Absurd Daumenschrauben für die Saarbrücker Stadtwerke

Saarbrücken · Bundesgesetze – eines über Bus und Bahn und eines über Stromleitungen – bringen den Konzern extrem unter Druck

 Stromleitungen im Fokus: Es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese, bislang ungeregelte Form der Nutzung von Saarbrücker Stromleitungen, durch ein Berliner Gesetz reglementiert wird. Dann müssen unsere Tauben wahrscheinlich in Berlin ein Ticket lösen, bevor sie sich wie hier an der Berliner Promenade auf die Leitung setzen dürfen.

Stromleitungen im Fokus: Es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese, bislang ungeregelte Form der Nutzung von Saarbrücker Stromleitungen, durch ein Berliner Gesetz reglementiert wird. Dann müssen unsere Tauben wahrscheinlich in Berlin ein Ticket lösen, bevor sie sich wie hier an der Berliner Promenade auf die Leitung setzen dürfen.

Foto: Iris Maurer

Daumenschrauben aus Berlin machen den Stadtwerken Saarbrücken (SWS) das Leben schwer – und die Kasse leer. Belegschaft und Geschäftsführung stehen zweifach unter Druck.

Daumenschraube Nummer eins ist das Personenbeförderungsgesetz. Das hat die CDU-FDP-Bundesregierung 2012 erlassen. Es gilt seit 2013. Dieses Gesetz sorgt dafür, dass im Augenblick weder die Stadt noch die Saarbahn oder die Stadtwerke (der Mutterkonzern der Saarbahn) wissen, wie es mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Saarbrücken weitergeht. Darf die Saarbahn den ÖPNV auch noch ab 2020 sicherstellen? Oder schafft es ein Privater, ihr diesen Auftrag abzujagen?  Von der Antwort sind insgesamt rund 500 Arbeitsplätze bei Saarbahn und Stadtwerken betroffen (die SZ berichtete).

Daumenschraube Nummer zwei trägt den fröhlichen Namen „Nemog“, hat aber nichts mit dem lustigen Fisch aus dem Kino zu tun, sondern steht für das Wortmonster „Netzentgeltmodernisierungsgesetz“ – abgekürzt Nemog. Gemacht hat’s die CDU-SPD-Regierung 2017, offiziell soll es für gerechtere Strompreise sorgen. Aber es hat brutale Nebenwirkungen.

Das Nemog trifft die Stadtwerke (SWS) hammerhart. Und das geht so: Alle Konzerne, die in Saarbrücken Strom oder Gas verkaufen, müssen die Leitungen der SWS benutzen – und dafür Miete bezahlen. Diese Miete heißt Netznutzungsentgelt. Bislang durften die SWS die Miete – in einem bestimmten Rahmen – selbst festlegen.  Aber damit ist jetzt Schluss. Das Nemog zwingt die SWS sogar, die  Miete zu senken.

Ergebnis: Die SWS werden künftig pro Jahr 3 bis 5 Millionen weniger in der Kasse haben.

Und als wenn das noch nicht genug Pech für die SWS wäre, hat 2017 das Saarland seinen Zuschuss für den Schüler- und Azubi-Transport der Saarbahn um 1,8 Millionen pro Jahr gekürzt.

Die Wirkung dieser drei Faktoren ist fatal. Sie beenden den Aufwärtstrend der Stadtwerke-Bilanz – der seit 2008 für Erstaunen gesorgt hatte.

Blick zurück: Der heutige Stadtwerke-Konzern hieß bis 2015 Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken (VVS). Zur VVS gehörten unter anderem Saarbahn&Bus, die Bäderbetriebsgesellschaft und die Stadtwerke.

Die Saarbahn und die Bäder machten von jeher Minus. 2006 fehlten allein bei Saarbahn&Bus stattliche 27 Millionen. Aber die Stadtwerke verdienten immer gutes Geld, vor allem mit dem Verkauf von Wasser und mit der Miete für ihre Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen. Mit den Einnahmen der Stadtwerke glich die VVS das Minus von Saarbahn und Bädern aus.

So kam der Konzern lange Zeit –  zwar ohne Profite, aber auch ohne Absturz – einigermaßen über die Runden.

Bis 2008. Da reichte selbst das Stadtwerke-Geld nicht mehr, und der gesamte VVS-Konzern meldete 20 Millionen Verlust. Die Ursachen waren vielfältig. Dazu gehörte auch das sogenannte Saarbrücker Müll-Desaster (die SZ berichtete). Konsequenz: Der VVS-Chef Professor Franz Heinrich musste gehen.

