Brisantes Thema gegen den Strich gebürstet

Dudweiler · Kritisches und Nachdenkliches gab es jetzt in der Gesamtschule zu einem aktuellen und kontrovers diskutierten Thema.

 Professor Dieter Filsinger Archivfoto: Iris Maurer

Professor Dieter Filsinger Archivfoto: Iris Maurer

Das Flüchtlingsthema beherrscht unseren Alltag. Viele der Neuankömmlinge sind Minderjährige. Sie stellen hinsichtlich ihrer Integration eine besondere Herausforderung auch für die deutsche Gesellschaft dar.

Nun gab ein Vortrag zur Integration von Flüchtlingskindern in der Dudweiler Gemeinschaftsschule Sulzbachtal Einblicke in die vielschichtige Thematik. Auf Einladung des Landesverbandes Saar der "Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule - Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens" referierte in der Cafeteria Prof. Dieter Filsinger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Der Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften sprach zum Thema "Jugendliche Flüchtlinge im Saarland - Situation und Handlungsmöglichkeiten für Jugendhilfe und Schule". Filsinger, der sich seit über 30 Jahren mit dem Thema Migration beschäftigt, stellte gleich anfangs klar, dass er "gegen den Strich bürsten" wolle. Die Situation sei unübersichtlich, es gäbe keine genaue Datenlage, und deshalb sehe er sich als Experte für die Sortierung des Gesamtzusammenhangs.

Das Thema Zuwanderung sei keinesfalls neu. Man denke an die Situation nach dem Krieg, an die Gastarbeiter in den 1970er Jahren und an die Migrantenwelle von meist aus dem Balkan stammenden Einwanderern in den 1990er Jahren.

Der Unterschied dieses Mal: Armut und Krieg sind die Ursachen, und es gibt Neuzuwanderung aus EU-Ländern. Neu sei auch die breite Hilfsbereitschaft bei gleichzeitig "extremer Fremdenfeindlichkeit", so der Professor. Die Hauptursache für die Probleme in Deutschland sieht Filsinger darin, dass man bislang glaubte, die Einwanderung sei beendet und man brauche kein entsprechendes Gesetz.

"Die Entwicklung war abzusehen", blickte der Wissenschaftler zurück. Entgegen der aktuellen Stimmung sehen die Wissenschaftler die Belastungsgrenze als nicht erreicht an. Kritisch sieht Filsinger auch die Willkommenskultur: "Niemand will unbegrenzt Menschen in seinem Haus sehen", lautet da seine Meinung. Dennoch müsse die Debatte, wie viel Zuwanderung Deutschland verträgt, offen geführt werden, betont der Soziologe. Generell dürfe es keine Tabus bei dem Thema geben. Es freue ihn, dass man erkannt habe, dass eine Kategorisierung der Einwanderer zur Spaltung führe. "Eine besondere Willkommenskultur braucht man nicht, wenn man universell denkt", betonte Dieter Filsinger gleich mehrfach. Ihm sei klar, dass das Ganze "Feld politisch hoch vermint" sei. Es sei aber ein Trugschluss, dass die Begrenzung der Einwanderung einfach sei.

Kinder und Jugendliche , meist als Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) bezeichnet, hätten hier ein hohes soziales Risiko, denn ihnen fehlt ihre Familie. Meist hätten sie sich alleine durchschlagen müssen. "Das sind keine Opfer, sondern Akteure", denkt Prof. Filsinger. Für die Integration spiele der Migrationshintergrund keine Rolle, sondern die soziale Herkunft. Damit sei man mit den Inländern in einem Boot. Gemäß dem letzten Bildungsbericht blieben beide Gruppen zu 20 Prozent dauerhaft ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch sei die Sonderbehandlung ein "struktureller Fehler" gewesen, sagte der Wissenschaftler. Laut Schulleiter Wolfgang Dietrich hat die Gemeinschaftsschule Sulzbachtal (1000 Schüler) bislang rund 30 Flüchtlinge aufgenommen.

Viele hätten bei Ankunft auf dem Papier einen Mittleren Bildungsabschluss. Überprüfungen halte dies aber oft nicht stand. Auch sei der Schulbesuch im Heimatland oft unregelmäßig gewesen.

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