Saarbrücker Musikszene Top-Ensembles brachten packenden Jazz in die Kettenfabrik

St Arnual · Das Daarler Kulturzentrum hat sich nach fünf Festival-Jahren als Treffpunkt für Freunde hochkarätiger improvisierter Musik etabliert.

 Jakob Manz (links) lieferte mit seinen Mitstreitern einen energiegeladenen Auftakt zum Kettenjazz-Festival.

Jakob Manz (links) lieferte mit seinen Mitstreitern einen energiegeladenen Auftakt zum Kettenjazz-Festival.

Foto: Sebastian Dingler

Dreimal ausverkauftes Haus: Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich das Kettenjazz-Festival in der St. Arnualer Kettenfabrik bewährt hat. Gut, nun passen nur knapp 100 Leute in den schönen Konzertraum, und die drei Bands der diesjährigen Ausgabe hatten ein sehr hohes Niveau. Das ist trotzdem ein sehr schöner Erfolg für Macher Klaus Kühn und sein Team, dass er sein Festival so gut etablieren konnte.

Ein gewisser Stolz war ihm auch anzumerken, als er an allen drei Abenden zu Beginn vor das Publikum trat und das fünfjährige Bestehen des Kettenjazz verkündete. Wild-dynamisch startete der Donnerstag mit dem Jakob Manz Project. Da tobten sich drei Mittzwanziger und ein Anfangzwanziger (Manz) nach Herzenslust aus.

Man nahm Kühn gar nicht so ernst, als er prophylaktisch Ohrstöpsel verteilte. Spätestens als Altsaxofonist Manz, Pianist Hannes Stollheimer, Bassist Frieder Klein und Schlagzeuger Paul Albrecht loslegten wie die Feuerwehr, dachte man, es könne doch etwas viel werden für die Gehörgänge des doppelt bis dreifach so alten Publikums.

Vor allem Albrecht schlug bisweilen brachial auf seine Trommeln. Das aber mit einer unglaublichen Präzision und Schnelligkeit, die den Duracell-Hasen aus der Werbung hätte erblassen lassen. Dass der Schlagzeuger viel Einflüsse aus HipHop, Soul und R‘n‘B besitzt, war immer wieder spürbar.

Es sei auch schon vorgekommen, dass Leute bei Konzerten des Projects zu tanzen beginnen, erzählte Manz in der Pause. Wer das tut, muss allerdings mit überraschenden Tempowechseln und Breaks rechnen: Manchmal wechselte die Band zwischen zwei völlig verschiedenen Passagen, als seien deren Aufnahmen im Studio aneinandergeschnitten worden.

Oder der Groove kam ganz bewusst kurz ins Stolpern, um dann umso fulminanter weiterzumarschieren. Kontrastiert wurde der energetische Fusion-Funk des Quartetts vom ganz ruhig dasitzenden Bassisten Frieder Klein, der zudem seinen sechssaitigen E-Bass hielt wie ein klassischer Gitarrist: Das bringe einfach nur Vorteile mit sich, erklärte der Musiker in der Pause.

Man mochte es kaum glauben, aber Manz ist gerade mal 21. Eine ganz normale Jugend habe er nicht verbracht, sagte er, dafür sei er mit zwölf schon zu Jazz Jam Sessions gegangen. Seine Mitmusiker sind fünf bis sechs Jahre älter. Bevor Manz sie „übernahm“, hatten sie bereits ein Trio mit dem schönen Namen Handbetrieb. Am Ende des Konzerts sprangen die Zuhörer auf und spendeten Applaus im Stehen.

Das war auch am darauffolgenden Abend so, nachdem das französische Rémi Panossian Trio (RP3) aufgetreten war. Der 39-jährige Pianist ließ es etwas ruhiger angehen als Jakob Manz. Dennoch gab es auch bei ihm viele Rock- und Funkgrooves zu hören. Einfache Melodien und Akkordverbindungen waren im Jazz lange verpönt, ehe Musiker wie Esbjörn Svensson sie rehabilitierten. Kein Wunder, dass Panossian den Schweden als Einfluss angab, ebenso wie Michel Petrucciani, Keith Jarrett, Radiohead, Lou Reed und David Bowie. Auch waren im Spiel des Südfranzosen viele Einflüsse aus der Klassik zu hören. Sehr heiß sei es in der Kettenfabrik, meinte Panossian und bat um ein Handtuch gegen den Schweiß auf den Tasten. Der richtige Grip war auch notwendig bei dem Tastenmagier, der manches Mal auch an Keith Emerson denken ließ. Den kenne er aber praktisch gar nicht, sagte Panossian in der Pause.

Während Bassist Maxim Delporte durch sein solides Spiel überzeugte und nur ganz selten solierte, machte Drummer Frédéric Petitprez das beste aus jener Kunstform namens Schlagzeugsolo: Er konzentrierte sich dabei auf die Klänge seines Instruments, die oft in der zweiten Reihe stehen, auf Glocken und Kantenschläge. Dazu klopfte er sich auf die Schenkel oder ließ Klangschalen ertönen. Das war erfrischend anders. Panossian selbst hatte auch lange Solopassagen. Nach einer solchen, mit einer komplizierten Figur wie aus der Minimal Music in der linken Hand, gab es spontanen Jubel.

Wie konnten zwei solche Abende noch getoppt werden? Vielleicht, indem man mit Gizz-Li eine siebenköpfige Brass-Band auf die Bühne stellt, die allein vom Instrumentarium her noch eine Schippe drauflegen kann. Auch wenn der Jazz von der französischen Formation nur am Rande gestreift wurde, spielte sie einen würdigen Festival-Abschluss. Der Blues, Rock und Soul der „Blaskapelle“ mit Susaphon als Bassinstrument rissen das Publikum schnell von den Stühlen. Es wurde ausgiebig getanzt und mitgeklatscht. Bandchef, Gitarrist und Sänger Jorge de Moura beeindruckte mit seiner wilden Ausstrahlung. Vor allem war aber die Spielfreude des Septetts in jeder Sekunde spürbar. „Da war der Bär los“, meinte ein hochzufriedener Klaus Kühn nach dem Konzert.

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