Serie Historische Firmen Seibert baute nicht nur für Saarbrücken

Saarbrücken · Selbst das Empfangsgebäude des Pariser Flughafens Orly stammte einst von dem international tätigen Unternehmen.

 Die 1963 fertiggestelle und 410 Meter lange Fechinger Talbrücke ist eines der bekanntesten Bauwerke der Firma Seibert. Damals war nicht mit den Verkehrsmengen auf der Autobahn 6 zu rechnen, welche 53 Jahre später die Statik des Bauwerkes gefährden und zur Sperrung führen sollten.

Die 1963 fertiggestelle und 410 Meter lange Fechinger Talbrücke ist eines der bekanntesten Bauwerke der Firma Seibert. Damals war nicht mit den Verkehrsmengen auf der Autobahn 6 zu rechnen, welche 53 Jahre später die Statik des Bauwerkes gefährden und zur Sperrung führen sollten.

Foto: BeckerBredel/bub/fb

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen gewaltigen Aufschwung in unserer Region. Durch die Kohlevorkommen an der Saar, den Zugang zu den Eisenerzlagern in Lothringen und die Entwicklung der Eisenbahn entstanden neben der Montanindustrie Maschinenbaufabriken und Eisenkonstruktionswerkstätten, die viele Menschen in unsere Region lockten. Einer davon war Bernhard Seibert, der Ende der 1870er-Jahre aus Großumstadt in Hessen nach Saarbrücken kam.

Seine erste Stelle war bescheiden. Er war Geselle beim Saarbrücker Schmiedemeister Nagel in der Altneugasse. Dort lernte er dessen Tochter Amalie kennen, seine spätere Ehefrau. Zielstrebig muss Seibert gewesen sein. Schon 1882 machte er sich mit einer Schlosserei an der Neugeländstraße selbstständig. 1884 vergrößerte er den Betrieb bereits, hatte schon 14 Arbeiter und einen Meister.

1888 zog die Fabrik ein weiteres Mal um, diesmal zwischen Werder-, Gärtner- und Hohenzollernstraße. Dort konnte die Firma B. Seibert größere Werkstätten errichten, Konstruktionsräume und Büros erweitern. Denn Bernhard Seibert erkannte früh den Bedarf der Saarindustrie an Eisenkonstruktionen, spezialisierte sich auf den Bau von Hütten- und Grubenanlagen. Bereits sein erstes Fördergerüst war ein großer Erfolg, worauf die Saar-Bergverwaltung fast alle Aufträge für den Bau neuer Anlagen an die Firma B. Seibert vergab. Bis 1897 kamen Kohlewäschen, Sortieranlagen, Schachthallen und Maschinenhäuser hinzu.

Von den anfangs 15 Mitarbeitern stieg die Zahl bis zum Jahr 1900 auf 120. Der Platzbedarf der Firma wuchs dadurch immer weiter, und sie suchte nach einem großen Gelände mit Eisenbahnanschluss. Fündig wurde das Unternehmen im Jahr 1909 in Homburg. So wurde im Laufe der Jahre die Fabrikation ganz nach Homburg verlagert, während in Saarbrücken die Konstruktionsräume und Büros verblieben.

1909 erhielt die Firma B. Seibert einen ganz besonderen Auftrag. Sie durfte das erste Bauwerk der mittlerweile zusammengeschlossenen Großstadt Saarbrücken ausführen. Die Kaiser-Friedrich-Brücke, eine filigrane Eisenkonstruktion mit einem großen Bogen überspannt, verband St. Johann und Alt-Saarbrücken genau dort, wo sich heute die Wilhelm-Heinrich-Brücke befindet. Noch vor dem Ersten Weltkrieg fand die Fa. B. Seibert ein weiteres Geschäftsfeld, den Bau von großen Zeppelinhallen.

Die erste entstand in Straßburg, 1913 eine weitere in Leipzig, die damals größte Zeppelinhalle der Welt. Da der Betrieb während des Ersten Weltkrieges als kriegswichtig angesehen wurde, durfte er weiterarbeiten. Ab 1920 durfte er aufgrund der politischen Situation nicht mehr nach Deutschland liefern. Da hatte Bernhard Seibert die Idee, ein weiteres Werk zu gründen, diesmal in Aschaffenburg, direkt am Main.

Bernhard Seibert muss ein besonderer Unternehmer gewesen sein. Denn neben seinem wirtschaftlichen Weitblick wurde sein großes soziales Verständnis gelobt. Die Überschüsse, die die Firma erwirtschaftete, flossen in das Unternehmen zurück, das ein Familienbetrieb war. Bernhard Seibert erkrankte im Jahr 1922, starb im darauffolgenden Jahr.

Bis 1929 leitete sein Schwiegersohn das Unternehmen, nach dessen frühen Tod übernahm Sohn Bernhard jun. die Leitung. Der ließ auch eine bis heute sehr auffällige, neubarocke, repräsentative, denkmalgeschützte Villa im Saarbrücker Weinbergweg erbauen mit langgezogenem rechteckigen Grundriss und markantem Dreiecksgiebel im Dach.

Wie sein Vater fand er neue Geschäftsfelder, so kam in den 1930er-Jahren der Hochofenbau hinzu. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Firma in Saarbrücken zerstört, musste danach neu aufgebaut werden. Aber auch dann gab es genug Aufträge, denn nun errichtete die Firma allein 16 Brücken über die Saar. Dazu kamen Bauwerke über die Marne, die Seine, die Dordogne, aber auch drei Moselbrücken bei Thionville und die Rheinbrücken bei Maxau und Kehl.

Zu Beginn der 1950er-Jahre exportierte man noch weiter. Denn nun lieferte Seibert auch die Rohre für Stauwerke in Marokko und Algier. Die Firma hatte mittlerweile 1400 Mitarbeiter. Der nicht unberechtigte Slogan hieß „Fa. Seibert baut für Europa“. Besonders stolz war man auch auf das Empfangsgebäude des Flughafens Paris-Orly, das von der Saarbrücker Firma errichtet wurde. In den 1960er-Jahren müssen die Geschäfte schlechter gelaufen sein.

Aber ein Bauwerk, das wohl heute markanteste und bekannteste, die Fechinger Talbrücke, wurde von der Firma B. Seibert noch errichtet. Die zehn filigranen Pfeiler der 410 Meter langen Autobahnbrücke sind berühmt, auch weil die Brücke im Jahr 2016 vorübergehend gesperrt werden musste.

 Die Kaiser-Friedrich-Brücke erinnert an die Gründungszeit der Großstadt Saarbrücken. Seibert erhielt 1909 den Bau-Auftrag.

Die Kaiser-Friedrich-Brücke erinnert an die Gründungszeit der Großstadt Saarbrücken. Seibert erhielt 1909 den Bau-Auftrag.

Foto: Stadtarchiv/Fritz Mittelstaedt

Die Geschichte einer der renommiertesten Saarbrücker Baufirmen endete am 12. Februar 1969. Da musste die Firma Konkurs beantragen – aufgrund einer Forderung von 1,3 Millionen Mark. Mithilfe der Landesregierung gelang es, dass der größte Teil der Seibert-Anlagen, Aufträge und Mitarbeiter vom Dillinger Stahlbau übernommen wurde. Dort kannte man das Unternehmen und wusste es zu schätzen. Die Firma B. Seibert hatte bereits im Jahr 1911 die Adjustagehalle und 1913 die Walzwerks- und Scherenhalle in Dillingen gebaut.

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