Verwirrung um Rehlinger-Foto Ein Bild, das viele Fragen aufwirft

Saarbrücken · Ein Biergarten-Foto von Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger sorgt für Verwirrung um die Auslegung der saarländischen Corona-Verordnung.

 Hält sich Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) auf diesem Foto an die Corona-Regeln? Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Hält sich Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) auf diesem Foto an die Corona-Regeln? Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Foto: Oliver Dietze

Kennt Anke Rehlinger (SPD) etwa die Regeln nicht, die sie selbst mit auf den Weg gebracht hat? Ein Foto, das die saarländische Wirtschaftsministerin beim Besuch eines Biergartens zeigt, hat diese Woche Verwirrung gestiftet. Und zugleich die Frage aufgeworfen, ob sich die saarländische Rechtsverordnung vom 15. Mai zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht selbst auf die Füße tritt. Bei ihrer Auslegung gehen die Meinungen auseinander. Dass die Verordnung in ihrer derzeitigen Form Spielraum für Interpretationen bietet, ist selbst der Landesregierung nicht verborgen geblieben, wie hinter vorgehaltener Hand zu erfahren war.

Besagtes Foto zeigt Rehlinger und fünf weitere Personen – alle aus verschiedenen Haushalten – in geselliger Runde zusammen am Gartentisch eines Saarbrücker Gasthauses. Fünf Haushalte? Gilt nicht die Regel: Nur zwei Haushalte? Kaum hatte die Ministerin das Bild auf ihrer Facebook-Seite geteilt, wurden kritische Stimmen laut. Ist das eigentlich erlaubt, was die Ministerin da macht? Einige User fragten: Welche Regel gilt hier eigentlich? Andere unkten, es seien „Gesetze von Politikern für das Volk, die für sie selbst nicht gelten“. Und manche verstanden „nur Bahnhof“. Innerhalb weniger Stunden reihte sich ein Kommentar an den nächsten.

Rehlingers Social-Media-Team reagierte prompt und postete unter dem Bild, „dass die Regeln auf dem Foto eingehalten werden, denn zwischen je zwei Personen, die sich gegenüber sitzen, wird ein Abstand von 1,5 Metern eingehalten zur nächsten Zweier-Gruppe“. Deshalb sei es auch kein Problem, dass alle Personen aus unterschiedlichen Haushalten stammen. Mehr noch: „Wären es nur zwei Haushalte, dürften auch alle direkt beieinander sitzen“, schrieb das Rehlinger-Team. Rehlingers Sprecherin Jennifer Collet ergänzte auf SZ-Nachfrage: „Wir hätten alle auch an drei Tische verteilen können“. „Aber der Abstand war jederzeit gewahrt.“

Wer dagegen die Corona-Hotline des Gesundheitsministeriums anruft, bekommt eine andere Auskunft. Personen aus maximal zwei Haushalten dürften sich demnach treffen – wie etwa in Rehlingers Fall zu einem Restaurantbesuch, erklärt eine Mitarbeiterin. Und die Personen des zweiten Haushalts müssten dann – anders als Rehlingers Team erklärte – mindestens 1,5 Meter weit voneinander entfernt sitzen. Hintergrund ist dabei Paragraf 1 der saarländischen Corona-Verordnung, der den Grundsatz der Kontaktbeschränkung regelt. Demnach ist – wo immer möglich – zu Menschen, die nicht dem eigenen Haushalt angehören oder enge Verwandte sind ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Es sei auch, so das Info-Telefon des Sozialministeriums, nicht gestattet, sich mit Menschen aus mehreren Haushalten gleichzeitig zu verabreden. Und zwar ausdrücklich auch dann, wenn der Abstand eingehalten werde. Allerdings könne man nur schwer kontrollieren, ob sich Personen nicht vielleicht „zufällig treffen“, betont die Hotline-Mitarbeiterin. Unter dieser Prämisse hat auch die Polizei an Christi Himmelfahrt kontrolliert. So waren etwa am Bostalsee große Bollerwagen-Touren mit mehr als zwei Vätern nicht gestattet.

Was ist nun mit der Aussage des Rehlinger-Teams, bei nur zwei Haushalten am Tisch hätte man auch ohne Abstand sitzen können? Tatsächlich ist da noch Paragraf 3 der Verordnung. Er gilt für den „öffentlichen Raum“ und kommt deutlich großzügiger daher als die generelle Kontaktregel. Er schreibt vor, dass sich Angehörige des eigenen Haushalts (und nahe Verwandte) mit Angehörigen „eines weiteren Haushalts“ treffen dürfen. „Zu anderen Personen ist wo immer möglich ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten.“ Also kein Abstand zum zweiten Haushalt? Rechtsanwältin Nicole Wartenphul von der Kanzlei „Abel und Kollegen“ sagt auf Nachfrage der SZ: Eine Gruppe aus einem Haushalt, engen Verwandten und Angehörigen eines weiteren Haushalts dürfe sich tatsächlich „ohne Abstandregeln“ verabreden.

Zwei Ehepaare können sich nach dieser Lesart also in der Öffentlichkeit treffen, ohne Abstand zu halten. Das Treffen von Rehlinger und ihren Begleitern fand allerdings in einem Gasthaus statt. An den Tischen gelten laut der Hygieneverordnung für die saarländische Gastronomie in der Corona-Krise interessanterweise die Regeln des privaten Bereichs. Darauf verweist auch die Ministeriums-Sprecherin. Rehlingers Tischgesellschaft, sagt sie, war eine „Zusammenkunft im privaten Bereich“. Nur: Gerade im privaten Bereich gelten besonders strenge Regeln. Hier, so die Juristin Wartenphul, dürfen sich (abgesehen von den Verwandten) ausdrücklich nur zwei Haushalte treffen – und die müssen voneinander Abstand halten.

Im Restaurant dürfte man dann nur mit einer Tischlänge Abstand zu einem Bekannten aus genau einem anderen Haushalt sitzen. Gilt das so? In der Landesregierung gibt es einiges zu klären.

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