Höchste Bettenauslastung in Deutschland AOK kritisiert: Viele Krankenhausaufenthalte im Saarland unnötig

Saarbrücken · Die AOK sieht Handlungsbedarf bei der stationären Versorgung im Saarland. Im Dialog mit der Politik und den Kliniken will sie die saarländische Krankenhauslandschaft neu strukturieren.

AOK prangert an: Viele Krankenhaus-Aufenthalte im Saarland unnötig
Foto: dpa/Marijan Murat

Die AOK hat das Gesundheitssystem im Saarland analysiert und sich Gedanken darüber gemacht, wie die medizinische Versorgung in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden sollte. „Gute Pflege und gute medizinische Versorgung unabhängig vom Alter, Einkommen und Gesundheitszustand der Versicherten müssen bezahlbar bleiben. Vor allem der demografische Wandel und die Digitalisierung stellen angesichts der knapper werdenden Finanzmittel eine Herausforderung dar“, sagt Dr. Martina Niemeyer, die Vorstandsvorsitzende der AOK Saarland und Rheinland-Pfalz.

Die AOK, mit rund 200 000 Versicherten die größte Krankenkasse im Saarland, will im Dialog mit der Politik bei der Krankenhausplanung die Themen Überkapazitäten, Spezialisierung, Ausbau der ambulanten Angebote und Qualitätssteigerung in den Vordergrund rücken. Dazu sagt Christiane Firk, Bevollmächtige des Vorstandes: „In den saarländischen Krankenhäusern gibt es eine hohe Dichte von Fachabteilungen, die miteinander konkurrieren. Wir meinen, dass sich einzelne Kliniken auf spezifische Angebote konzentrieren sollten. In größeren Fachabteilungen können mehr Operationen pro Jahr durchgeführt werden, was durch mehr Routine auch mehr Qualität bei Diagnose und Behandlung bedeutet.“

AOK: Krankenhäuser im Saarland sind nicht spezialisiert genug

Niemeyer ergänzt: „Wenn es tatsächlich zu Zentren mit hochspezialisierten Leistungen und entsprechenden Fallzahlen kommt, wird eine enge Zusammenarbeit der Kliniken und Krankenhausträger erforderlich sein, damit die Patientinnen und Patienten dorthin gebracht werden, wo sie am besten versorgt werden können. Wir müssen das Ganze aus Patientensicht betrachten und die Behandlungsqualität ins Zentrum rücken.“

Kleinere Krankenhäuser mit unzureichender Spezialisierung und einer geringen Anzahl an Operationen könnten in bestimmten Bereichen weder wirtschaftlich betrieben werden noch die hohen Qualitätsstandards im Sinne der Patienten erfüllen, erläutert Firk. „Überkapazitäten und Qualitätsmängel führen zu unnötigen Krankenhausaufenthalten. Im Saarland werden mehr Patientinnen und Patienten stationär eingewiesen als im Bundesdurchschnitt. Das Saarland verfügt mit Abstand über die höchste Bettenauslastung mit rund 86 Prozent im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von rund 77 Prozent. Das verschärft das ohnehin bestehende Problem des Pflegekräftemangels – eine Bündelung ist hier angezeigt. Das Pflegepersonal, das derzeit bei unnötigen Krankenhausaufenthalten gebunden ist, stünde dann in spezialisierten Häuser zur Verfügung.“

 Dr. Martina Niemeyer ist Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland.

Dr. Martina Niemeyer ist Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland.

Foto: AOK

Niemeyer erläutert, dass in der Corona-Pandemie im Saarland überwiegend die Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen die schwer an Covid-19 erkrankten Patienten intensivmedizinisch behandelt hätten. „Rund ein Viertel der Kliniken hat fast alle Corona-Patienten in kritischem Zustand versorgt.“ Auch daraus könne abgeleitet werden, dass es sinnvoll sei, zukünftig die Spezialisierung zu verstärken.

AOK: Saarländische Kliniken sollten mehr ambulante statt stationäre Operationen anbieten

Eine Chance für kleine Kliniken bestehe darin, verstärkt ambulante statt stationäre Operationen anzubieten. „Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt werden im Saarland weniger ambulante Operationen durchgeführt“, sagt Niemeyer (siehe Info-Kasten). Diese seien jedoch oft für die Patienten angenehmer, kostengünstiger und brächten gegenüber stationären Behandlungen eine deutliche Entlastung beim Personal. „Der Ausbau ambulanter Angebote ist wichtig, um zukünftig die Versorgung auf dem Land zu sichern, wenn stationäre Angebote nicht aufrecht erhalten werden können, weil die Fallzahlen zu gering sind oder es an Fachpersonal fehlt“, erläutert Neumeyer. Ambulant können zum Beispiel kleinere chirurgische Eingriffe durchgeführt werden.

Christiane Firk sagt, eine gute Alternative für ein kleineres, wenig wirtschaftliches Krankenhaus sei ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder ein Gesundheitscampus. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Arztzentrum, in dem Spezialisten verschiedener medizinischer Fachrichtungen angesiedelt sind. „Diese Ärztinnen und Ärzte bieten eine Grundversorgung, und nur bei Bedarf werden Patientinnen und Patienten in eine passende Klinik eingewiesen. Dieses gute Konzept zur sinnvollen Kooperation dämpft zugleich den Fachkräftemangel.“ MVZs seien im Saarland eher wenig vertreten; am fünftwenigsten im Bundesvergleich. Die ambulanten und stationären Angebote sollten eng miteinander verzahnt werden. Hierbei ermöglichten neue digitale Technologien einen schnellen und sicheren Datenaustausch, sagt Firk.

 Christiane Firk ist Bevollmächtige des AOK-Vorstandes für Rheinland-Pfalz/Saarland.

Christiane Firk ist Bevollmächtige des AOK-Vorstandes für Rheinland-Pfalz/Saarland.

Foto: AOK

„Durch die zunehmende Digitalisierung wird auch eine effektive Kooperation mit anderen Kliniken, niedergelassener Ärzteschaft, ambulanten Pflegekräften und Therapeuten möglich“, erklärt Martina Niemeyer. „Die digitalen Neuerungen und der technologische Fortschritt in der Medizin, wozu beispielsweise auch Robotik im OP gehört, erfordern in den Krankenhäusern jedoch Investitionen.“ Die Digitalisierung werde auch die Telemedizin voranbringen. Ärzte könnten ihre Patienten ergänzend in Videosprechstunden oder per Smartphone-App aus der Ferne beraten oder Aufgaben an Versorgungsassistenten vor Ort delegieren. „Damit die Krankenhausinfrastruktur zukunftsfähig bleibt, müssen sich Land und Bund jedoch angemessen an den Investitionskosten beteiligen“, fordert Niemeyer.

Christiane Firk sagt, um den Strukturwandel im Krankenhauswesen zu fördern, müssten sich die Versicherten zuverlässig darüber informieren können, wo und von wem sie sich behandeln lassen wollten. „Die Krankenkassen müssen über die Leistungen der ambulanten und stationären Einrichtungen sowie die langfristige Behandlungsergebnisse, wie beispielsweise bei den Qualitätsmindestmengen für Operationen, informieren dürfen. Dafür müssen die Erbringer der Leistungen verpflichtet werden, die erforderlichen Daten allgemein verständlich über schnelle digitale Plattformen bereitzustellen. Wir bieten bereits jetzt Interessierten den AOK-Gesundheitsnavigator an. Er enthält Informationen zur Qualität und Werte zur Patientenzufriedenheit, was die Orientierung bei der Arzt- und Krankenhaussuche erleichtert.“

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