Seine Nachfolger schafften die Trendwende. Langsam ging’s bergauf. Und für 2014 meldete der VVS-Konzern erstmals seit 12 Jahren wieder einen Gewinn – rund zwei Millionen Euro.

Das war eine kleine Sensation. Denn bevor sie 2 Millionen Gewinn melden konnte, hatte die VVS eine wahre Herkulesaufgabe bewältigt:

  Sie hatte allein 2014 rund 15 Millionen Zinsen und Ähnliches auf alte Schulden bezahlt und für 12 Millionen alte Schulden getilgt. Ihre Schulden schmolzen von 170 auf 158 Millionen. Außerdem hatte die VVS 10,5 Millionen Euro an die Stadt überwiesen – als Konzessionsabgabe. (Diese Abgabe muss der Stadtkonzern  bezahlen, weil seine Wasser-, Gas- und Stromleitungen in städtischer Erde liegen. Die Konzessionsabgabe ist also ein Beitrag zum Stadthaushalt.) Weiter deckte die VVS das 16-Millionen-Minus der Saarbahn und das 2-Millionen-Minus der Bäder.

Die VVS hatte 2014 also 57,5 Millionen Euro erwirtschaftet und davon 55,5 Millionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und den Stadthaushalt investiert, bevor sie zwei Millionen  behalten durfte.

2015 wechselte der Konzern seinen Namen. Die VVS heißt seither Stadtwerke (SWS). Der Positivtrend ging weiter. 2015 meldeten die SWS 5,5 Millionen plus.

2016 waren es noch 3,2 Millionen – und das, obwohl die SWS 2016 Belastungen von 47,2 Millionen gemeistert hatten: 13,2 Millionen Zinsen und Ähnliches, 6 Millionen Altschuldenabbau, 11 Millionen Konzessionsabgabe, 14,4 Millionen Minus bei Bus und Bahn sowie ein 2,6-Millionen-Minus der Bäder.

Doch jetzt ist Schluss mit dem Aufschwung. Nemog, das „Netzentgeltmoderinisierungsgesetz“ der CDU-SPD-Regierung, bringt die Wende. Ein Berliner Gesetz beendet die positive Entwicklung der Stadtwerke-Bilanz. Und das ausgerechnet im selben Jahr, wo die Zukunft von Saarbahn und Bus auf der Kippe steht – wegen eines Gesetzes der CDU-FDP-Regierung von 2012 (die SZ berichtete).

Für die Zukunft der SWS gibt es nun zwei Möglichkeiten. Erstens: Die Saarbahn und damit die SWS verlieren den Auftrag für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dann sind rund 500 Arbeitsplätze in Gefahr (die SZ berichtete). Das will die Geschäftsführung unbedingt vermeiden.

Zweitens: Die Saarbahn darf den ÖPNV auch ab 2020 zu den bisherigen Bedingungen und mit den Zuschüssen der SWS sicherstellen. Dann bringt aber Nemog den SWS-Konzern in Schieflage.

Denn Nemog führt dazu, dass die SWS nicht mehr genug Geld verdienen werden, um die Defizite von Saarbahn und Bäderbetrieb komplett auszugleichen.

Schon für 2017 rechnet der SWS-Konzern nur noch mit einer schwarzen Null. Und 2018 – so fürchtet die Geschäftsführung – beginnt die neue Talfahrt mit einem Minus von zwei bis drei Millionen. Die ließen sich zwar noch über die Rücklage abfedern. Doch 2019 könnten es schon stattliche 5 Millionen Miese sein.

„Aber so weit wollen wir’s nicht kommen lassen“, versichert SWS- und Saarbahn-Geschäftsführer Peter Edlinger: „Also werden jetzt überall Sparpotenziale und neue Geschäftsfelder gesucht. Und natürlich reden wir auch mit den Betriebsräten, denn wir wollen das im Konsens regeln.“ Die Tarifverträge der SWS bzw. der Saarbahn mit Verdi und der Gewerkschaft der Lokführer GDL seien nicht betroffen. „Arbeitszeit und Gehalt bleiben konstant“, versichert  SWS-Geschäftsführer Thomas Severin.

 SWS-Geschäftsführer Peter Edlinger

SWS-Geschäftsführer Peter Edlinger

Foto: Iris Maria Maurer

Änderungen können sich die beiden Manager bei einigen Betriebsvereinbarungen vorstellen. Sie betonen aber, dass hier noch nichts spruchreif ist. Edlinger: „In welcher Zeit wir an welchen Stellen wie viel sparen können, das lässt sich im Augenblick nicht sagen. Das wollen wir in den kommenden Monaten gemeinsam mit Betriebsrat, Aufsichtsrat und den Geschäftsführungen der einzelnen Konzernbetriebe klären.“

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