Juden hatten zum Mitfeiern eingeladen Großer Andrang beim Chanukka-Fest in Saarbrücken

Saarbrücken · In der Synagoge spielte das Jiddisch Swing Orchestra

Die Schlange vor der Synagoge reichte bis auf den Parkplatz: Mit einem solchen Andrang hatte die Synagogengemeinde nicht gerechnet. Drinnen mussten Zusatzstühle aufgestellt werden, und die Empore drohte sich schier zu biegen. Halb Saarbrücken schien sich am Sonntagnachmittag aufgemacht zu haben, der Einladung zum Lichterfest Chanukka mit begleitendem Klezmer-Konzert zu folgen – ein starkes Bekenntnis gegen antisemitische Umtriebe.

Chanukka ist ein acht Tage dauerndes, jährlich gefeiertes jüdisches Fest in Erinnerung an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor der christlichen Zeitrechnung, nach dem erfolgreichen Makkabäeraufstand der Juden Judäas gegen makedonische Syrer. Die Makkabäer beendeten die Herrschaft des Seleukidenreiches über Judäa, beseitigten den im jüdischen Tempel von Griechen errichteten Zeus-Altar und führten den jüdischen Tempeldienst wieder ein.

An jedem Abend wird nach Einbruch der Dunkelheit am achtarmigen Chanukkaleuchter eine Kerze mehr entzündet, bis am achten Abend alle acht Kerzen brennen. Das Chanukka-Fest begann in diesem Jahr am Abend des 22. Dezember, und wie vielerorts auf der ganzen Welt wird nun auch in Saarbrücken jeden Abend ein Chanukka-Leuchter sichtbar für die Öffentlichkeit auf dem Dach der Synagoge angezündet. Bevor sich jedoch für den Gottesdienst die Gemeinde nach Geschlechtern trennte (die Männer blieben unten, die Frauen begaben sich auf die Empore), schlug das Berliner Jiddisch Swing Orchestra eine musikalische Brücke zwischen Historie und Moderne: Beim beseelten und temperamentvollem Klezmer des Quintetts fiel das Stillsitzen schwer; die Zuschauer schienen regelrecht erleichtert, als sie bei einigen Titeln ausdrücklich mitklatschen und mitsingen durften. Es gab tosenden Applaus und Bravorufe für die fünf Musiker aus der so genannten Ginzburg-Dynastie, einer Klezmer-Band in der sechsten Generation: Seit Jahrhunderten wird die Kunst jeweils von den Vätern auf die Söhne weitergegeben. Nach 150 Jahren musikalischer Weltreise durch vier Kontinente sind die Ginzburgs, übrigens Europas einzige Klezmer-Dynastie, nun zurück in ihrer alten Heimat, um außer Klezmer auch Jiddisch-Cabaret, Oriental-Pop und Jazz zu spielen. Am Sonntag musste sich das Quintett freilich ungewohnt kurz fassen – die Zugabe gab's nach dem Gottesdienst draußen, als auf dem Vorplatz der Synagoge die erste Chanukka-Kerze angezündet wurde und alle mit Musik, Glühwein und den traditionellen „Sufganiot-Berlinern“ weiterfeierten.

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