Kunstturnen Die Tasche hat auf der Heimreise nicht geklimpert

Dudweiler · Der ehemalige Weltklasse-Turner Eugen Spiridonov aus Dudweiler trainiert den Kunstturn-Bundesligisten TG Saar.

 Eugen Spiridonov fliegt während der Qualifikation bei der Weltmeisterschaft im Geräteturnen in Rotterdam 2010 bei seiner Übung an den Ringen förmlich durch die Halle. Für eine Einzelmedaille reichte es in Rotterdam nicht. Dafür gewann er wie 2007 mit der deutschen Nationalmannschaft WM-Bronze.

Eugen Spiridonov fliegt während der Qualifikation bei der Weltmeisterschaft im Geräteturnen in Rotterdam 2010 bei seiner Übung an den Ringen förmlich durch die Halle. Für eine Einzelmedaille reichte es in Rotterdam nicht. Dafür gewann er wie 2007 mit der deutschen Nationalmannschaft WM-Bronze.

Foto: dpa/Marijan Murat

Eugen Spiridonov fühlt sich pudelwohl. Vor einem Jahr hat der frühere Weltklasse-Turner der TG Saar seine Karriere nach fast 20 Jahren beendet. Er arbeitet seitdem als Sportlehrer und Cheftrainer des Kunstturn-Bundesligisten. Einst ermöglichte ihm sein Turn-Talent, mit seiner Familie im Saarland heimisch werden zu können. Mittlerweile wohnt er mit Frau und Kind im selbst gebauten Haus in Dudweiler.

„Ich freue mich, dass ich hier im Saarland gelandet bin. Die Menschen hier haben mir von Anfang an sehr gut geholfen und mich unterstützt“, sagt der ehemalige Weltklasse-Athlet. Und Spiridonov betont: „Es ist mir eine große Ehre, für das Saarland sportlich etwas erreicht zu haben.“

Mit einem Zimmer im Internat an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken fing alles an. Kurt Bohr, der damalige Präsident des Saarländischen Turner-Bunds (STB), formulierte ein Empfehlungsschreiben, mit dem Spiridonov ins Saarland umsiedeln durfte. Das war im Jahr 2001. Spiridonovs heute 86 Jahre alte Oma, eine gebürtige Deutsche, hatte den damals 19-Jährigen aus dem russischen Tscheljabinsk bei Jekatarinburg mit in ihre mehr als 4500 Kilometer entfernte deutsche Heimat genommen. Zuvor hatten sie fünf Jahre auf die benötigten Papiere warten müssen.

„Die ersten zwei Jahre hier waren nicht einfach. Ich hatte in Russland einen Deutsch-Kurs absolviert und dachte nach zwei Wochen: Gut, ich kann alles. Auf geht’s“, erinnert sich der heute 37-Jährige und stellt klar: „Als ich dann hier ankam, verstand ich kein Wort.“ Mittlerweile versteht Spiridonov sogar Saarländisch. „Das Saarland ist klein und fein, hier gibt es viel Grün, gute Luft und die wunderschöne Saarschleife. Ich habe hier alles, was ich brauche“, findet der frühere Erfolgsgarant der TG Saar. Auf seine Empfehlung hin wurde sogar sein früherer Trainer in Russland, Vladimir Sokolov, vom STB nachgeholt.

Die sportlichen Leistungen halfen Spiridonov bei der nicht leichten Integration. Jahr für Jahr entwickelte er sich weiter, wurde besser und nahm im Trikot der deutschen Nationalmannschaft die Olympischen Spiele 2004 in Athen ins Visier. „Ich war dabei, aber nur als Ersatzmann. Das war schon ärgerlich“, gibt Spiridonov zu. Nach der Olympia-Enttäuschung wurde er Sport­soldat und begann ein Studium zum Sportlehrer. Sein nächstes Ziel: Die Olympischen Spiele 2008 in Peking. „Ich wollte, seit ich mit dem Sport angefangen und die Spiele das erste Mal im Fernsehen gesehen hatte, unbedingt einmal dort mitturnen“, versichert er mit funkelnden Augen.

Nach Silber am Pauschenpferd bei der Europameisterschaft 2006 im griechischen Volos und der deutschen Vize-Meisterschaft im Mehrkampf und am Pauschenpferd im gleichen Jahr holte er 2007 mit der deutschen Staffel um Fabian Hambüchen bei der Weltmeisterschaft Bronze, was der deutschen Mannschaft die ersehnte Olympia-Qualifikation bescherte. In Peking dann erfüllte sich Spiridonov seinen Traum und turnte auf der größten aller Sportbühnen für die deutsche Nationalmannschaft. Einziger Wermutstropfen war der etwas enttäuschende vierte Platz. „Leider hat die Tasche auf der Heimreise nicht geklimpert“, sagt Spiridonov rückblickend – und lacht. Trotzdem wurde er im Saarland als erster Olympia-Turner nach mehr als 20 Jahren begeistert empfangen.

Für eine erneute Olympia-Teilnahme 2012 in London reichte es nicht mehr. Für die deutsche Mannschaftsmeisterschaft mit der TG Saar 2012 schon. „Ich freue mich über die vielen Erfolge, es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Aber irgendwann muss man ja mal Platz machen für die Jüngeren“, sagt der Ex-Athlet aus Dudweiler.

Als der für die Bundesliga-Riege, die zweite Mannschaft und die Nachwuchs-Bundesligamannschaft zuständige Cheftrainer der TG Saar hat Spiridonov die Ausbildung der Jüngeren quasi in der Hand. „Ich habe großen Spaß daran, hier mit dem Nachwuchs zu arbeiten und mich bei der TG Saar weiter einbringen zu dürfen“, sagt er. Sein Ziel: Den nächsten Olympia-Turner aus dem Saarland hervorzubringen, den nächsten Eugen Spiridonov.

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