SZ-Ältestenrat Regina Görner im SZ-Ältestenrat: Senioren das Leben in der digitalen Welt erleichtern

Saarbrücken · Nach der Corona-Zwangspause hat sich der SZ-Ältestenrat neu aufgestellt. Jetzt kam er erstmals unter der Leitung von Susann Breßlein im Pressehaus der Saarbrücker Zeitung zusammen. Als Referentin war Regina Görner (72) eingeladen. Die ehemalige Saar-Gesundheitsministerin ist heute Vorsitzende der einflussreichen Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso).

Regina Görner (rechts), Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und ehemalige Saar-Gesundheitsministerin, besuchte den Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung. Links: die Vorsitzende Susann Breßlein.

Regina Görner (rechts), Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und ehemalige Saar-Gesundheitsministerin, besuchte den Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung. Links: die Vorsitzende Susann Breßlein.

Foto: BeckerBredel

Den Ältestenrat der Saarbrücker Zeitung gibt es bereits seit 1998. Er ist also ein fast schon „altehrwürdiges“ Gremium, braucht aber frischen Wind. Dessen neu gewählte Vorsitzende Susann Breßlein (66), bis vor zwei Jahren Verwaltungsdirektorin der Klinikum Saarbrücken gGmbH, will dem Rat nun neuen Schwung verleihen und wirbt um weitere Mitglieder. Denn der erfahrene „andere“ Blick der Älteren auf die Dinge werde dringend gebraucht, ist sie überzeugt. Themen gebe es genug.

Und so hatte sich Breßlein in ihrer ersten Sitzung als Leiterin vorgenommen, nicht nur neue Themenideen unter den 12 (von derzeit insgesamt 17) Ratsmitgliedern zu sammeln. Sondern auch gleich mit einer namhaften Referentin einzusteigen: Regina Görner, frühere saarländische Gesundheits- und Sozialministerin (1999-2004), war gekommen, um die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) vorzustellen, deren Vorsitzende sie seit 2021 ist – als Nachfolgerin von Franz Müntefering (SPD).

Die „Bagso“: Lobby-Verband für Senioren

Als Dachorganisation vertritt die Bagso mehrere Millionen Mitglieder von mehr als 130 großen und kleinen Verbänden, Institutionen und Gruppierungen, die sich für die Interessen von Seniorinnen und Senioren einsetzen. Die Bagso sei zwar wenig bekannt, ihr Einfluss auf die Bundespolitik aber groß, erklärte die CDU-Sozialpolitikerin und Gewerkschaftsfunktionärin. „Wir positionieren uns zu vielen Vorhaben, die Senioren betreffen, arbeiten Papiere aus oder nehmen an Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren teil“, umriss Görner die Arbeitsfelder und ließ durchblicken, dass man einen guten Draht zur Bundesregierung und Bundestagsabgeordneten habe.

Mehr als eine Stunde lang arbeitete die 72-Jährige dann in ihrem engagierten, quirligen Vortrag die vielen Felder der Seniorenpolitik ab, in denen es aus ihrer Sicht Handlungsbedarf gebe. Dabei ging es zwar zum einen um die aktuelle Lage, beispielsweise das Energiegeld der Bundesregierung, das nun im zweiten Anlauf auch an Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt wird. Und auch zum Thema Sterbehilfe formulierte Görner eine klare Position. Suizidassistenz zu vereinfachen sei nicht die Lösung, vielmehr müsse verhindert werden, dass alte, kranke Menschen keinen anderen Ausweg für sich sehen: „Warum gibt es so wenig Präventionsangebote?“ Und natürlich thematisierte Görner die Zustände in der Pflege und die Situation in den Altenheimen, vor allem während der Pandemie. In der Alten- und der Behindertenpflege laufe vieles schief, weil Angebote „kontraproduktiv organisiert“ seien. „Wir müssen bessere Strukturen auf kommunaler Ebene schaffen und überlegen, was wir professionell und was wir ehrenamtlich machen“, so Görner. „Zentrales Ziel muss es sein, dass Kommunen nicht erst dann aktiv werden, wenn das Elend da ist“, sagte sie in Bezug auf die oft fehlende Unterstützung alter Menschen, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesichert werden müsse. Weil auch dies letztendlich Kosten spare. „Wir brauchen kommunale Altenpläne!“ Dazu habe eine Umfrage der Bagso unter Kommunen ergeben, dass eine präventive Seniorenarbeit nicht nur abhängig sei von finanziellen Faktoren.

Digitalisierung als Fluch und Chance zugleich

Dann kam Görner zu einem ihrer Lieblingsthemen: Digitalisierung. Oder vielmehr dem vorherrschenden Zwang zur bedingungslosen Teilnahme aller an der digitalen, vernetzten Welt. Smartphone und Internet seien zwar zweifellos auch ein Segen für Seniorinnen und Senioren, weil sie Kommunikation ermöglichten und das Leben erleichtern könnten. Dennoch seien viele Ältere „und auch die Jüngeren“ von der Technik überfordert. „Die Entwickler dieser Apps und Geräte haben die Nutzer nicht im Blick. 35-jährige Nerds entwickeln für 35-jährige Nerds“, wetterte Görner. (Für alle, die mit dem Begriff aus dem Englischen nichts anfangen können: Mit „Nerds“ aus sind hier Technik verrückte Informatiker gemeint.) „Banking, Impfausweis, die Grundsteuererklärung, ein Termin im Bürgeramt – alles soll nur noch digital stattfinden.“ Dagegen dürfe und solle man sich wehren. Die Bagso habe das Thema zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht und die Situation der Alten mit einer Umfrage („Leben ohne Internet – Geht’s noch?“) dokumentiert. Was nicht nur Senioren helfen könnte, digital besser klar zu kommen, sei eine Standardisierung von Anwendungen und Benutzeroberflächen, sagte Görner, die sich sichtlich in Rage redete bei dem Thema. Und großen Zuspruch fand bei ihren Zuhörern. Die sind der Technik keineswegs abgeneigt und nutzen alle das Smartphone und das Internet. Doch wehe, es gibt Probleme mit der Technik. „Wo soll ich mich hinwenden, wenn etwas nicht funktioniert?“, fragte beispielsweise Carola Kleinbauer.

Dafür müssten mehr Erfahrungsorte und Angebote geschaffen werden. Heide Dannemann brachte die Forderung nach einem Digitalbeauftragten für Kommunen ein. Und Norbert Gräber, der als Unternehmensberater viel Erfahrung mit der Digitalisierung hat, gab zu Bedenken, dass Standardisierungen aufgrund des rasanten technischen Fortschritts unmöglich seien, Verwaltungen ihre digitalen Angebote aber durchaus standardisieren und vor allem vereinfachen könnten. „Man muss von den Nutzern her denken“, sagte Görner und fordert eine breite Diskussion darüber, wie Technik sinnvoll eingesetzt werden kann. Denn Bürger hätten ein Recht darauf, ihr Leben auch analog regeln zu können.

Der Ältestenrat wünscht sich, dass Digitalangebote wie „Bürger helfen“ (in der Landeshauptstadt), die seit der Pandemie ehrenamtliche Hilfe zum Beispiel beim Einkaufen oder Hund-Ausführen vermittelt haben, auch ehrenamtliche technische Helfer für digitale Probleme vermitteln.

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