Museums-Serie: Erlebnisbergwerk Velsen Bergbau ganz nah und quicklebendig

Saarbrücken-Klarenthal · Das Erlebnisbergwerk Velsen hält die Erinnerung an den Steinkohle-Abbau wach. Ein Verein betreut Besucher und Anlagen.

 Eng aneinander gedrängt wie früher die Bergleute sitzt eine KIndergeburtstags-Gesellschaft auf der Grubenbahn, dem so genannten Kuli. Ein Signal, und das Ding ruckelt los –  Neo, Geburtstagskind Max (10), Reto (vorn, von rechts) und ihre Mitfahrer haben Spaß.

Eng aneinander gedrängt wie früher die Bergleute sitzt eine KIndergeburtstags-Gesellschaft auf der Grubenbahn, dem so genannten Kuli. Ein Signal, und das Ding ruckelt los –  Neo, Geburtstagskind Max (10), Reto (vorn, von rechts) und ihre Mitfahrer haben Spaß.

Foto: Iris Maria Maurer

Samstagvormittag. Wochenendruhe? Ganz und gar nicht. Kinder rennen durchs offene Außentor zum Velsener Erlebnisbergwerk, Erwachsene folgen. Im Verwaltungsbau neben dem Bergwerks-Eingang gehen behelmte Leute ein und aus. Verführerischer Duft strömt aus der Küche; Sylvie Motsch, die die Töpfe überwacht, sagt lächelnd: „Bolognese, für die Schaffer.“

Schaffer? Samstags, erklärt Volker Etgen, Vorsitzender des Vereins Erlebnisbergwerk Velsen, sei alle zwei Wochen Arbeitseinsatz. Dann finden sich die Technikspezialisten unter den rund 350 Vereinsmitgliedern ein, um die Gerätschaften im ehemaligen Velsener Lehrstollen zu warten und in Gang zu halten. „Heute ist eigentlich kein Einsatz“, fügt er hinzu, „aber irgendwer ist samstags immer da.“

Denn für die früheren Bergleute, die unter den Vereins-Aktiven die Mehrheit stellen, ist das Entscheidende an „ihrer“ Anlage, das Alleinstellungsmerkmal, das sie unbedingt erhalten wollen: Hier ist Bergbautechnik nicht bloß im gläsernen Sarg zu besichtigen, vergangen und gewesen. Sondern lebendig, in Funktion. Wie einst, als in Velsen noch junge Leute das Untertage-Werk lernten, fährt der Fahrkorb zwischen den Sohlen auf und ab. Die Grubenbahn, der „Kuli“, rollt über die Schienen, das Förderband rumpelt voran, die Signalanlage tutet. Die betagte Koepe-Fördermaschine könnte sofort  wieder Kohle aus dem Flöz schrämen. Nur noch zwei Exemplare dieses Typs gebe es bundesweit, höre ich, als wir später davorstehen. Nummer zwei stehe in München – still. Anders in Velsen: „Bei uns ist alles in Betrieb“, heißt es schlicht und stolz.

Samstags sind nicht nur die Schrauber da. Auch die Besucherbegleiter haben zu tun, je zwei pro Gruppe. 10 000 Besucher jährlich schauen sich nach Etgens Auskunft im Erlebnisbergwerk um, davon  4000 Kinder und Jugendliche. Viele Führungen also – 42 ehrenamtliche Besucherbegleiter teilen sich die Arbeit. Sechs von ihnen sind Franzosen; auch Englisch und Italienisch sind im Sprach-Angebot. Für heute reicht Deutsch: Zwei Kindergeburtstags-Gesellschaften haben sich angesagt. Später kommt noch ein Karnevalsverein aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz.

Mit erwartungsvollen Gesichtern stehen Geburtstagskind Leon (9) und seine Freunde vorm Tor. Zunächst geht’s zum Einkleiden, Helm auf, Drelljacke an – kleinste Größe, dennoch schlabbern die Ärmel bis über die Fingerspitzen, die Kinder kichern. Rein in den Stollen, die tageslichtlose Welt im Fels, von  Deckenleuchten nur mäßig erhellt. Die Kinder dürfen, nach  knappen Erklärungen zur Entstehung der Kohle, auf dem Förderband fahren. Finger weg vom Rand mit den Rollen, Hände auf die Knie: Klappt, muss man den Kindern nicht zweimal sagen. Signal. Das Band ruckelt los. Ruckelt Rest-Befangenheit weg – ausgelassen rennen die Kinder zurück zum Startpunkt: nochmal! Als nächstes folgt der Bohrhammer, einst benutzt, um Sprengladungen zu platzieren. Geburtstags-Extra für Leon: Er darf bohren. Pressluftgetöse, allgemeines „Wow!“

Kinderführungen, sagt Besucherbegleiter Carsten Grammes, der draußen auf Geburtstagskind Max (10) und dessen Gäste wartet, gestalte man anders als Führungen für Erwachsene. „Da geht es vor allem ums  Anfassen und Ausprobieren“ – Förderband, Kuli, Grubenfahrrad, das Bähnlein im Außenbereich. Erwachsene bekommen Zusammenhänge erklärt. Bergbau-Arbeitsalltag. Sicherheitstechnik, von der Methan-Messung bis zu den Wassertrogsperren oben an der Firste, die beim schlagenden Wetter Staub und Feuer bändigen – Gefahren, deren Bewältigung  die Azubis im Velsener Lehrstollen ohne Risiko üben konnten, denn aus dessen  Sandstein strömt kein Grubengas. Geschichte der Ausbau-Technik: Der größte Teil der Velsener Strecke wird von modernen  hydraulischen Stahlbögen gestützt, es gibt aber auch ein „historisches“ Stück, eng und steil, mit Stempeln aus Holz.

