In diesem Saarbrücker Stadtteil sind die Ideen der Bürger gefragt und willkommen Sehnsucht nach der Dorfgemeinschaft
Herrensohr · Bürgerforum in Herrensohr: Dort reifen sehr unterschiedliche Ideen heran für einen liebenswerten Stadtteil.
Gelöste Stimmung in der Kreuzkirche: Wie ein gut aufgelegter Dompteur umgarnt Klaus Kuntz die Bürger, die sich interessiert an den Stellwänden aufstellen – nach seiner Aufforderung.
Damit lockert der freiberufliche Moderator das Bürgerforum in Herrensohr merklich auf und bringt die rund 50 Anwesenden dazu, in einen ungezwungenen Dialog zu treten, statt im Sitzen den Ausführungen der Akteure zu lauschen. Ein erster Schritt auf dem Weg zu dem, was sich so viele „auf dem Land“ erhoffen: Dorfgemeinschaft wiederherstellen.
Das ist einer der großen Wünsche, wie Christian Schreiner sagt: „Es ist ganz oft das Gemeinschaftsgefühl, das wieder aufgebaut werden muss.“ Der stellvertretende Leiter des Fachdienstes Regionalentwicklung und Planung beim Regionalverband Saarbrücken betreut mit Romina Di Marco eben dort das Projekt „Servicestelle Dorf“.
Dadurch bietet der Regionalverband Orten mit weniger als 3000 Einwohnern Hilfe zur Selbsthilfe an. Etwa mit Themenabenden für Politiker – was immer gern genommen werde – oder zur Hygiene auf Dorffesten. Ein weiterer wichtiger Baustein sind Bürgerforen wie in Herrensohr am Donnerstagabend. Schreiner hebt ausdrücklich den Ortsinteressenverein (OIV) hervor, der so viele Bürger mobilisieren konnte.
„Wir lenken das ja nur“, sagt die OIV-Vorsitzende Karin Lackas bescheiden. Doch die Arbeit im Vorfeld machte sich bezahlt. Viele der Besucher sind bei diesem zweiten Bürgerforum „Lust auf Kaltnaggisch“ zum ersten Mal dabei. Sie loben die Aushänge in den örtlichen Geschäften durch den OIV, die sie überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht haben. Nun sollen also Nägel mit Köpfen gemacht werden. Oder wie es Karin Lackas formuliert: „Wir hoffen, dass jeder in einer imaginären Schaffbux rausgeht.“
Bei der ersten Veranstaltung im Juni vergangenen Jahres ging es noch darum, Ideen zu sammeln, erklärt OIV-Beisitzer Markus Ehses. Er hat das Projekt von Anfang an maßgeblich mit angestoßen und begleitet. Im Frühjahr notierten Bürger kleine und große Wünsche auf Karteikärtchen. Darauf steht beispielsweise die Anregung, einen zwanglosen Treff in der Ortsmitte zu initiieren. Das Miteinander der Kulturen solle gefördert werden. Straßenfeste sollen organisiert, ein Ansprechpartner wie ein Ortsvorsteher installiert oder ein Aufenthaltsort für Jugendliche geschaffen werden. Ein Punkt, der auch Ehses am Herzen liegt. So stellt er die Idee heraus, an der Bushaltestelle „Markt“ einen Wlan-Hotspot einzurichten.
Mit diesen Ideen im Gepäck setzen sich die Bürger voller Tatendrang in kleinen Gruppen zusammen, diskutieren und wägen ab. Am Ende des Abends kristallisieren sich drei Projekte heraus, die als Erstes angegangen werden sollen. Der „Atzeplatz“ unweit des Schützenhauses soll „brauchbar hergestellt“ werden, wie es Karin Lackas ausdrückt. Vorstellbar sei etwa die Nutzung als „grünes Klassenzimmer“ oder als Grillplatz. Eine alteingesessene Kaltnaggischerin schwärmt davon, wie sie als Kind einst dort Cowboy und Indianer spielte – sie war die Squaw.
Eine Umsetzung wünscht man sich auch in Sachen Strom- beziehungsweise Internet-Verteilerkästen. Diese könnte man künstlerisch gestalten lassen, wie bereits in Malstatt geschehen. Das lasse sich in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Künstlerin und Kita-Kindern machen. Drittens ist die Gründung eines Reparaturzirkels angedacht, eventuell im Awo-Haus.
Perspektivisch sind auch die eigenverantwortliche Bepflanzung von Grünflächen oder die zukünftige Nutzung des Feuerwehr-Gerätehauses als Dorfgemeinschaftshaus denkbar. „Wir sind guter Dinge“, sagt die Vorsitzende, „müssen uns aber auch in Zurückhaltung üben.“ So viel Tatendrang beeindruckt offensichtlich den Regionalverbandsdirektor. Peter Gillo hatte eigentlich nur einen kurzen Aufenthalt eingeplant – blieb dann aber doch knapp drei Stunden.