Mehr Bildungsgerechtigkeit Malstatt: Geplante Bildungswerkstatt abseits ausgetretener Lernpfade
Saarbrücken · Ende des Jahres beginnt der Bau der Bildungswerkstatt auf dem Kirchberg in Malstatt. Dort soll mit „Kopf, Herz und Hand“ gelernt werden. Das pädagogische Konzept dazu wurde an der HTW Saar im Studiengang Soziale Arbeit entwickelt und am Montag vorgestellt.
Die Vision eines völlig neuartigen Bildungszentrums im Herzen von Malstatt nimmt nach gut vier Jahren Vorlaufzeit nun konkrete Formen an. Im späten Herbst soll erster Spatenstich sein für die neue Bildungswerkstatt zwischen den Grundschulen Wallenbaum und Kirchberg. Sie werde „Vorbildfunktion sogar für Berlin“ haben, war sich Gastrednerin Maria do Mar Castro Varela (Alice Solomon Hochschule Berlin) sicher. Die Professorin für Soziale Arbeit war extra aus der Hauptstadt angereist, um in einem kurzweiligen, inspirierenden Vortrag zu erläutern, warum eine umfassende, empathische, ethische Bildung wie sie auf dem Kirchberg in dialogischem Prozess entstehen soll, die Demokratie schützt. „Bildungsgerechtigkeit heißt, ‚anders‘ zu denken, damit Menschen ihre ethischen Reflexe trainieren können“, sagte sie. „Das geht nicht, ohne Kämpfe zu führen. Aber Widersprüche sind bereichernd“, nahm die Professorin Bezug auf die Herausforderungen der ethnischen, kulturellen Vielfalt in Malstatt und daraus resultierender unterschiedlicher Lernkulturen.
„Anders Denken“, Kontroversen zulassen, gemeinsame Lernprozesse anstoßen – in einem so vielfältigen Stadtteil wie Malstatt soll die Bildungswerkstatt ein „innovativer, lernender Ort“ sein, der die Vielfalt der Gesellschaft abbildet, hob HTW-Professor Christian Schröder hervor, der gemeinsam mit Studierenden der Sozialen Arbeit ein innovatives pädagogisches Konzept erarbeitet hat, das sich auch in der flexiblen Raumaufteilung des Zentrums widerspiegelt.
Zwei große Seminarräume à 60 Quadratmeter und einen 90-Quadratmeter-Raum mit großer Küche soll die Bildungswerkstatt haben. Durch verschiebbare Wände sind die Räume kombinierbar, wie Projektmanagerin Lena Reichhart anhand der Pläne des Architektenbüros Kühn aus Eppelborn erläuterte. Es wird mit viel Glas gebaut – so transparent und offen wie möglich. Willkommenskultur schlägt sich hier in der Architektur nieder.
Nicht nur die Saarbrücker Bildungsdezernentin Sabine Dengel (SPD), sondern auch Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) und weitere Vertreter aus der Politik waren ins HTW-Hochhaus gekommen, um das Zentrum – noch bevor es überhaupt gebaut ist – als Leuchtturmprojekt zu würdigen. Denn die Erwartungen sind groß. Von „Bildung ohne erhobenen Zeigefinger“ sprach Conradt, der die engagierte „Ankommensarbeit“ in Malstatt mit seinen vielen Initiativen lobte und den Stadtteil nicht auf seine Probleme reduziert sehen will.
Dass die „Bildungsbenachteiligung“ dort de facto aber größer ist als anderswo in der Stadt, das wiederum stellte die Bildungsdezernentin heraus. „Mit diesem Zentrum wirken wir in das benachteiligte Quartier hinein“, verspricht Dengel. Kinderarmut, fehlende Chancengleichheit, sprachliche Hürden, Ausgrenzung – all dies anzugehen erfordere ein Umdenken in der Bildungsarbeit. Demokratische Bildung könne nicht von oben herab verordnet werden. Vielmehr müsse die Wertschätzung von Demokratie sich im Austausch von Menschen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten und Biografien herausbilden, waren sich alle Rednerinnen einig. „Kontroversen sind deshalb gut!“, betonte Dengel. In der Bildungswerkstatt will man sie führen und dafür ausgetretene Pfade verlassen, um voneinander und miteinander lernen zu können. nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“.
Was bedeutet das konkret? Dass es neben „klassischen“ Angeboten wie zum Beispiel Sprachkursen und Kinderbetreuung, innovative Formate geben soll, in denen auch Generationen übergreifend gearbeitet wird. Kochen und Bewegung sind genauso wichtig in diesem Konzept wie Kulturangebote. Gelernt werden soll mit „Kopf, Herz und Hand“, betonte Pädagogik-Professorin Charis Förster in ihrer Begrüßung. Die Werkstatt soll für alle offen sein und die bestehenden Institutionen vor Ort vernetzen.
Die Kosten für die Bildungswerkstatt sind mit drei Millionen Euro veranschlagt – zum jetzigen Zeitpunkt. Stadt, Regionalverband, Land und Europäische Union beteiligen sich an der Finanzierung beziehungsweise den Betriebskosten.