10 000 Besucher jährlich – das ehrenamtliche Vereins-Engagement ist eine Erfolgsgeschichte. Freilich mit ungewisser Zukunft. Der ehemalige Lehrstollen steht noch unter Bergaufsicht und ist Eigentum der RAG; von ihr hat der Verein die Anlage gemietet. Zum symbolischen Preis, doch mit voller Verantwortung  für die Sicherheit.  Und mit einem Nachteil: Auf öffentliche Förderung haben Mieter kaum Chancen. So muss der Verein Einnahmen erwirtschaften, um die Instandhaltung zu finanzieren. Die „Knubbebud“ – ein großer, in Eigenarbeit ausgebauter Raum, der für Feste vermietet wird – hilft dabei. Wichtigster Posten sind die Eintrittsgelder. Wobei es für die Jugend-Ermäßigungen einen Zuschuss gibt vom Kultusministerium.

Es funktioniert, „wir schreiben schwarze Zahlen“, sagt Etgen. Aber: „Unser Mietvertrag läuft bis Ende 2019. Was dann wird  . . .“ Er hofft, dass es bis dahin eine dauer­hafte Lösung gibt für den gesamten Bergbau-Standort Velsen, den die Landesregierung 2013 mit dem „Premium“-Siegel geadelt hat. Noch ist die Gefahr nicht gebannt,  dass die RAG den Lehrstollen eines Tages verfüllt – was 2011 schon mal drohend am Horizont stand und den Anlass zur Vereinsgründung gab. Wie lässt sich die Erhaltung sichern? Denkmalschutz könnte dazu beitragen, meint Etgen. Fürs Erlebnisbergwerk, das bislang nicht zum Velsener Denkmal-Bestand gehört, sei der Antrag gestellt. Das Verfahren laufe; er sei optimistisch.

Nebenan auf der Wiese kicken ein paar Jungs. Ein Ball kommt geflogen –„nicht in die Rosen!“, sagt Etgen, aber natürlich kullert der Ball ins Beet. Er kickt ihn zurück, die Jungs spielen weiter, so vertieft,  dass sie nicht mal aufblicken. Auf den Parkplatz rollt ein Bus, vom Eingangstor her nähert sich eine neue Gruppe. „Die Karnevalisten“, sagt Etgen, „die letzte Führung für heute.“

Dann ist Wochenendruhe.

Serie Museen im Saarland: Die Saarbrücker Zeitung stellt wöchentlich ein Museum aus der Region vor. Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldirektor Weltkulturerbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländischer Museumsverband (6. Juni), Teil 2: Saarland-Museum und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia-Münster-Haus (27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseum Köllerbach (4. Juli), Teil 6: Historisches Museum Saarbrücken (11. Juli), Teil 7: Römermuseum Schwarzenacker (18. Juli), Teil 8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschichte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmuseum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11: Die Römische Villa Borg (15. August). Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August), Teil 13: Keramikmuseum Mettlach (29. August), Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September), Teil 15: Theulegium Tholey (12. September), Teil 16: Glasmuseum Ludweiler (19. September), Teil 17: Städtisches Museum Saarlouis (26. September), Teil 18: Der Europäische Kulturpark Reinheim/Bliesbruck (2./3./4. Oktober). Teil 19: Erlebnisbergwerk Velsen (10. Oktober). Teil 20: Heimatmuseum Wadern (17. Oktober).

 Geburtstagskind Leon (9) darf zur Feier des Tages den Bohrhammer bedienen. Damit er drankommt, wird er kurzerhand hochgehoben. 

Geburtstagskind Leon (9) darf zur Feier des Tages den Bohrhammer bedienen. Damit er drankommt, wird er kurzerhand hochgehoben. 

Foto: Iris Maria Maurer
 Zu den Aktiven des Erlebnisbergwerks-Vereins gehören ehemalige Bergleute, aber auch Jugendliche. Hier zu sehen, von links: Reiner Aulenbacher, Maik Heck, Vorsitzender Volker Etgen, sein Stllvertreter Hermann Braun, Marcel Heck, Heinz Kuhn und die Technik-Verantwortlichen Klaus Follmann, Peter Schönenberger und Jörg Heckmann.

Zu den Aktiven des Erlebnisbergwerks-Vereins gehören ehemalige Bergleute, aber auch Jugendliche. Hier zu sehen, von links: Reiner Aulenbacher, Maik Heck, Vorsitzender Volker Etgen, sein Stllvertreter Hermann Braun, Marcel Heck, Heinz Kuhn und die Technik-Verantwortlichen Klaus Follmann, Peter Schönenberger und Jörg Heckmann.

Foto: Iris Maria Maurer
 Helm auf, aber Hosen runter – die Szene, die bei flüchtigem Hingucken täuschend echt wirkt, ist ein sicherer Lacher bei den Besuchern: Die Vereinsleute haben eine Bergmannspuppe aufs stille Örtchen gesetzt.

Helm auf, aber Hosen runter – die Szene, die bei flüchtigem Hingucken täuschend echt wirkt, ist ein sicherer Lacher bei den Besuchern: Die Vereinsleute haben eine Bergmannspuppe aufs stille Örtchen gesetzt.

Foto: Iris Maria Maurer
 Helm und Drelljacke sind Pflicht. Sorgsam nach Größen geordnet, wird die Sicherheitskleidung in einem Extra-Raum verwahrt.

Helm und Drelljacke sind Pflicht. Sorgsam nach Größen geordnet, wird die Sicherheitskleidung in einem Extra-Raum verwahrt.

Foto: Iris Maria Maurer
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort