Deutschlandfunk mehrfach abgeblitzt Interviews verweigert: Wie Saar-Unternehmen über ihre Russland-Geschäfte schweigen

Saarbrücken/Berlin · Zahlreiche saarländische Firmen sind noch mit Russland im Geschäft. Obwohl es seit Kriegsausbruch in der Ukraine von vielen Seiten massive Kritik daran gibt. Das bundesweit sendende Programm Deutschlandfunk Kultur befasste sich mit den Beziehungen der Unternehmen von hier und fragte bei ihnen nach. Erstaunlich, was die Journalisten zur Antwort bekamen.

 Auch Globus gab dem Deutschlandfunk kein Interview.

Auch Globus gab dem Deutschlandfunk kein Interview.

Foto: Marc Prams

Viele deutsche Konzerne haben ihre geschäftlichen Verbindungen nach Russland gekappt. Grund dafür ist der Einmarsch russischer Truppen ins Nachbarland Ukraine am 24. Februar und der bis heute anhaltende Krieg. Unter ihnen sind Marktführer wie beispielsweise Adidas und VW. Sie und viele weitere verzichten mittlerweile darauf, Geld in dem Land zu verdienen. Doch nicht alle Firmen machen es ihnen gleich.

Darüber hatte die Saarbrücker Zeitung bereits mehrfach berichtet. In der Regel reagierten die betreffenden Chefs mit schriftlichen Antworten auf Journalisten-Anfragen. Jetzt nahm sich Anke Schäfer für Deutschlandfunk Kultur des Themas an. Für die Sendereihe Ländersache recherchierte sie im Saarland. Denn hier sind es „erstaunlich viele“ Unternehmer, die ihre Geschäfte nicht einstellen oder Filialen schließen, wie es in der Anmoderation heißt. Bei ihrer Reportage stieß die Landeskorrespondentin auf eine Mauer des Schweigens.

„Hallo, hier ist das Deutschlandradio. Ich recherchiere in der Sache Russland-Geschäfte der saarländischen Firmen. Könnten Sie mir dazu ein Interview geben?“ Diese einleitende Frage stellte sie an den Beginn des achtminütigen Beitrags. Und darauf folgt die wortkarge wie prägnante Antwort: „Nein.“

Dies bekomme sie immer wieder zu hören. Sie klappere telefonisch ein um die andere Firma ab. Doch mit ihr reden möchte demzufolge niemand. Erst recht nicht, wenn sie das Mikrofon für den Sender einschaltet.

Industrie- und Handelskammer: 35 Unternehmen treiben Handel mit Russland

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes erhält sie Auskunft. Und da heißt es: Der IHK sei kein Betrieb bekannt, der „seine Geschäfte mit Russland freiwillig eingestellt hätte, so lange man nicht gegen die Sanktionen verstoße“. 35 Unternehmen führe die Handelskammer, die mit oder sogar in Russland Handel betreiben.

Abel + Schäfer: Wie das Unternehmen aus Völklingen reagiert

Der erste Anruf der Radioredakteurin bringt sie zu Abel + Schäfer in Völklingen. Hier wird Bäckereibedarf hergestellt. Die Journalistin werde zwar höflich am Telefon empfangen. Sie habe sich schon Hoffnung auf ein Interview gemacht. Doch dann sei der Rückruf mit einer Absage gekommen. Anke Schäfer erkundigt sich, warum der Verantwortliche nichts sagen will. Dessen bestechend ehrliche Antwort nach ihrem Bericht: „Weil wir nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen.“

Gegenüber der Saarbrücker Zeitung reagierte im Anschluss Ina Müller, Pressesprecherin bei Abel + Schäfer, mit einem weiteren schriftlichen Statement zu den Geschäftsbeziehungen. Darin heißt es: „Das Geschäft mit unserem russischen Kunden sowie eventuellen Zulieferern ruht seit dem Beginn der Aggressionen der Russischen Föderation auf die Ukraine. Letzte Lieferungen haben im Februar vor der Invasion stattgefunden, und weitere wurden von unserer Seite aus eingestellt.“

DHS und die Verbindungen zu Russland

Es geht weiter zur Dillinger Hütte – Saarstahl AG (DHS). Auch dort wird sie abgewimmelt. Die Pressestelle lehne ebenfalls ein Gespräch zu den DHS-Russland-Geschäften ab. Doch der Sprecher sendet zumindest ein schriftliches Statement der Stahlholding Saar zu. Darin heiße es: Demnach habe DHS in der Vergangenheit „im geringen Umfang“ Stahlbleche nach Russland geliefert. Beziehungen zu russischen Geschäftskunden bestünden aktuell keine. Stattdessen prüfe DHS permanent die aktuellen Entwicklungen. Man agiere unter den gesetzlichen Vorgaben und Sanktionen „und setze diese konsequent um“. Will heißen: DHS bricht keine Gesetze. Schäfer wundert sich, warum die Zuständigen dann nicht darüber reden möchten.

