages im „Horst“ ein.

 Die Band Mellow unterlegte die Bücherpräsentation des Verlages „The Dandy is dead“ im „Horst“ mit melancholischen Titeln.

Die Band Mellow unterlegte die Bücherpräsentation des Verlages „The Dandy is dead“ im „Horst“ mit melancholischen Titeln.

Foto: Sascha Markus

Und sie hat Recht: Im September gab es die erste Release-Party, bei der der neu gegründete Verlag sich selbst, den Roman „Pfuhl“ und die erste Ausgabe der „Basement Tales“, einer Kurzgeschichten-Heftreihe, vorstellte. Wer jedoch glaubte, den Dandy begriffen zu haben, liegt  falsch. Denn der Dandy ist alles andere als „dead“. Der Dandy ist frisch, wach, bissig, anders und erfindet sich immer wieder neu.

Die Band „Mellow“ bringt die Menge in Stimmung. Sie schlägt deutlich melancholischere Töne an als „Micromoon“ bei der ersten Release-Party. Auf Betriebstemperatur gebracht dürfen die Gäste „Sperrgebiet“ betreten. Denn so heißt die zweite Ausgabe der „Basement Tales“. Fünf Autoren dringen ins Sperrgebiet vor, drei von ihnen führen durch die Release-Party. Wie unterschiedlich Sperrgebiete aussehen, wird schnell klar.

Diana Kinnes Kurzgeschichte „Zimmer Nummer zehn“ spielt in der „psychiatrischen Heilanstalt Saarbrücken“. Gerade erst wurde die Versiegelung entfernt, schon soll Zimmer Nummer zehn das Zuhause eines verrückten Professors werden, der „zwei Menschen in seinem Körper“ zu vereinen scheint.

Isa Theobalds „Im Kerker“ handelt von Gestank, Dunkelheit und toten Tieren in einem Raum ohne Tür. Mittendrin: eine Frau, die weder weiß, wie sie reingekommen ist, noch, wie sie wieder herauskommen soll. In Norman Liebolds Geschichte „Parcifal“ ist das Sperrgebiet ein dunkler, abgezäunter Wald. Betreten verboten. „Sperrgebiet – Schusswaffen kommen zum Einsatz“. Den Tod suchend klettert ein Lebensmüder durch das kleine Loch im Zaun. Was er findet, ist allerdings gruseliger, verstörender als der Tod.

Diana Kinne, Isa Theobald und Norman Liebold können nicht nur schreiben, nein, sie wissen auch wie man liest. Sie schreien, wenn ihre Figuren es tun, wimmern, wenn die Situation hoffnungslos erscheint. Immer wieder zuckt das Publikum zusammen. Und noch etwas verstehen die drei: an der richtigen Stelle aufzuhören. Sie liefern Cliffhanger par exellence. Am liebsten würde man zum Verkaufstresen  eilen und die „Basement Tales“ kaufen, nur um sofort zu erfahren, wie es weitergeht. Doch der schaurig-schöne Abend ist noch nicht zu Ende.

Der zweite Teil des Abends beginnt damit, dass die beiden Autoren Christian von Aster und Carsten Steenbergen die Kneipe verlassen. Sie kehren zurück und nennen sich nun Bernd Klötzke und Timo von Spitz, „zwei Autoren, die ihre besten Zeiten schon längst hinter sich gelassen haben“, wie die Verleger erklären. Was folgt, ist eine weitere Neu-Erscheinung im Dandy-Verlag: „Die Wutbriefe“. Ein fingierter Briefwechsel. Oder besser: Ein literarisches, irres Streitgespräch zwischen zwei wahnwitzigen Gestalten, das auch „vor dem  Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, einem Beinahe-Krieg zwischen Spanien und Marokko, sich nackt an Steinen reibenden Schamanen und aggressiven Pilzen nicht haltmacht“. Ist es ein Theaterstück? Ein Briefroman? Ein Hörspiel?

Die Grenzen verschwimmen, doch es ist egal – das Publikum hat Spaß. Und eins ist es in jedem Fall: skurril. Zu skurril? Sicher nicht. Dem Dandy ist nichts zu skurril.

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