Starke Unterstützung für Roma-Kinder „Die Kinder gehen jetzt in die Schule“

Saarbrücken · Arbeiterwohlfahrt: Für einige Familien aus Osteuropa war das anfangs nicht selbstverständlich. Mitarbeiter unterstützen 190 Kinder.

 Rodica Wollscheid (2.von rechts) und ihre Kollegin Gabriela Bot (links) von der Arbeiterwohlfahrt beraten regelmäßig osteuropäische Eltern, deren Kinder in die Burbacher Weyersbergschule gehen.

Rodica Wollscheid (2.von rechts) und ihre Kollegin Gabriela Bot (links) von der Arbeiterwohlfahrt beraten regelmäßig osteuropäische Eltern, deren Kinder in die Burbacher Weyersbergschule gehen.

Foto: Oliver Dietze

In der Diskussion, wie die Stadt die vielen Zuwanderer  integrieren will, wird eine Gruppe fast vergessen. Aus Bulgarien und Rumänien sind in den vergangenen Jahren viele EU-Bürger nach Saarbrücken gekommen. Ihre Zahl hat sich von Ende 2012 bis Ende Juni 2017 nach Angaben der Stadtverwaltung fast verdoppelt. „Sie kommen oft mittellos, wohnen in Schrottimmobilien und bekommen wenig Unterstützung“, sagt Yvonne Ploetz von der Koordinierungsstelle EU-Zuwanderung in Saarbrücken.

Zu Beginn hätten diese Familien, darunter auch Roma, die der Armut in ihrer Heimat entfliehen wollen, aber nur Anspruch auf Kindergeld und nicht auf Leistungen des Jobcenters. Die Auszahlung des Kindergelds dauere oft Monate. Das bringe diese Familien in existenzielle Not. Dazu kommen Sprachprobleme und in vielen Fällen eine fehlende Ausbildung. Doch für Sprachkurse gibt es ohne Anspruch auf Hartz IV auch keine Zuschüsse vom Staat.

Nachdem es in der Malstatter Frankenstraße 2014 Beschwerden über mehrere Roma-Großfamilien wegen Lärm und Müll gegeben hatte, haben Stadt und Regionalverband reagiert. Die Lage hat sich danach entspannt. Ein Baustein der Aktivitäten  nennt sich „Quartiersbezogene Hilfen für Zuwanderfamilien aus Osteuropa“. Das heißt: Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) kümmert sich um von Armut bedrohte Familien in Malstatt und Burbach. Denn fast die Hälfte der rund 3300 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien in Saarbrücken lebt nach Angaben der Awo in den beiden Stadtteilen. Ein besonderer Fokus liegt auf den Kindern. In Burbach und Malstatt kümmern sich zwei Mitarbeiterinnen, die die Mentalität auch von Roma-Familien gut kennen, um rund 190 Kinder und Jugendliche.