Bei Dr.-Theiss-Naturwaren in Homburg bleibt das Radio-Mikrofon aus

Ihr nächstes Telefonat geht zu Dr.-Theiss-Naturwaren in Homburg. Dass der Betrieb seine Geschäfte mit Russland aufrechterhält, darüber hatte die Saarbrücker Zeitung unlängst berichtet. Und dass der Konzern wegen seines weitergeführten Handels in die Halle der Schande, der „Hall of Shame“ aufgenommen ist. So bezeichnen US-amerikanische Medien die von der Yale School of Management erstellte Liste. Darin führt die Elite-Uni im Bundesstaat Connecticut die Betriebe auf, die trotz des russischen Krieges gegen die Ukraine weiterhin mit Russland handeln.

Theiss wolle sein seit 30 Jahren bestehendes Geschäft mit dem international geschmähten Land nicht aufgeben, konstatiert die Frau vom Radio. Zehn Prozent des Umsatzes mache die Gesellschaft dort. Kritik hagelte es wegen im Staatsfernsehen geschalteter Werbung.

Schäfer bekommt einen Gesprächstermin mit Geschäftsführer Giuseppe Nardi. Doch das Mikro muss aus bleiben. Mehr als ein Hintergrundgespräch zum Thema gibt es nicht. Das bedeutet: Die Journalistin darf für ihre Zuhörer nichts davon verwenden. Nur so viel: Dr. Theiss werde weiterhin seine Waren nach Russland liefern. Und dazu ein Pressetext, in dem von „versorgungsrelevanten und lebenswichtigen Produkten“ die Rede ist. Der Homburger Betrieb sei sich seiner Versorgungspflicht bewusst. Ein Renner in Osteuropa ist die Zahnpasta aus dem Hause. Außerdem müsse Dr. Theiss vertragliche Vereinbarungen einhalten.

Globus in St. Wendel und seine Hypermärkte in Russland

Wie auch Theiss steht die St. Wendeler Warenhauskette Globus auf der Schmachliste der US-Universität. Denn nach wie vor sind deren 19 Hypermärkte in Russland geöffnet, wie die SZ bereits meldete. Die Deutschlandfunk-Reporterin greift abermals zum Hörer. Dort bekommt sie die gleiche Auskunft wie schon so oft: ein Interview – nein. Abermals bekommt sie als Ersatz eine schriftliche Stellungnahme. Darin verweist das Familienunternehmen über seine Pressestelle in Baden-Württemberg wie schon gegenüber der SZ auf die Zusammenarbeit „mit Hilfsorganisationen und privaten Initiativen“. So würden die ukrainischen Flüchtlinge „mit dringend benötigten Lebensmitteln, Kleidern, Geld und Sachspenden“ unterstützt. Neue Projekte und eine Expansion in Russland seien gestoppt.

Als Lebensmittelhändler konzentrieren wir uns auf die Grundversorgung der Menschen vor Ort“, lässt Anke Schäfer einen männlichen Sprecher den Globus-Text vorlesen. Darin verweist Globus auf die „große gegenseitige Wertschätzung“, die den Konzern mit den 10 000 Mitarbeitern seit 15 Jahren verbinde. Diese seien nicht für politische Entscheidungen verantwortlich.

Villeroy & Boch in Mettlach legt Geschäfte mit Russland auf Eis

Zuletzt wendet sich der Deutschlandfunk an den Keramikhersteller Villeroy & Boch in Mettlach. Von hier kommt das einzige vertonte Statement, dass Anke Schäfer zugeschickt wird. Vorstandsmitglied Markus Warncke versichert, dass Villeroy & Boch nicht in Russland produziert. Für dieses Land, aber auch für Belarus „besteht zurzeit ein Auftragsstopp“. Das Geschäftsvolumen habe bis dahin bei drei Prozent gelegen. „Bestehende Lieferverträge haben wir gekündigt.“ Den Hintergrund liefert letztlich die Sprecherin, wonach der Betrieb zumindest teilweise vom Embargo für Luxusgüter betroffen ist. Andere Verträge seien freiwillig auf Eis gelegt.

Hier geht es zum Beitrag des Deutschlandfunks Kultur: Russland-Geschäfte im Saarland – wer weitermacht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort