Wenn Unruhe krankhaft ist

Dudweiler · „Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom – mit und ohne Hyperaktivität“, lautete der Titel eines Vortrags, zu dem die Volkshochschule Dudweiler zusammen mit der Elternschule der Albert-Schweitzer-Schule in deren Aula eingeladen hatte.

 An ADHS/ADS erkrankte Menschen brauchen sehr spezielle Therapien. Symbolfoto: Stratenschulte/dpa

An ADHS/ADS erkrankte Menschen brauchen sehr spezielle Therapien. Symbolfoto: Stratenschulte/dpa

Unter dem Begriff ADHS/ADS verbirgt sich eine Krankheit, die umstritten ist. Skeptiker sprechen von Übertreibungen: "Zappelphilippe" gab es schon immer. Spötter betrachten ADHS gar als eine Erfindung der Pharmaindustrie. Wiederum andere glauben, den Kindern müsse man nur mit Strenge begegnen. Ganz anders sieht das Monika Krahmer, die das Thema ausführlich behandelte. Die Besucherzahl war überschaubar, doch die Anwesenden waren sehr interessiert und trugen durch Fragen und Erfahrungsberichte dazu bei, dass der Abend kurzweilig blieb. Krahmer wies in ihrem lebendigen Vortrag darauf hin, dass fünf Prozent der Kinder an ADHS erkrankt sind. Dabei sei es gleich, aus welchem Land und aus welcher Bevölkerungsschicht die Patienten stammen, so die Diplom-Psychologin. Vergesslich- und leichte Ablenkbarkeit sowie Impulsivität sind meist die Auffälligkeiten, die auf ADHS/ADS hindeuten können. Ein extremer Bewegungsdrang, Unruhe und Ruhelosigkeit stellen ebenfalls Indizien dar, erklärte Krahmer. Meist beginne das Ganze im Vorschulalter. Etwa, wenn Kinder auffällig oft im Mittelpunkt stehen wollen. In der Schule sind sie dann oft die "schwarzen Schafe" oder die Klassenkasper.

"Es ist entscheidend, ob das Kind mit dem Lehrer kann oder nicht, betonte Monika Krahmer, selbst auch Lehrerin. Im Jugendalter sind die Betroffenen leicht zu beeinflussen, Drogen sind schnell ein Thema und das Durchhaltevermögen ist eingeschränkt. "Beim Führerschein schenken Sie besser ein Fahrsicherheitstraining dazu", meinte Monika Krahmer. Bei den Erwachsenen kennzeichne sich die Erkrankung leicht durch eine geringe Frustrationstoleranz, durch Probleme bei der Alltagsplanung oder mangelndes Zeit- oder Finanzmanagement. Manche wären auch viel am Träumen, bezögen alles auf sich und seien schnell beleidigt. Doch es gibt auch enorm viel Positives zu berichten, betonte die Referentin, die auch Ergotherapeutin ist. An ADHS erkrankte Menschen sind meist hilfsbereit, fürsorglich, tierlieb, haben einen hohen Gerechtigkeitssinn und sind sehr kreativ. Arbeitgeber schätzten sie, weil sie ein originelles Problemlöse-Denken besitzen und oft über ein großes Fach- und Detailwissen verfügen. Die Ursachen seien meist genetisch bedingt und lägen an einer Durchblutungsstörung im Frontalhirn. Worauf Krahmer Wert legt, ist die Erkenntnis, dass ein schlechter Charakter, Dummheit oder Erziehungsfehler definitiv als Ursachen ausgeschlossen werden können. Sie gab einer Mutter Recht, die Marmelade inzwischen auf dem Frühstücksbrot des Sohnes wegen des Zuckergehaltes meidet. Dieser verstärke das ADHS-Verhalten des Kindes. Auch die Farbstoffe in Softdrinks spielten hier eine Rolle, so die Dipl.-Psychologin.

Medikamente, so schlecht auch ihr Ruf sei, kommen erst in Frage, wenn psychiatrische Hilfe oder andere medizinische Maßnahmen sich als erfolglos erwiesen haben. Richtig dosiert könnte diese Kindern und Eltern helfen. "Die können nicht so wollen, wie sie wollen sollen"; versuchte Krahmer Verständnis für die Schüler zu wecken. ADHS-Menschen brauchen Struktur, Rituale und Checklisten. Dazu brauchen die Eltern viel Geduld. "Das man mal ausflippt, ist ganz normal", zeigte sich Krahmer verständnisvoll. Weniger reden und diskutieren, dafür mehr handeln sei ratsam. Vieles müsse man auch mal so stehen lassen. In der Schule sei es vorteilhaft, wenn das betroffene Kind nah bei Lehrer und nicht am Fenster (Ablenkung) sitzt. Eine persönliche Ansprache und reger Blickkontakt helfen ebenfalls. Man dürfe nicht moralisieren, denn ADHS sei keine Modekrankheit, betonte Monika Krahmer.

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