Die beiden Frauen mussten erstmal dafür sorgen, dass alle in die Schule gehen. „Das war ein langer Prozess. Viele Kinder haben anfangs gefehlt. Die Schule war fremd, die Sprache auch“, erklärt Mitarbeiterin Rodica Wollscheid. Sie mussten viele Eltern erst einmal darüber aufklären, dass es in Deutschland eine Schulpflicht gibt. Dazu kommt, dass die Eltern ohne Anspruch auf Hartz IV keine Zuschüsse für Schulbücher oder Fahrtgeld bekommen. Und das, obwohl der Nachwuchs mittlerweile auf Schulen im gesamten Stadtgebiet verteilt werde, wenn die wohnortnahen Schulen aus allen Nähten platzen. Hartz IV bekommen die Eltern nach Angaben von Ploetz aber erst, wenn die Eltern zumindest einen Minijob haben und Aufstocker sind, also zusätzlich zur Arbeit Geld vom Jobcenter bekommen. Nach Angaben der Agentur für Arbeit erhielten im April 1252 Rumänen und Bulgaren, die in Saarbrücken leben,  Hartz IV (davon 534 Kinder und Jugendliche). Im Regionalverband ist die Zahl der Hartz IV-Empfänger von Juli 2015 bis Juli 2017 um 42 Prozent gestiegen, darunter sind 460 Aufstocker. Denn viele Rumänen und Bulgaren bekämen eben nur Minijobs, erklärt das Jobcenter des Regionalverbandes. Unter den Roma und anderen Zuwanderern aus Osteuropa seien aber auch Menschen, die eine Berufsausbildung mitbringen, betont Wollscheid. „Sie wollen hier Fuß fassen, aber auch ihre Kultur weiter pflegen.“ Nach zwei Jahren zieht sie eine erste Bilanz: „Die Kinder gehen in die Schulen und es gibt weniger Schulabbrüche.“ Viele Kinder hätten die Hauptschule abgeschlossen, einige auch die mittlere Reife gemacht. Ploetz ergänzt, dass mittlerweile in vielen Familien zumindest ein Elterneil eine Arbeit habe. Wollscheid: „Die Familien sind immer noch da. Allein das ist ein großer Erfolg. Sie wissen: Es gibt jemanden, dem sie vertrauen können.“

Auch das Jugendamt des Regionalverbandes lobt die Arbeit in Malstatt und Burbach. Die finanzielle Situation vieler Eltern habe sich verbessert. Das wirke sich auch positiv auf die Kinder aus. Dies gelinge vor allem, weil Arbeiterwohlfahrt, Gemeinwesenarbeit und Schulen eng zusammenarbeiten. Auch die Nähe des Kinder- und Bildungszentrums Burbach zur Weyersbergschule mache sich positiv bemerkbar. So unterstütze das Zentrum die Kinder zum Beispiel auch, die deutsche Sprache zu lernen. Und die Gemeinwesenarbeit sei ein wichtiger Vermittler zwischen Stadt und Zuwanderern.

Kommentar

Gute Sozialarbeit zahlt sich aus

Von Markus Saeftel

In einer Gemeinschaftsaktion haben es Stadt, Jugendamt, Gemeinwesenarbeit, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt (Awo) geschafft, dass nach den Beschwerden über Roma-Familien 2014 in Malstatt Ruhe eingekehrt ist. Nicht nur das: Mit wenig finanziellem Aufwand ist es zum Beispiel gelungen, die Zuwanderer aus Osteuropa zu überzeugen, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Das war anfangs nicht selbstverständlich. Aber nur so haben diese Kinder eine Perspektive. Nach dem Jugendhilfegesetz engagieren sich die Mitarbeiter der Awo und sorgen gemeinsam mit engagierten Schulleitern und der Stadtteilarbeit dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen eine ordentliche Ausbildung erhalten. In Härtefällen springt die Stadt auch ein, um zum Beispiel den Bustransport zur Schule zu bezahlen. Denn wer aus Osteuropa kommt und keine Arbeit hat, bekommt fünf Jahre lang keine Sozialleistungen. Also werden die Rumänen und Bulgaren auch unterstützt, hier Arbeit zu finden. Doch das bleibt schwierig. Die Zahl der Hartz IV-Empfänger in dieser Gruppe ist im Regionalverband stark gestiegen. Das liegt auch daran, dass sie von den schlecht bezahlten Minijobs nicht leben können und zusätzlich Geld vom Jobcenter bekommen. Aber: Unter allen nichtdeutschen Hartz-IV-Empfängern beträgt der Anteil der EU-Zuwanderer nur zehn Prozent, sagt die Arbeitsagentur. Und über 60 Prozent von ihnen war im April in Saarbrücken nicht auf staatliche Hilfe angewiesen. und braucht keine staatliche Hilfe. >" src="/js/tiny_mce/plugins/irnotes/img/note.png">Fazit: Die Integration macht Fortschritte. Deshalb sollte diese wichtige Arbeit weitergehen.

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