Tag der Begegnung in Merchweiler Stahlmann trifft Klimaschützer

Merchweiler · Stephan Ahr von Saarstahl und Klimaaktivist Max Meissauer stellten am „Tag der Begegnung“ fest: Sie haben auch Gemeinsamkeiten.

Am „Tag der Begegnung“ diskutierten Stephan Ahr, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Saarstahl AG, (links) und Max Meissauer von Fridays for Future über Klimaschutz. Bettina Altesleben (DGB) moderierte.

Am „Tag der Begegnung“ diskutierten Stephan Ahr, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Saarstahl AG, (links) und Max Meissauer von Fridays for Future über Klimaschutz. Bettina Altesleben (DGB) moderierte.

Foto: Iris Maria Maurer

Die saarländische Stahlindustrie steht am Abgrund und außer Schulterklopfen und Solidaritätsbekundungen bringt die Politik im Land, aber auch in Berlin und Brüssel nichts zuwege. Das ist die Ansicht des Saarstahl-Betriebsratsvorsitzenden Stephan Ahr, die er am Sonntag lautstark kundtat.

Anlass war eine Premiere. Der gewichtige Stahlmann traf erstmals offiziell auf einen Vertreter der Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future, in der sich vor allem junge Leute engagieren. Der Student Max Meissauer hatte sich bereit erklärt, mit Ahr über das Thema „Den Klimawandel sozial gestalten. Umwelt und Wirtschaft Hand in Hand“ zu diskutieren. Anlass war der „Tag der Begegnung“, den die Region Saar des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) jährlich zusammen mit dem DGB-Kreisverband Neunkirchen in Merchweiler ausrichtet.

Der 20-jährige Meissauer, gebürtiger Oberbayer und Jura-Student im dritten Semester an der Universität des Saarlandes, verteidigte angesichts etlicher aufmerksam zuhörender Stahlkocher nicht alle Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung ohne Einschränkung. Vor allem die Forderung, den Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) auf 180 Euro pro Tonne hochzuschrauben, kam ihm nicht über die Lippen. Für ihn und seine saarländischen Mitstreiter seien 50 Euro die Obergrenze.

Schon bei dieser Zahl stöhnte Ahr hörbar auf. „Derzeit zahlen wir 25 Euro“, ließ er seine Zuhörer wissen. „Das ist für uns schon die Schmerzgrenze, denn es bedeutet, dass allein die saarländische Stahlindustrie 100 Millionen Euro zahlen muss.“ Mehr sei nicht drin, zumal in der Branche derzeit kein Geld verdient werde. „Ein weiterer Aufschlag auf den Zertifikate-Preis wäre für uns der Todesstoß.“ Er erinnerte daran, dass seit dem Jahr 2008 allein am Standort Dillingen mehr als 500 Millionen Euro an Investitionen in den Umweltschutz geflossen seien. „Daher kann niemand behaupten, dass wir nichts für den Klimaschutz tun. Doch dieses Problem muss weltweit angegangen werden.“

Meissauer räumte ein, dass auch er in dieser Frage kein Patentrezept aus der Tasche ziehen kann. Doch es müsse möglich sein, Stahlimporte aus Ländern mit geringeren Umweltstandards mit einer CO2-Steuer zu belegen, um die Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich einzudämmen. Hier hatte er Ahr auf seiner Seite. Auch Ahr beklagte die Massen an Billigstahl, die derzeit in die EU schwappen – nicht zuletzt bedingt dadurch, dass die USA ihre Zollschranken für Stahleinfuhren im vergangenen Jahr auf 25 Prozent angehoben haben. Die seinerzeit eingeleiteten und jetzt noch einmal verlängerten Gegenmaßnahmen der EU hält Ahr für „völlig unzureichend“.

Ahr und Meissauer machten auch Berührungspunkte aus. So waren sich beide einig, dass Deutschland nicht aus der Atom- und Kohleverstromung aussteigen und dann die Stahlproduktion in solche Länder verlagern darf, die weiter auf diese Form der Elektrizitätserzeugung setzen. Ahr deutete an, dass in der saarländischen Stahlindustrie bereits darüber nachgedacht werde, die Hochöfen in Dillingen abzuschalten und den Stahl für die Walzwerke in Elektrostahlwerken im nahen Frankreich mit Atomstrom zu erzeugen. Beide stimmten zudem überein, dass der Klimaschutz „ohne den Werkstoff Stahl nicht zu erreichen ist“, und darin, „dass jedweder Strukturwandel sozialverträglich vonstattengehen muss“. Hier hakte die Moderatorin der Veranstaltung, DGB-Regionsgeschäftsführerin Bettina Altesleben, ein. „Diese Versprechen sind den Bergleuten seinerzeit auch gemacht worden“, erinnert sie. „Doch am Ende wurden sie im Regen stehen gelassen.“ Ein Déjà-vu dürfe es nicht geben. Auf viele der seinerzeit versprochenen Ersatzarbeitsplätze warte man heute noch „und man kann nicht alle Stahlarbeiter zu Pflegekräften umschulen“.

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