Bürgermeister-Direktwahl, ja oder nein? „Streit ist demokratisch notwendig“

Regionalverband · Zehn Jahre Amtszeit sind zu lang, meint Hajo Hoffmann, früherer Oberbürgermeister der Landeshauptstadt.

 Der ehemalige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken, Hajo Hoffmann (74, SPD), im Biergarten der Gaststätte Woll in Spicheren.

Der ehemalige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken, Hajo Hoffmann (74, SPD), im Biergarten der Gaststätte Woll in Spicheren.

Foto: Iris Maria Maurer

Nach der Wahl-Runde, die am Pfingstsonntag mit Stichwahlen um Rathausspitzenämter zu Ende ging, ist eine Debatte entbrannt darüber, ob man Abstand nehmen sollte von der Direktwahl der Rathauschefs, ob man also (Ober-)Bürgermeister wieder, wie früher, durch die Räte wählen lassen sollte. Und ob die Bürgermeister-Amtszeiten im Saarland – derzeit zehn Jahre – womöglich zu lang sind (die SZ berichtete). Wir haben dazu Kommunalpolitiker aus dem Regionalverband Saarbrücken befragt – ehemalige Rathauschefs, die jeweils auf beiden Wahl-Wegen ins Amt kamen, durch Rats-Wahl und durch Urwahl. Heute, zum Abschluss: Hajo Hoffmann (74, SPD), Saarbrücker Oberbürgermeister von 1991 bis 2004.

Herr Hoffmann, Sie sind zunächst vom Stadtrat ins Amt gewählt worden, später in einer Direktwahl von den Bürgern. Welchen Wahl-Modus haben Sie persönlich als den stärkeren demokratischen „Auftrag“ empfunden?

HOFFMANN Auf jeden Fall die Urwahl. Vom Rat gewählt zu werden, ist zwar praktisch. Aber eine Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger bedeutet eine stärkere Legitimation.

Grundsätzlich: Finden Sie es richtig, dass Rathauschefs per Urwahl gewählt werden?

HOFFMANN Ja, unbedingt. Kommunalpolitik funktioniert anders als Politik auf Landes- oder Bundesebene. Da ist, aus Sicht der Wählerinnen und Wähler, der Oberbürgermeister für alles zuständig – egal, ob er auch formal zuständig ist. Der Oberbürgermeister in Person ist vor Ort einfach Ansprechpartner. Ich habe meine Rolle gegenüber den Bürgern für mich so bestimmt: Ich versuche, mit euch zusammen das zu realisieren, was euch interessiert.

Hat die Urwahl für Sie später Komplikationen mit dem Rat zur Folge gehabt, etwa bei parteipolitisch nicht „passender“ Mehrheit?

HOFFMANN In Saarbrücken hatten wir zeitweilig „wandernde“ Mehrheiten. In Abhängigkeit vom jeweiligen Thema. Ein Beispiel: In meiner Amtszeit haben wir wieder und wieder diskutiert über ein Wohngebiets-Projekt an der Goldenen Bremm. Aus verschiedenen Gründen fand sich nie eine Mehrheit im Stadtrat dafür, aus dem Vorhaben ist nichts geworden. Wobei die Ablehnung parteiübergreifend war. Ebenso parteiübergreifend war, auf der anderen Seite, die Haltung des Rates zur Saarbahn: Da gab es querbeet Zustimmung. So etwas kann man „Komplikation“ nennen. Doch man kann es auch anders sehen: Man muss mehr diskutieren. Das ist schwieriger. Aber sinnvoll. Die meisten Entscheidungen in der Kommunalpolitik sind nicht parteipolitischer Natur.

Wären solche (möglichen) Komplikationen aus Ihrer Sicht ein Argument dafür, zurückzukehren zur Wahl der Rathauschefs durch die Räte?

HOFFMANN Nein. Zum einen gibt es nicht unbedingt einen parteipolitischen Gleichklang zwischen der Kommunalwahl und der Wahl des Rathauschefs, oder er ist nicht dauerhaft. Zum anderen gehören Konflikte unabdingbar zur Demokratie. Wenn unterschiedliche Interessen da sind, müssen sie ausgetragen werden, offen und öffentlich. „Die zanken sich schon wieder“, hört man dazu nicht selten als Kommentar – aber: Streit ist demokratisch notwendig. Man muss ihn dann beilegen, muss Lösungen finden, aufeinander zugehen. Kompromisse werden in der Öffentlichkeit oft als „Kuhhandel“ missverstanden. Aber das ist falsch, Kompromisse sind unverzichtbarer Bestandteil des demokratischen Prozesses.

Bei einer indirekten Wahl hätten unabhängige Bewerber es schwerer als Kandidaten, die einer Partei angehören. Wie bewerten Sie das?

HOFFMANN Das stimmt, bei einer indirekten Wahl hätten unabhängige Bewerber wohl keine Chance. Wenn man direktere Demokratie will, wäre das kontraproduktiv. Auch das spricht dafür, Rathauschefs direkt durch die Bürger wählen zu lassen.

Zehn Jahre Amtszeit seien zu lang, heißt es derzeit in der Diskussion. Wie lang sollten aus Ihrer Sicht Rathausamtszeiten sein?

HOFFMANN Zehn Jahre sind wirklich sehr viel, davon sollte man runter. In einer zehnjährigen Amtszeit kann man als Rathauschef auch eine ziemliche Entfernung zur Bevölkerung entwickeln. Unglücklich finde ich zudem, dass die Dauer der Amtszeit enorme Auswirkungen hat auf die Altersversorgung der Amtsinhaber; das ist eine nicht sehr kluge Verknüpfung. Wenn ein Rathauschef oder eine Rathauschefin solche Folgen für die eigene Rente nicht zu befürchten hätte, wäre die Entscheidung leichter, auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit zu verzichten. So wie die Dinge jetzt geregelt sind, vom Beamten- und Versorgungsrecht her, ergibt sich, dass junge Leute gegen Platzhirsche antreten müssen. Und die lange Amtszeit dürfte manches politische Talent auch an einer Kandidatur hindern: Wenn Sie so lange raus sind aus Ihrem Job, ist es schwierig, nach einer Rathausamtszeit wieder hineinzufinden.

In einigen Kommunen war bei der Stichwahl am Pfingstsonntag die Wahlbeteiligung sehr niedrig. Wie könnte man das ändern?

HOFFMANN Ich habe da auch kein Muster. Aber wenn Sie die Wahl zuschneiden können auf Sachthemen, sehr klar fokussiert, denke ich, dass sich das Wählerinteresse besser wachhalten lässt; dann ist deutlich, worum es geht. Die Stichwahl-Beteiligung in den verschiedenen Kommunen ist ja auch recht unterschiedlich gewesen.

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