Klassiker im Schlosskeller Absurdes Theater in drei Sprachen

Saarbrücken · Die Schauspieler Alphonse Walter, Birgit Giokas und Christina Murer überschreiten Grenzen beim Stück „Die Unterrichtsstunde“.

Mit seinen weißen zauseligen Haaren, dem ausladenen gezwirbelten Schnurrbart und den gütigen, ein wenig schelmischen Augen sieht Alphonse Walter genau so aus, wie man sich einen Bilderbuch-Lehrer vorstellt. Im richtigen Leben trügt der Schein nicht. Der Franzose aus Goetzenbruck im Bitscher Land war bis zur Rente tatsächlich ein Schullehrer mit Leib und Seele.

Doch auf der Bühne, seit 40 Jahren seine zweite Leidenschaft, muss er sich jetzt verwandeln, vom höflichen alten Professor zu einem Monster, das seine Schülerin mit unsinnigem Wissen traktiert und ganz langsam nach Strich und Faden fertig macht. Am Ende ist das Mädchen in Eugène Ionescos unverwüstlichem Klassiker „Die Unterrichtsstunde“ bekanntlich sogar tot. „Es ist ein tolles Stück für Schauspieler, da hat man schon Gelegenheit, zu zeigen, was man kann“, schwärmt Walter. Zusammen mit zwei Schauspielerinnen, Birgit Giokas und Christina Murer, und der Regisseurin Nathalie Cellier bringt Walter die Farce, Inbegriff des Absurden Theaters, jetzt in Saarbrücken auf die Bühne.

Die Produktion ist in so vielerlei Hinsicht grenzüberschreitend, dass ihr da keine so schnell das Wasser reichen kann. Zum einen überschreiten die Akteure munter Landes- und Sprachgrenzen, um zusammenzuspielen. So wie Walter ist auch Regisseurin Cellier Französin, lebt und arbeitet aber in Karlsruhe. Christina Murer wiederum ist Saarländerin, hat aber fünf Jahre in Frankreich gelebt. Birgit Giokas gehört zu den Urgesteinen der professionellen Saarbrücker Schaupieler, hat aber auch viel in Frankreich gewirkt. Auf der Bühne spielt das Trio gleichzeitig in drei Sprachen. „Professor“ Walter spricht mit seinem „Dienstmädchen“ Murer stets auf Platt. „Es ist unsere Brückensprache“, sagt er. Mit seiner „Schülerin“ Giokas redet er ausschließlich auf Französisch, während Giokas nur Deutsch redet. Für die drei ein Experiment, das aber gut zum absurden Charakter der Ionesco-Dialoge passt, die sich auch als Sprachkritik verstehen.

Doch kommt man als Akteur nicht schrecklich durcheinander? Walter meint lächelnd: „Es läuft ganz natürlich, wir merken das gar nicht mehr.“ Bei der Vorpremiere beim Festival „Mir rede Platt“ im Saargemünder Casino hätten auch die 200 Zuschauer keine Verständnisprobleme erkennen lassen, sich vielmehr köstlich amüsiert, sagt Giokas. Im Schlosskeller, wo am 11. April die Premiere ist, will man für die französischen Dialoge deutsche Übertitel einblenden.

Ionescos Einakter von 1950 sei total aktuell, sind sich die drei sicher. Es gehe nicht nur um Kritik an verfehlter Pädagogik, man könne auch Bezüge zur #Metoo-Debatte darin entdecken, sagt Giokas. In einem weiteren Punkt hat die Truppe dem Stück einen neuen Dreh gegeben: „Da es seltsam gewirkt hätte, wenn ich eine 18-jährige Schülerin mimen würde, haben wir aus ihr eine Senior-Studentin gemacht.“ Die gab es zwar zu Ionescos Zeiten noch nicht, doch heute immer häufiger.

Termine: 11. (Premiere), 12., 19., 20. April und 9. Mai, je 20 Uhr, Saarbrücker Schlosskeller. Karten an der Abendkasse und in der Tourist-Information im Schloss.

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