Serie Arbeit mit Zukunft – Teil 4 In der Industrie schaffen immer Roboter mit

Saarbrücken · Wer in den Fabriken der Zukunft arbeitet, wird zunehmend intelligente Maschinen als Assistenten an seiner Seite haben. Dadurch verändern sich Industrieberufe grundlegend.

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Foto: SZ

Der Wandel der Arbeitswelt in den saarländischen Produktionsbetrieben schreitet rasant voran. Wohin die Reise gehen könnte, wird im Saarbrücker Osten vorgedacht. Dort hat das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) seinen Sitz. Es versteht sich als Nahtstelle zwischen Forschung und industrieller Fertigung. Es arbeitet eng mit den Instituten und Lehrstühlen an der Universität des Saarlandes, aber auch der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) zusammen. Dieses Wissen können saarländische Unternehmen abrufen, die ihre Produktion neu ausrichten und dabei unterstützt werden wollen.

Professor Rainer Müller, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zema, räumt mit einigen Ängsten auf, die immer wieder aufploppen, wenn es um die Arbeitswelt der Zukunft geht. So zerstreut er Bedenken, dass Roboter irgendwann den Menschen ersetzen werden. „Sie werden immer nur die Arbeit als Assistent übernehmen“, sagt er. Roboter sollen darauf getrimmt werden, vor allem an sogenannten heißen Arbeitsplätzen tätig zu werden, wo es sehr warm, dreckig und laut ist. Oder wo Menschen einer starken körperlichen Belastung ausgesetzt sind.

Als Beispiel nennt Müller das Anschrauben des Unterbodens an ein Auto. Solche Unterböden bestehen aus mehreren Komponenten mit etlichen Aussparungen für Leitungen oder Rohre. In vielen Fabriken schrauben die Mitarbeiter die Bleche an. Dabei stehen sie unter der Autokarosserie und halten den Schrauber über dem Kopf. „Das schaffen nur junge Leute, und dies auch nur stundenweise“, sagt Müller. Das Zema hat jetzt für einen Autobauer einen Roboter entwickelt, der diese Arbeit weitgehend übernimmt. Der Kollege aus Fleisch und Blut fixiert das Blech nur noch mit ein oder zwei Schrauben, die Maschine erledigt den Rest. „Eine ähnliche Zusammenarbeit ist auch bei der Prüfung von Schweißnähten denkbar“, sagt Müller. Ein Roboter durchleuchtet die Naht entlang der Geraden, wenn es winkelig und eckig wird, übernimmt der Mensch.

Erforscht wird am Zema zudem das „sanfte Umprogrammieren von Robotern“, so der Wissenschafts-Chef des Zentrums. Die Maschine „sieht im übertragenen Sinne dabei zu, wie der menschliche Kollege eine Tätigkeit ausübt, zum Beispiel kleine Werkzeuge einsortiert. Danach übernimmt er selbststätig diese Arbeit, ohne dass er eigens mithilfe einer Tastatur umprogrammiert werden muss“. Der Arbeiter könne in dieser Zeit eine andere Tätigkeit verrichten.

Andere Assistenz-Systeme zwischen Mensch und Maschine „bieten sich beim Zusammenbauen hochkomplexer Produkte an“. So bestehe ein modernes Pkw-Automatikgetriebe aus Hunderten Varianten. Für alle, die neu in die Fertigung einsteigen, „eine Riesenherausforderung“. Ein Assistenzsystem „kann diese Mitarbeiter anlernen und ihnen zeigen, welche Montage-Schritte als nächstes anstehen“. Wenn er diese Arbeit allmählich beherrscht, reduziert der Anleitungsroboter seine Assistenz. Er beendet sie, „sobald der Arbeiter das Ganze ohne fremde Hilfe beherrscht“, erläutert Müller.

Zudem arbeitet das Zema an sogenannten Expertensystemen. Dort wird das Wissen, das bei früheren Aufträgen gesammelt wurde, systematisch aufbereitet. Anhand dieser Erfahrungen werden bei der Konstruktion ähnlicher Teile Wenn-dann-Regeln aufgestellt. Zum Beispiel: „Wenn Schweißen, dann kein Klebeetikett, kein Kunststoffschild“ oder „Wenn (Behälter aus) Titan, dann keinen Laser (verwenden)“. Für einen saarländischen Hersteller von Sondermaschinen wurden beispielsweise 1500 solcher Regeln hinterlegt. „Bislang geht außerdem viel Wissen verloren, wenn wichtige Mitarbeiter in Rente gehen. Das soll künftig nicht mehr passieren“, so Rainer Müller. Die Frage „Wie hat der Kollege das damals nochmal gemacht?“ sollte der Vergangenheit angehören.

Die Unternehmen verschließen sich der Entwicklung nicht. „Wenn wir die Industrie in Deutschland halten wollen, muss die Produktivität weiter steigen“, ist Andreas Gühring überzeugt. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Merziger Kugelhahn- und Ventile-Herstellers MHA Zentgraf. „Das geht im Wesentlichen mithilfe der Digitalisierung.“ Gührings Geschäftsführungs-Kollege Marc Bossmann sieht weitere Vorteile. „Durch die Vernetzung zwischen den Abteilungen können wir Transparenz herstellen und den Informationsfluss verbessern“, ist er überzeugt. „Das erspart uns Missverständnisse, die oft die Ursache von Stress sind.“

Großen Wert legt MHA Zentgraf auch darauf, dass der Fertigungsprozess der Kugelhähne und Ventile „stets nachverfolgt werden kann“. Jedes Gehäuse ist mit einer internen Rückverfolgungsnummer markiert. Dieses System erlaubt, dass selbst die Schmelze des Rohmaterials mit digitalen Detektiven aufgedeckt werden kann. „Diese lückenlose Recherche ist nur mit ausgefeilter IT möglich“, sagt Bossmann.

„Die digitale Ausrichtung der Produktion funktioniert allerdings nur, wenn die Mitarbeiter eingebunden werden“, gibt Tobias Szygula zu bedenken. Er beschäftigt sich bei der Beratungsstelle für sozialverträgliche Technologiegestaltung (Best) der Saar-Arbeitskammer mit der Digitalisierung der Arbeitswelt. Szygula geht davon aus, dass sich bei rund drei Viertel aller Industriearbeitsplätze „die Tätigkeit der Mitarbeiter verändern wird“. Ständig wiederkehrende Routinetätigkeiten „werden systematisch automatisiert“. Wer mithalten wolle, müsse weiterqualifiziert werden, „damit die Beschäftigten mit der neuen Technik auch umgehen können“. Dies sicherzustellen, sei die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre.

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