Vabanque-Spiel mit dem Nahverkehr Beschluss mit Risiko für Saarbahn und Busse

Riegelsberg/Saarbrücken · Die Saarbahn GmbH bereitet sich nicht darauf vor, mögliche private Konkurrenten um den Nahverkehrsauftrag notfalls kaltzustellen.

 Egal ob Senior oder Schüler – die Menschen in Saarbrücken und Umgebung brauchen ihre Bahnen und Busse. 

Egal ob Senior oder Schüler – die Menschen in Saarbrücken und Umgebung brauchen ihre Bahnen und Busse. 

Foto: BeckerBredel

Riskantes Machtwort bei der Saarbahn GmbH: Im Kampf um den Auftrag für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Saarbrücken und Umgebung wird sich das Unternehmen nicht darauf vorbereiten, dass ein privater Konkurrent auftaucht. Dazu müsste die Saarbahn ein „eigenwirtschaftliches Angebot“, genannt „Plan B“, vorbereiten – und das lehnte der Aufsichtsrat am 24. April einstimmig ab. Das Gremium besteht überwiegend aus Stadträten unter dem Vorsitz von Oberbürgermeisterin Charlotte Britz.

Wenn die Saarbahn einen „Plan B“ in der Hinterhand hätte, dann wäre ein privater Konkurrent automatisch chancenlos. Denn sobald ein privates Angebot vorläge, könnte die Saarbahn ihren „Plan B“ nachreichen. Dann dürfte die Vergabestelle des Landes den Auftrag ohne weitere Erörterungen an die Saarbahn geben. Denn laut Urteil des Oberlandesgerichtes München von 2016 können Private bei solchen Aufträgen einen Wettbewerb nicht juristisch erzwingen.

Aber einen „Plan B“ darf die Geschäftsführung der Saarbahn ja nun nicht ausarbeiten – entschied der Aufsichtsrat. Er verlässt sich vielmehr darauf, dass kein Privater antritt, weil der ÖPNV in Saarbrücken und Umgebung für Private absolut unattraktiv und unrentabel ist.

Dafür soll heute, Dienstag, 8. Mai, der Stadtrat sorgen, wenn er den Nahverkehrsplan 2019 beschließt. In diesem Plan hat die Verwaltung alle Anforderungen formuliert, die ein Unternehmen erfüllen muss, wenn es den Saarbrücker ÖPNV übernimmt. Und der Plan wird die Latte sehr hoch legen.

Trotzdem sorgte das Machtwort des Aufsichtsrates bei einigen SZ-Lesern für Verblüffung. Denn auch bei einem äußerst ausgefuchsten Nahverkehrsplan lässt sich nicht mit 100-prozentiger Sicherheit ausschließen, dass doch noch ein privater Konkurrent auftaucht.

Und wenn ein Privater den Auftrag bekommt, dann ist nicht gesagt, dass er auch alle Mitarbeiter der Saarbahn übernimmt – und schon gar nicht zu denselben Bedingungen. Das hat sich beispielsweise beim Betreiberwechsel des ÖPNV in Pforzheim schmerzhaft gezeigt (die SZ berichtete).

Das Machtwort des Saarbahn-Aufsichtsrates vom 24. April ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Diskussion. Blick zurück: Im Herbst 2017 gab’s erstmals öffentlich Streit darüber, was Stadt und Saarbahn leisten müssen, damit die Saarbahn auch künftig den Saarbrücker ÖPNV sicherstellen darf.

Der alte Vertrag stammt von 2009 und endet am 31. August 2019. Und die Stadt darf diesen Vertrag heute nicht mehr einfach verlängern, wie sie das früher getan hätte. Das liegt am deutschen Personenbeförderungsgesetz (PFG) aus dem Herbst 2012. Beschlossen von der CDU-FDP-Mehrheit im Bundestag (Oktober) und Bundesrat (November). Dieses Gesetz schreibt genau vor, wie die Stadt vorgehen muss, wenn sie die Saarbahn weiter im Geschäft halten will.

Spätestens 15 Monate bevor der alte Vertrag ausläuft, also spätestens am Donnerstag, 31. Mai 2018, muss die Stadt im Amtsblatt der Europäischen Union (EU) ankündigen, dass sie den Auftrag wieder an die Saarbahn vergeben will – und für wie lange. Dann beginnt eine dreimonatige Zitterpartie.

Denn während dieser drei Monate können sich private Konkurrenten melden und der Saarbahn den Auftrag abjagen. Und das geht so: Der Konkurrent reicht ein Angebot ein, mit dem er beweist, dass er den ÖPNV ohne Zuschuss aus öffentlichen Kassen sicherstellen kann – und zwar genau so, wie die Stadt das in ihrem Nahverkehrsplan beschrieben hat. Das nennt sich „eigenwirtschaftliches Angebot“.

Wenn ein solcher Konkurrent auftritt, dann ist die Saarbahn – gemäß Gesetz von 2012 – den Auftrag los. Es sei denn, die Saarbahn legt dann ebenfalls ein „eigenwirtschaftliches Angebot“ vor – also ein Angebot, bei dem sie beweist, dass sie den ÖPNV auch ohne die bisher üblichen Finanzspritzen von den Stadtwerken organisieren kann.

Für Stadt und Saarbahn gibt es also zwei Szenarien, bei denen sie den ÖPNV in öffentlicher Hand behalten können. Erstes Szenario: Falls sich kein privater Konkurrent meldet, ist die Kuh vom Eis. Dann darf die Stadt den Auftrag an die Saarbahn geben. Vertragspartner bleiben dann die Stadt und die Saarbahn. Das nennt sich „Direktvergabe“.

Zweites Szenario: Die Stadt kündigt im EU-Amtsblatt an, dass sie erneut die Saarbahn GmbH beauftragen will. Aber während der Dreimonatsfrist tritt ein privater Konkurrent auf den Plan. Dann muss der Auftrag laut Gesetz an den Privaten gehen. Vertragspartner wären dann der Private und die Vergabebehörde beim Land.

In diesem Fall bleibt der Saarbahn nur noch eine Chance: Sie muss ebenfalls ein „eigenwirtschaftliches Angebot“ vorlegen. Wenn ihr das gelingt, dann ist der Private aus dem Rennen – dafür sorgt das oben genannte Urteil des Oberlandesgerichtes München von 2016.

Aber nach dem Machtwort des Aufsichtsrates vom 24. April ist die Lage nun so: Wenn ein privater Konkurrent auftritt und glaubhaft macht, dass er den Anforderungen des Nahverkehrsplans gerecht werden kann, dann ist die Saarbahn weg vom Fenster, weil sie ja keinen „Plan B“ macht.

Die SZ fragte die Aufsichtsratsvorsitzende, Oberbürgermeisterin Charlotte Britz, nach den Gründen für den Aufsichtsratsbeschluss.

Darauf erklärte Britz: „Die Geschäftsführung hatte vom Aufsichtsrat den Auftrag, eine Strategie zu erarbeiten, um die Direktvergabe an die Saarbahn zu erreichen. Daneben sollte sie auch als ,Plan B’ prüfen, ob ein eigener ,eigenwirtschaftlicher Antrag’ eingereicht werden soll. Die Geschäftsführung hatte ihre Risikobewertung ausführlich im letzten Aufsichtsrat dargelegt. Die Risikoeinschätzung führte zu dem einstimmigen Beschluss im Aufsichtsrat, einen eigenen ,eigenwirtschaftlichen Antrag’ nicht weiterzuverfolgen.“

Heute, Dienstag, 8. Mai, soll der Stadtrat ebenfalls beschließen, dass die Stadt nun ihre Pläne für den ÖPNV – termingerecht – im Europäischen Amtsblatt bekannt gibt. Dann ist das Rennen eröffnet.

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