Eröffnung am Freitag „Ich war noch nie arbeitslos“

Dudweiler · Gebürtig in Kurdistan lebt Aree Rasul seit 17 Jahren in Deutschland und eröffnet heute ein Schnellrestaurant.

 Ayad Abdalla (links) und Aree Rasul gestern vor ihrem Schnellrestaurant in Dudweiler, das heute öffnet.

Ayad Abdalla (links) und Aree Rasul gestern vor ihrem Schnellrestaurant in Dudweiler, das heute öffnet.

Foto: Thomas Seeber

Treffpunkt Kaffeebar, Nähe Beethovenplatz. Es ist viel zu heiß – einmal mehr im betonierten Herzen Saarbrückens. Ein Eiskaffee wäre jetzt prima. Aree Rasul schüttelt bedauernd den Kopf: Stattdessen ein eisgekühlter Latte Macchiato? Warum nicht. Und siehe da: perfekt. Obwohl er seit ein paar Stunden offiziell nicht mehr Inhaber des Lokals ist, lässt es sich der gebürtige Iraker nicht nehmen, den Gastgeber zu spielen. Eine Rolle, die er verinnerlicht hat – genau wie die des Erzählers. Reflektiert und unaufgeregt lässt er seine Geschichte am kleinen Bistrotisch vor dem Café Revue passieren.

Rasul stammt aus dem Nordirak, genau genommen aus Erdil, dem Wirtschafts- und Handelszentrum Kurdistans. Von dort musste er 2000 fliehen. Probleme mit der Polizei habe es gegeben, es bestand zu 95 Prozent Gefahr für sein Leben, wie er es ausdrückt. Seine Familie lebt noch heute dort.

Aree Rasul verließ die Schule nach der vierten Klasse, um Geld als Straßenhändler zu verdienen. Vor seiner Flucht betrieb er zuletzt eine Videothek, wo er Filme verlieh, wie er der SZ weiter erzählt.

„Deutschland war ehrlich gesagt nicht mein Ziel“, lächelt der Iraker. Wobei: „Germany und Fußball hat mich immer interessiert.“ Es dauerte ein ganzes Jahr, „bis ich hier war“. Bald wird er 40 Jahre alt. Wirkliche Bedeutung besitzt für Rasul aber ein anderes Datum: der 15. Juli 2001, sein erster Tag in Deutschland. „Ich war wie neu geboren.“ In Lebach erwartete ihn ein Zimmer, ein Bett, ein Paket mit Lebensmitteln: „Wow“, dachte Rasul damals, „hier fängt das Leben an“. Es sei eine schöne Zeit in dem Auffanglager gewesen, „wirklich“, bekräftigt Rasul. Kein Vergleich zur Türkei oder dem Irak. „Man konnte duschen, hatte Strom und was Gutes, Warmes zu essen“, was in seiner Heimat bis heute Luxus ist. Einzig die anfängliche Einsamkeit machte ihm zu schaffen: „Ich kannte ja keinen.“

Seinen ersten Deutschkurs besuchte er schon einen Monat später bei der Caritas. Und stellte fest: „Die deutsche Sprache ist sehr sehr schwer, vor allem für jemanden, der noch nicht mal englische Buchstaben schreiben konnte“. Im November 2001 erhielt er eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, zunächst für zwei Jahre und wurde als Ein Euro-Jobber auf dem Friedhof eingesetzt. Als das Pflichtpensum rum war, „hab ich gefragt, ob ich weiter machen kann, bis ich was finde“. Das ging. Später folgten Jobs bei einer Zeitarbeitsfirma, in einer Schreinerei, bei Halberg Guss und in einer Firma, die Kebab Spieße herstellt. Parallel nahm er Sprachunterricht, in der Döner-Fabrik wurde Rasul fest angestellt.

„Ich war noch nie arbeitslos“, betont der Iraker, der den Einbürgerungstest mit 87 Prozent bestand und seit 2011 deutscher Staatsangehöriger ist. Aber: „Mein Ziel war immer, wieder einen eigenen Laden zu haben, mein eigener Herr zu sein.“ Hilfe kam hier von der Familie seiner Frau Niki. Die ist Kolumbianerin, wurde aber mit drei Jahren von Deutschen adoptiert. Seine Ehefrau arbeitet als Aushilfe in der Kaffeebar, die er übernahm. Zunächst mit etwas Bauchweh: „Ich hatte ja keine Ahnung von Kaffee.“ Niki half ihm, es klappte. Doch auch diese Phase ist jetzt Geschichte. Das Paar hätte gern Nachwuchs, dafür reichen die Einkünfte aus der Bar leider nicht.

Weshalb Aree Rasul nun selbst unter die Döneranbieter geht – zusammen mit seinem Freund und Trauzeugen. Ausgewählt haben die Zwei dafür die ehemalige Bäckerei in der Liesbet-Dill-Straße 4. Drei Jahre stand das Ladenlokal leer, mit Hilfe der Schwiegermutter, einer Architektin, wurde um- und eine kleine Terrasse angebaut. „Alles ist komplett neu: Fliesen, Decke, Wand, Theke.“

Keine Kompromisse geht das Duo auch bei der Qualität ein: So verzichtet es beim Fleisch auf die branchenüblichen Kleber und Zusatzstoffe und verwendet nur Trockengewürze. Verwöhnen wollen sie ihre Kunden zudem mit Holzofen-Pizza, Pasta, Flammkuchen und „italienischem“ Döner mit Grillgemüse. „Wir essen sehr gern und stehen gern am Herd“, verrät Rasul. „Da haben unsere Frauen Glück.“ Und da ist es wieder, dieses Lächeln, das vom Angekommen sein erzählt und davon, dass er seinen Frieden gefunden hat – und das kleine Glück. Das nämlich empfindet der 39-Jährige, wenn er abends „gesund“ von der Arbeit nach Hause kommt (und „es keine Beschimpfungen gab“). „Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort