Verteidiger spricht von „Bauernopfer“ Pferde gequält und getötet: Saar-Gericht verurteilt frühere Tierarzthelferin

Saarbrücken · Wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz wurde eine frühere Tierarzthelferin am Dienstag vom Amtsgericht Saarbrücken zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

 Die Angeklagte beim Prozessauftakt am 2. Dezember mit ihrem Verteidiger Fred Valentin.

Die Angeklagte beim Prozessauftakt am 2. Dezember mit ihrem Verteidiger Fred Valentin.

Foto: Katja Sponholz

Warum misshandeln Menschen überhaupt Tiere? Und was kann eine 31-Jährige dazu veranlasst haben, Pferde zu quälen und zu töten? Ein Allmachtsgefühl? Das Bedürfnis, selbst als Helferin dazustehen und soziale Anerkennung zu erhalten? Diese Fragen blieben vor dem Amtsgericht Saarbrücken bis zum Schluss unbeantwortet. „Doch die Aufklärung des Motivs in letzter Konsequenz ist auch nicht erforderlich“, meinte Richter Thomas Haug am Dienstag in seiner eineinhalbstündigen Urteilsbegründung. „Weil die Schuld zweifelsfrei feststeht.“

Deshalb verurteilte er die frühere Tierarzthelferin Alexandra T. wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zusätzlich muss die Frau 1800 Euro an den Tierschutzbund zahlen. Anhaltspunkte für eine psychologische Störung hatte eine Gutachterin bei ihr nicht gefunden.

Das Gericht folgte mit seiner Freiheitsstrafe dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt. Die Angeklagte hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und in ihrem Schlusswort betont, sie habe «definitiv nichts damit zu tun».

Für den Richter gab es jedoch «keinen Zweifel an der Täterschaft» der 31-Jährigen. Die frühere Mitarbeiterin einer Pferdeklinik in Überherrn soll ohne tiermedizinische Berechtigung und Indikation Pferden in der Klinik und in einem Stall in Dudweiler Narkosemittel injiziert haben. Zwei Tiere starben an dem Wirkstoff, zwei weitere mussten wegen der Folgen eingeschläfert werden. Drei Pferden wurden zudem länger anhaltende, erhebliche Schmerzen zugefügt.

Und das Gericht hatte sich mit dem Fall intensiv beschäftigt: An den fünf Verhandlungstagen wurden mehr als 20 Zeugen gehört. Und es seien „in einer Art und Weise, Ausführlichkeit und Menge“ Beweise erhoben worden, so Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann, wie es sonst nur bei Schwurgerichtsverfahren bei zu Tode gekommenen Menschen üblich sei.  

Sowohl er als auch der Richter zeigten sich davon überzeugt, dass die Angeklagte noch für weitere als die sieben angeklagten Fälle verantwortlich sei. Dass diese nicht angeklagt wurden, sei nur darauf zurückzuführen, dass von jenen Pferden keine Blutproben vorgelegen hätten.

Bianca Schwarz, die damalige Leiterin der Klinik, hatte insgesamt 15 Fälle gesammelt, die ihrer Ansicht nach auf dieselben -  zunächst unerklärlichen - Ursachen zurückgingen.

Gegen Alexandra T. war im Sommer 2017 ermittelt worden, nachdem sich die Zahl der ungeklärten Krankheitsbilder und Todesfälle in der Klinik gehäuft hatten und schließlich auch das bis dato gesunde Pferd der Klinikchefin zu den Opfern zählte. Obwohl es zunächst nur unter Nasenausfluss gelitten hatte, musste es schließlich nach akutem Herz-Kreislaufversagen eingeschläfert werden.

«Ab da hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl», hatte die Tierärztin zum Prozessauftakt im Dezember gesagt. Die Europäische Spezialistin für Innere Medizin des Pferdes hatte umfangreiche Recherchen angestellt, um die Ursachen für den Tod der Tiere zu finden. Hinweise auf Verunreinigungen im Heu oder Viren-Erkrankungen hatten sich nicht gefunden, stattdessen entdeckte sie bei eigenen Recherchen eine andere Korrelation: Bei allen Fällen sei die Angeklagte in direktem Umfeld der Pferde gewesen und habe die Patienten und ihre Besitzer persönlich gekannt - entweder aus der Klinik oder aus dem Stall in Dudweiler. Als von dort zwei weitere Pferde mit denselben Symptomen in die Klinik eingeliefert wurden - davon eines offenbar unter Medikamenteneinfluss - und entsprechende Mittel im Auto der Angeklagten gefunden wurden, schaltete sie die Polizei ein. «Das war zuviel des Zufalls für mich», so Schwarz.

«Es kann nur die Angeklagte gewesen sein, und sonst niemand», bilanzierte Oberstaatsanwalt Christoph Rebmann am Dienstag. Strafverschärfend müsse man berücksichtigen, welches «emotionale Band» die Besitzer zu den betroffenen Pferden gehabt hätten. Das bestätigte auch Richter Thomas Haug: «Nicht nur den Tieren ist großes Leid zugefügt worden, sondern auch den Haltern.»

Verteidiger Fred Valentin hingegen hatte von einem «Bauernopfer» gesprochen. Seine Mandantin «soll herhalten für Dinge, mit denen sie nichts zu tun hat». Zwar wolle er niemanden in die Verantwortung ziehen, doch habe die Klinik schließlich «hohes Interesse daran, Pferde festzuhalten und therapieren zu können». So sei es möglich, dass man den Tieren bewusst die Beruhigungsmittel indiziert habe. Auch den Pferdebesitzern, die parallel Zivilklagen gegen die Angeklagte führen, unterstellte er finanzielle Interessen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Noch im Gerichtssaal legte Valentin Berufung ein.

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