Vorstellung der Bilanz Wie Villeroy und Boch der Krise trotzt

Mettlach · Trotz Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs blickt der Keramikhersteller Villeroy & Boch nach eigenen Worten auf ein „zufriedenstellendes Geschäftsjahr“ zurück. Und: Vorstandschef Göring kündigte seinen Rückzug an, falls sich eine geeignete Nachfolge findet.

Villeroy und Boch meldet trotz Krise Umsatzplus
Foto: obs/P4444/_Villeroy & Boch Ag

Die Folgen des Ukraine-Kriegs haben sich im vergangenen Jahr auch auf die Geschäfte des Mettlacher Keramikherstellers Villeroy und Boch (V&B) ausgewirkt. Zwar konnte V&B 2022 seinen Konzernumsatz um 5,2 Prozent auf 994,5 Millionen Euro steigern und das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) um sieben Prozent auf 96,8 Millionen Euro verbessern. Das Konzernergebnis lag mit 71,5 Millionen Euro auch deutlich über dem Vorjahr (60,5 Millionen Euro). „Insgesamt ein zufriedenstellendes Ergebnis“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende Frank Göring während der Online-Bilanzpressekonferenz am Donnerstag.

Drei Preissteigerungen binnen eines Jahres

V&B konnte damit auch seine herausgegebene Prognose, die nur eine Woche vor Kriegsbeginn veröffentlicht wurde, erreichen. Allerdings musste der Keramikhersteller dafür im vergangenen Jahr kräftig seine Preise erhöhen. Produkte im Unternehmensbereich „Bad & Wellness“ sind gleich drei Mal teurer geworden – im Januar, im Mai und im November, wie Göring in seiner Präsentation zeigte. „Drei unterjährige Preiserhöhungen, das hat es bei uns noch nicht gegeben“, sagte er. „Das zeigt, mit welcher Dramatik sich die Beschaffungspreise verändert haben.“

Villeroy und Boch meldet trotz Krise Umsatzplus
Foto: V&B

Im Bereich „Bad & Wellness“ lag der Umsatz mit 661,9 Millionen Euro 5,2 Prozent über dem Vorjahr, in der Menge hat V&B aber 2,6 Prozent weniger verkauft, wie der Vorstandschef auf Nachfrage erläuterte. Im Bereich „Dining und Lifestyle“, der früher „Tischkultur“ hieß, zeigte sich das noch deutlicher. Hier erzielte V&B einen Umsatz von 329,4 Millionen Euro und lag damit 5,3 Prozent über dem Vorjahr, verkaufte insgesamt aber vier Prozent weniger als im Vorjahr 2021.

Insbesondere die stark gestiegenen Energiepreise machten dem Mettlacher Unternehmen aufgrund der energieintensiven Brennprozesse in der Keramikproduktion zu schaffen. V&B habe Werkstillstände befürchtet. „Es war ja nicht auszuschließen, dass es im Winter kein Gas mehr gibt“, sagte Göring. „Daher war die Devise: Wir produzieren so viel wie möglich und so lange es geht.“ Vor diesem Hintergrund hat V&B die Werksferien vom Sommer in den Winter verlegt und auf Vorrat produziert, um die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Der gefürchtete Mangel an Gas ist dann nicht eingetreten, zudem ist die Konjunktur im zweiten Halbjahr abgeflaut. V&B hat damit weniger Waren verkauft und entsprechend sind die Lagerbestände gestiegen. Das spiegelt sich in den Zahlen wider. In der Bilanz weist V&B einen Anstieg des Warenbestands von 49 Millionen Euro aus. „Das ist nicht so schön“, kommentiert Göring. Circa die Hälfte davon habe durch die Inflation an Wert gewonnen und die andere Hälfte ist tatsächlicher Mengenaufbau, der jetzt „sukzessive korrigiert“ werden muss.

