Prozessbeginn in Saarbrücken Schönauer droht Niederlage vor Gericht

Saarbrücken · Am Saarbrücker Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen den Blogger Uwe Caspari begonnen. Es geht um den Kabarettisten Detlev Schönauer, der als Kläger auftritt – und einen Rassismusvorwurf.

 Kabarettist Detlev Schönauer (Zweiter von rechts) als Kläger vor dem Saarbrücker Landgericht. Neben ihm Anwältin Mirjam Kessler.

Kabarettist Detlev Schönauer (Zweiter von rechts) als Kläger vor dem Saarbrücker Landgericht. Neben ihm Anwältin Mirjam Kessler.

Foto: BeckerBredel

Detlev Schönauer verspätet sich. Der Kabarettist kennt sich am Landgericht nicht aus. Er stand zuerst vor dem falschen Gebäude. Doch nun betritt der 65-Jährige das Verhandlungszimmer. Ein überschaubarer Raum, geweißte Wände, Parkett, mit besonderer Akustik. Saal 16 verschluckt jedes Wort sofort. Das Internet funktioniert anders, in seinen Echokammern verhallt manche Äußerung nie. Deshalb tritt Schönauer an diesem Dienstagmorgen vor Gericht nicht als bekannter Humorist, sondern als Kläger auf.

Der Erfinder von „Jacques‘ Bistro“ will, dass ein Blogeintrag über eines seiner Programme aus dem Netz gelöscht wird. Darin steht, dass Schönauer seine Popularität für die Verbreitung von Rassismus nutze. Er hetze ganz gezielt und vertrete eine politische Agenda, ist da zu lesen. Unter der Überschrift: „Rassismus ist kein Kabarett.“

Der Urheber dieser Zeilen sitzt nur wenige Plätze weiter als Beklagter zwischen seinen Anwälten: Uwe Caspari, Piraten-Politiker aus Dudweiler. Er hatte im März vergangenen Jahres einen Kabarettabend mit Schönauer besucht, danach eine beißende Kritik verfasst. Als er sich weigerte, seinen Beitrag aus dem Internet zu tilgen, strengte Schönauer eine Unterlassungsklage gegen Caspari an. Der Kabarettist sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt.

Außerhalb des Gerichtssaals erscheint dieser Konflikt wie ein ungleicher Kampf zwischen einem Künstler, der durch TV-Auftritte einem Millionenpublikum vertraut ist, wegen seiner politischen Äußerungen in sozialen Medien aber seit geraumer Zeit als umstritten gilt. Und einem unbekannten Blogger, durch den Schönauer seine Existenz bedroht sieht. Wie reagieren die Richter auf seine Klage?

 Gegen ihn zog der Kabarettist Detlev Schönauer vor Gericht: Blogger Uwe Caspari.   Foto: Becker&Bredel

Gegen ihn zog der Kabarettist Detlev Schönauer vor Gericht: Blogger Uwe Caspari. Foto: Becker&Bredel

Foto: BeckerBredel

Das Gericht betrachtet den Blogeintrag als „sicherlich überzogenen Text“, wie der Vorsitzende Richter Martin Jung sagt. Aber es stuft ihn als Werturteil ein, das durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, nicht als falsche Tatsachenbehauptung. Auch eine Beleidigung oder unzulässige Schmähkritik liegt nach Einschätzung der Zivilkammer nicht vor. „Unglaublich“, flüstert ein Fan des Kabarettisten auf der Zuschauerbank. Eine Entscheidung gibt es an diesem Morgen nicht, die Richter schlagen als Vergleich vor, dass Caspari seinen Beitrag löscht. Was der Blogger nach einer Bedenkzeit ablehnt. Ein Urteil wird nun am 25. Juli erwartet. Schönauer muss eine juristische Niederlage fürchten.

Er fragt die Richter: „Darf ich etwas sagen?“ Der Blogeintrag werde immer wieder geteilt, als seriöse Quelle, beklagt er. Es stünden Dinge darin, die nicht ganz der Wahrheit entsprächen. Womit seine Anwältin bisher nicht argumentiert haben soll. Nach der Verhandlung bekräftigt Schönauer, er fühle sich falsch dargestellt.

Beispiel gefällig? In dem Programm, das Caspari kritisiert, tritt Schönauer als „Mainzer Lehrer“ auf. „Ich spiele nie mich selber, ich spiele Rollen“, erklärt er. In der Rolle des Lehrers will Schönauer angesprochen haben, dass man heute nicht mehr „Zigeunerschnitzel“ sagen dürfe. Und sich gegen einen fiktiven Lehrerkollegen gewandt haben, als der „Sinti und Roma in Scheiben“ als Alternative vorschlägt. Caspari greift in seinem Blogartikel den „Namensvorschlag“  auf, nennt ihn „besonders perfide“ – ohne auf einen erfundenen Dialog einzugehen, die angebliche Distanzierung durch eine Kunstfigur. Er interpretiert die Pointe zum „Paprikaschnitzel“, wie er es nennt, als offene Abkehr von der politischen Korrektheit: „Weg mit dieser Sprachdiktatur, für ein Recht auf rassistische Sprache!“

„Ich möchte nicht, dass dieser Blog immer wieder gegen mich verwendet wird“, sagt Schönauer. „Es soll jeder in mein Programm kommen und selber sehen, ob ich ein Rassist bin oder nicht. Das wäre das Beste.“ Bleibe der Blogbeitrag im Netz, müsse er damit rechnen, dass Veranstaltungen abgesagt würden, Zuschauer nicht mehr kämen. „Das kann für mich existenzbedrohend sein“, so der Kabarettist. „Dann ist Herr Caspari daran Schuld.“

Was sagt die Gegenseite? „Unser Standpunkt ist, dass Herr Schönauer bewusst humoristisch Grenzüberschreitungen begangen hat, das ist sein gutes Recht im Rahmen der Kunstfreiheit“, erklärt Tobias Raab, der Anwalt von Blogger Caspari. Der Kabarettist müsse dann aber damit zurechtkommen, wenn sein Mandant sage, wie er das findet, so Raab. „Das ist Ausdruck der Meinungsfreiheit.“

Währenddessen spricht Schönauer zu seinen Verehrern. Er hat für den Auftritt vor dem Landgericht seine Anhänger mobilisiert. Eine Handvoll ist gekommen, um den Künstler zu unterstützen. Die Fans haben ihr Urteil längst gefällt. „Sind Sie der Caspari?“, hatte eine Frau den Reporter gefragt, als sie vor dem Gerichtssaal auf Einlass wartete. Ohne Anrede. Falls ja, dann hätte sie sich woanders hingesetzt, schob sie nach. Später sagte sie in vertrauter Runde: „Das wäre das Falscheste, was wir tun könnten, dass wir uns die Meinung verbieten lassen.“ Anscheinend wird der Rassismusvorwurf im Umfeld des Kabarettisten als Versuch gedeutet, ihn und seine Fürsprecher mundtot zu machen. Ob das Landgericht zu seinen Gunsten entscheiden wird, ist offen.

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