Saarbrücken bittet zur Kasse

St. Johann. Verärgert, enttäuscht und mit langen, verständnislosen Gesichtern verließen am Mittwoch gegen 22 Uhr rund 70 Bürger das Nebenzimmer des Hotels Schlosskrug in der Schmollerstraße. Dort hatte sich die "Interessengemeinschaft Ausgleichsbeitrag Nauwieser Viertel" (IG) mit drei Vertretern der Stadtverwaltung getroffen

 Blick in die Schmollerstraße in Richtung Evangelisches Krankenhaus: Die rechte Straßenseite gehört zum Sanierungsgebiet Nauwieser Viertel, die linke nicht. Daher müssen die Eigentümer der Grundstücke rechts eine Ausgleichsabgabe bezahlen, die links nicht. Denn die Stadt Saarbrücken geht davon aus, dass die Grundstücke rechts dank städtischer Investitionen im Viertel wertvoller geworden sind. Foto: Becker & Bredel

Blick in die Schmollerstraße in Richtung Evangelisches Krankenhaus: Die rechte Straßenseite gehört zum Sanierungsgebiet Nauwieser Viertel, die linke nicht. Daher müssen die Eigentümer der Grundstücke rechts eine Ausgleichsabgabe bezahlen, die links nicht. Denn die Stadt Saarbrücken geht davon aus, dass die Grundstücke rechts dank städtischer Investitionen im Viertel wertvoller geworden sind. Foto: Becker & Bredel

St. Johann. Verärgert, enttäuscht und mit langen, verständnislosen Gesichtern verließen am Mittwoch gegen 22 Uhr rund 70 Bürger das Nebenzimmer des Hotels Schlosskrug in der Schmollerstraße. Dort hatte sich die "Interessengemeinschaft Ausgleichsbeitrag Nauwieser Viertel" (IG) mit drei Vertretern der Stadtverwaltung getroffen.

Die Stadt verlangt von den Eigentümern der Immobilien im ehemaligen Sanierungsgebiet Nauwieser Viertel so genannte Ausgleichsbeiträge. Begründung: Die Grundstücke seien dank der städtischen Investitionen im Sanierungsgebiet heute erheblich mehr wert, als wenn nicht saniert worden wäre. Ein Gutachterausschuss, der dem Umweltministerium untersteht, hat den Wertzuwachs berechnet.

Und die IG wollte sich am Mittwochabend erklären lassen, auf welcher Basis das geschehen ist. Außerdem hoffte die IG, die Stadt werde über die Höhe der Ausgleichsbeiträge mit sich reden lassen. IG-Sprecher Gunni Mahling: "Es geht uns hier nicht darum, ob wir zahlen müssen oder nicht - sondern wie viel? Und ob die Stadt da kompromissbereit ist."

Sie ist es nicht - unterstrichen Monika Kunz und Ulrich Heimann vom Stadtplanungsamt. Kunz brachte das gegen Ende des Treffens auf folgende Formel: "Ihnen bleibt der Rechtsweg offen. Machen Sie ein Gegengutachten."

Vorausgegangen war eine heftige Diskussion, bei der sich die Kontrahenten fast durchgehend verständnislos gegenüberstanden. Die Bürger können nicht nachvollziehen, wie die Sanierung die Grundstückswerte gesteigert hat - denn die Bürger glauben nicht, dass dank der Investitionen die Lebensqualität im Sanierungsgebiet sonderlich gewachsen ist. Meistzitiertes Beispiel: Die Anwohner haben kaum Chancen, im ehemaligen Sanierungsgebiet zu parken - obwohl fast alle bei der Stadt Anwohnerparkplaketten gekauft haben.

Weiterer Punkt, der den Bürgern nicht einleuchtet: Die Grenze des Sanierungsgebietes verläuft grundsätzlich in der Straßenmitte. Folge zum Beispiel in der Schmollerstraße: Auf der Straßenseite, wo die Versammlung tagte, müssen die Grundeigentümer keinen Ausgleichsbeitrag bezahlen - auf der gegenüberliegenden Seite aber schon. Auf die Frage nach der Logik dieser Aufteilung antwortete Ulrich Heimann vom Stadtplanungsamt: "Sie müssen ja irgendwo mal eine Grenze ziehen." Die Bürger quittierten mit Gelächter. Später ergänzte Kunz: "Der Stadtrat hat die Grenzen des Gebietes beschlossen."

Johannes Scholl vom Vermessungsamt vertrat den Gutachterausschuss. Laut Scholl hat der Ausschuss alle Notarverträge über Immobilienverkäufe im Sanierungsgebiet seit 1980 ausgewertet und auf dieser Basis die Wertsteigerung berechnet - und zwar mit derselben Methode, die auch 2002 für die Berechnung der Wertsteigerung am St. Johanner Markt benutzt wurde. Ein Eigentümer vom Markt war damals dagegen bis vors Oberverwaltungsgericht gezogen und dort gescheitert. Das Gericht vertrat die Auffassung, auch mit weiteren Gutachten komme man in der Sache nicht weiter (die SZ berichtete).

Trotzdem will sich die IG noch nicht geschlagen geben. Ihre Sprecher Marlene Hoffmann und Gunni Mahling versicherten: "Wie werden das nicht als letztes Wort in dieser Sache betrachten und uns um weitere Gespräche bemühen."

Hintergrund

13,2 Millionen Euro ließ die Stadt von 1980 bis 2010 im Sanierungsgebiet Nauwieser Viertel verbauen - allerdings ist das Sanierungsgebiet nicht identisch mit dem Stadtviertel. 346 Grundstücke liegen im Sanierungsgebiet. Ihr Wert stieg - wegen der städtischen Investitionen - um insgesamt rund 3,1 Millionen Euro, also um durchschnittlich rund 9000 Euro. Der Quadratmeterwert auf der Fläche mit der niedrigsten Wertsteigerung wuchs - dank der Sanierung - um zehn Euro, auf dem Grundstück mit der höchsten Wertsteigerung um 58 Euro. Das teilte die Stadt gestern auf SZ-Anfrage mit.

Grundlage für Ausgleichsbeiträge ist der Paragraf 154 des Baugesetzbuches. Demnach muss der Beitrag so hoch sein wie die Wertsteigerung durch die Sanierung. fitz

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