Kostensteigerungen in allen Bereichen

Kostensteigerungen gab es aber nicht nur im Energiesektor, sondern in allen Bereichen. In Summe entstanden so Mehrkosten in Höhe von über 50 Millionen Euro im Jahr 2022 und damit rund drei Mal mehr als V&B für das Jahr erwartet hatte. Göring führt ein Beispiel an. So habe ein Container im Schiffverkehr zwischen Asien und Europa 2019 im Durchschnitt noch rund 2500 Euro gekostet, der Preis sei in der Spitze auf fast 18 000 Euro angestiegen. In den neusten Kalkulationen plant V&B mit etwa 4000 Euro.

Aufgrund des Kriegs hat sich V&B aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen. Das schlug mit einem Umsatzminus von 11 Millionen Euro zu Buche. Den Restumsatz von 13,3 Millionen Euro, erklärt Göring mit Restverpflichtung während der Kündigungsfrist. „Wir gehen aber raus aus dem Markt. Ich denke, das war auch richtig so“, sagte Göring.

In Nordeuropa wurde weniger gebaut, was für ein Minus von 8,6 Prozent („Sehr ärgerlich“) sorgte. Gerade in Deutschland Österreich und der Schweiz machte sich die Konsumzurückhaltung bemerkbar, und V&B verbuchte hier ein „sehr verhaltenes“ Wachstum von 1,8 Prozent auf 327,2 Millionen Euro.

Stark gestiegen ist der Umsatz dagegen in den Golfstaaten (Plus 53,1 Prozent auf 32,2 Millionen Euro) und Asien, wo 15 Prozent des Konzernumsatzes erzielt werden (Plus 26,1 Prozent auf 148,9 Millionen Euro). Allein in China konnte V&B 2022 31,6 Prozent mehr umsetzen (96,4 Millionen Euro) als 2021.

Rückkehr des stationären Geschäfts nach Pandemie

Nachdem die Geschäfte in der Pandemie vielerorts komplett oder teilweise geschlossen waren, zog der stationäre Handel 2022 wieder an. So stieg der Umsatz in den eigenen Geschäften und bei Vertragspartnern wie Karstadt-Kaufhof um 5,3 Prozent (auf 329,4 Millionen Euro) an. Gleichzeitig sank der Umsatz im Online-Handel um 12,9 Prozent auf 91,5 Prozent. Göring sprach von einer „Normalisierung nach zwei Jahren Hype“.

Im vergangenen Jahr hat das Mettlacher Unternehmen 36,7 Millionen Euro investiert beispielsweise in eine neuen Ofen-Technologie, um CO2-Emissionen zu verringern und in die Installation einer Photovoltaik-Anlage auf dem Werk in Merzig. Zielvorgabe des Konzerns: Bis 2030 sollen die nichtkeramischen Standorte CO2-frei produzieren, bis 2040 auch die Keramikwerke.

Vom Ergebnis sollen auch die Aktionäre profitieren. Sie erhalten eine Dividende in Höhe von 1,20 Euro pro Vorzugsaktie und 1,15 pro Stammaktie.

V&B will in CO2-freie Produktion investieren

Im Jubiläumsjahr 2023 – V&B feiert 275-jähriges Bestehen – rechnet V&B-Finanzchef Markus Warncke mit einem Umsatzplus zwischen vier und sieben Prozent. Da von hohen Einkaufspreisen auszugehen ist, will V&B das Ebit auf dem Vorjahresniveau halten, plant aber deutlich mehr zu investieren: 50 Millionen Euro sollen fließen. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion der CO2-Emmissionen.

Man wolle nachhaltig und profitabel wachsen, sagte Göring, daher prüfe man an der ein oder anderen Stelle Opportunitäten zur Akquise. „Auch im Moment, aber da darf ich noch nicht drüber reden.“

Vorstandschef kündigt Rückzug an

Für Frank Göring könnte es die letzte Bilanzpressekonferenz gewesen sein. Er möchte Ende des Jahres aufhören, wie er am Donnerstag ankündigte. Mit 62 Jahren wäre es an der Zeit für was Neues, außerdem würde er es gerne ruhiger angehen lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein geeigneter Nachfolger oder eine geeignete Nachfolgerin gefunden wird.

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