Debatte um Erinnerungskultur Auch Jusos fordern neue Straßennamen

Saarbrücken · In der Diskussion um rassistische Straßennamen erhält der Sicherheitsbeirat in Völklingen Unterstützung von den Saar-Jusos. Diese nehmen auch Saarbrücker Straßen ins Visier.

 Juso-Vorsitzende Kira Braun.

Juso-Vorsitzende Kira Braun.

Foto: Jusos Saar

Vergangene Woche richtete der Völklinger Sicherheitsbeirat einen Appell an Oberbürgermeisterin Christine Blatt (SPD): Vorsitzender Werner Michaltzik forderte die zuständigen Gremien dazu auf, fünf Straßen im Stadtteil Heidstock umzubenennen. Diese tragen die Namen von Männern, die in der deutschen Kolonialzeit an der Unterdrückung afrikanischer Volksstämme und Genoziden beteiligt waren (wir berichteten).

Die Diskussion ist nicht neu, aber dennoch aktuell: Im Zuge der weltweiten „Black Lives Matter“-Proteste steht die Erinnerungskultur allgemein auf dem Prüfstand. Umstrittene Straßennamen gibt es zudem nicht nur in Völklingen: Auch Saarbrücken besitzt eine Lüderitzstraße, andere sind nach NSDAP-Mitgliedern benannt oder nach dem ehemaligen Oberbürgermeister Hans Neikes, der Adolf Hitler 1934 zum Saarbrücker Ehrenbürger ernannte.

Der Volksentscheid, bei dem über 90 Prozent der Saarländer für einen Anschluss des Saarlandes an Nazi-Deutschland stimmten, fand dagegen erst ein Jahr später statt: am 13. Januar 1935. Ein Datum, das wirklich kein Grund zum Feiern ist, finden die Jusos Saar. Pünktlich zum Jahrestag des Volksentscheids plädierten sie vergangenen Winter für eine Umbenennung der Straße des 13. Januar in Saarbrücken.

Zu dieser Forderung stehe der Jugendverband auch weiterhin, teilte Landesvorsitzende Kira Braun auf Nachfrage mit. „Wir wissen alle, was danach passiert ist. So etwas sollte nicht in einem Straßennamen gewürdigt werden.“

Auch den Appell des Völklinger Sicherheitsbeirats unterstützt die 24-Jährige. Das Argument, eine Änderung der Straßennamen sei geschichtsvergessen, lässt sie nicht gelten: „Straßennamen eignen sich nicht als Mahnmal“, erklärt sie. „Niemand beschäftigt sich tiefer damit, es fehlen erklärende Schilder.“ Dadurch werde das Gedankengut in gewisser Weise normalisiert. Stattdessen solle über die Akteure des NS-Regimes und der Kolonialzeit in der Schule aufgeklärt werden.

Alternativen zu den aktuellen Namen, die einst von den Nazis aus Propagandagründen ausgewählt wurden, gäbe es genug. „Man braucht sicher nicht lange, um genug Leute zu finden, die es viel eher verdient hätten, mit einem Straßennamen geehrt zu werden“, sagt Braun.

Für die Straße des 13. Januar in Saarbrücken – eine Straße gleichen Namens existiert auch in Völklingen – hatten die Jusos schon Anfang des Jahres einen würdigen Namensgeber im Blick: Alex Deutsch. Der Auschwitz-Überlebende aus Neunkirchen hatte bis zu seinem Tod im Jahr 2011 wertvolle Aufklärungsarbeit als Zeitzeuge geleistet. „Ein Kämpfer für die Demokratie“, sagt Braun – dem eine solche Auszeichnung viel eher zustehen würde.

Ob die Forderungen dieses Mal umgesetzt werden können? Schließlich haben die „Black Lives Matter“-Proteste viel Aufmerksamkeit für Themen rund um Rassismus, Faschismus und Erinnerungskultur erzeugt. „Eigentlich ist es schade, dass wir einen Aufhänger brauchen, um über struktruellen Rassismus zu sprechen“, findet Braun. „Aber generell scheint momentan auch von Nichtbetroffenen eine höhere Empathie für das Thema da zu sein.“ Das könne nützlich sein, um endlich auch in dieser Debatte zu einem Ergebnis zu kommen. 

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