Atelierbesuch bei Anette Orlinski In ihrem Kokon denkt sie viel an andere

Saarbrücken · Annette Orlinski arbeitet auf der Schnittstelle zwischen Kultur und Soziokultur. Viele Projekte mit vielen Menschen hat sie schon gemacht in Saarbrücken. Und während Corona sorgt sie sich zum Beispiel um „ihre“ Jugendlichen.

Annette Orlinski in ihrem Kokon. In ihrer Werkstatt in Alt-Saarbrücken hat sie während Corona auch ihren grünen Daumen entdeckt und im Atelier sowie im Schaufen­ster des ehemaligen Ladenlokals Pflanzen gedeihen lassen.

Foto: Iris Maria Maurer

Annette Orlinski hat ihr Atelier in der Alt-Saarbrücker Gersweilerstraße. Neuerdings gleicht es von außen einem Blumengeschäft. Denn ihr „Kokon – ein kleiner Freiraum“ ist ein ehemaliges Ladenlokal mit großen Schaufenstern, in denen recht große und sattgrüne Pflanzen gedeihen.

„Ich habe während Corona meinen grünen Daumen entdeckt“, sagt sie zur Begrüßung lachend. Eigentlich ist dieser Raum für Annette Orlinski auch viel mehr als nur ihr Atelier. Denn ihr „Kokon“ ist Kunstwerkstatt, Ausstellungsraum, aber auch Treffpunkt für Workshops und Malkurse, eine Trauerwerkstatt und Gesprächsraum, ebenso ihre Insel, ihr Schutzraum.

Denn Annette Orlinski ist Künstlerin und Designerin, Grafikerin und mittlerweile auch Sozialarbeiterin – wenn auch ohne Ausbildung. Sie ist voller Ideen und Tatendrang und hat dazu eine stark ausgeprägte soziale Seite. „Ich habe so viel gemacht. Ich finde mich in meiner Biographie schon selbst nicht mehr zurecht“, sagt sie dann auch und lacht.

Die gebürtige Oberschlesierin, die seit 1989 im Saarland lebt, arbeitet freiberuflich und vorwiegend in sozio-kulturellen Projekten. Bis dahin war es ein langer Weg. Denn nach ihrer Schulzeit erlernte sie zuerst den Beruf der Bauzeichnerin, begann im Jahr 1998 ihr Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.

Ihre Diplomarbeit im Jahr 2004 war dann auch schon das erste Projekt, bei dem sie als Designerin, Organisatorin und Galeristin arbeitete. Denn in ihrer Diplomarbeit erstellte sie virtuell ein polnisches Kulturinstitut „Polska Kultura“. „Dadurch wurde ich so etwas wie die Frau für polnische Fragen“, fährt sie fort.

Seither verbindet Annette Orlinski ihre Kunst mit ihrer Arbeit, entwirft und gestaltet Objekte, deren Einzelteile häufig in Kursen hergestellt werden. Denn Annette Orlinski arbeitete in integrativen Jugendprojekten, gab Motivations- und Teambildungskurse in Unternehmen und erteilte nebenbei Lebensberatung.

„Da waren Menschen in allen Lebenslagen dabei, von der Kita bis zum Hospiz sage ich immer.“ So verschönerte sie zum Beispiel mit den Gästen die Wände der Wärmestube, übte durch Häkeln und Basteln die Feinmotorik von Schwerstbehinderten, gestaltete mit Teilnehmern von Integrationskursen Teppiche.

Über 15 Jahre arbeitete Annette Orlinski in diesen Projekten, hatte rund 2000 Teilnehmer pro Jahr. Und Annette Orlinski war immer mit ganzem Herzen bei der Sache, arbeitete in den vielen Projekten oft bis zur Erschöpfung. „Als im März letzten Jahres dann der Lockdown kam, habe ich erst gemerkt, wie ausgepowert ich war“, erzählt sie.

Wochenlang habe sie daher nur an sich und ihrem Körper gearbeitet, ist viel spazieren gegangen. Sie habe die Krise schnell als Chance begriffen, kam auch mit weniger Geld aus. Und dank der Förderung des Ministeriums für Bildung und Kultur kam sie einigermaßen über die Runden.

„Aber ich habe mir Sorgen um meine Kursteilnehmer gemacht. Was das für Jugendliche bedeutet, nicht mehr in ihr Juz gehen zu können. Oder für die Feinmotorik von Schwerstbehinderten, wenn keine Kurse mehr stattfinden“, gibt sie zu bedenken.

Außerdem hat Annette Orlinski sich in der Krise die Zeit genommen, auch über ihre eigene berufliche Ausrichtung nachzudenken. „Ich möchte in Zukunft als Künstlerin die Menschen dazu animieren, mehr über die Umwelt nachzudenken, sich als Teil eines Ganzen zu begreifen und den Blick dafür zu schärfen“, erklärt sie.

Die ersten Projekte mit diesem Thema finden sogar schon statt. „Ich arbeite in einem Projekt mit dem Tagesförderzentrum für psychisch Erkrankte, TaZe, in Malstatt. Dort erstellen wir Upcycling-Objekte, also neue Dinge, die aus alten Materialien hergestellt werden und verkaufen sie im Up-Store in der Mainzer Straße.“

Außerdem sammelt sie gerade im Rahmen des „Bürger*innen_Denk_Mals“ des Stadtteilvereins Malstatt – gemeinsam stark e.V. Drehverschlüsse von Plastikflaschen ein, um daraus Sitzflächen für Hocker zu schmelzen, die in Malstatt aufgestellt werden sollen.

Und schließlich hat sie in der Krise ja auch ihren grünen Daumen entdeckt, begrünte zuerst den Hof hinter ihrem Atelier, mittlerweile auch den „Kokon“ selbst. „Ich habe sehr viele Pflanzen geschenkt bekommen, die anderswo zu groß wurden oder denen es nicht gut ging“, erklärt sie. Diese Pflanzen blühen bei ihr nun wieder auf. Und am liebsten würde sie das mit der Umwelt auch erreichen.
https://www.kokon-werkstatt.de/
https://www.annette-orlinski-art.de/