Game Base Saar „Studios werden daran zugrunde gehen“ – Saar-Spieleentwickler in Aufruhr wegen Förderungsstopp

Saarbrücken · Die Töpfe für die Förderung der Spieleentwicklung in Deutschland sind leer. Kleinere und neuere Studios sehen sich über Nacht in Existenznot. Auch für die wachsende Spieleindustrie im Saarland könnte die Nachricht fatale Folgen haben.

Spieleentwickler im Saarland in Aufruhr wegen Stopp der Förderung
Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres gibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) eine Entwicklung bekannt, die sich vor allem für kleinere und neu gegründete Computerspiel-Studios in Deutschland als Hiobsbotschaft herausstellen könnte: Wie bereits im November 2022 teilte das BMWK kürzlich mit, dass die Töpfe der Spieleförderung in Deutschland komplett ausgeschöpft sind – nicht nur für das laufende Jahr, sondern auch bereits für das kommende. „Daher können bis auf Weiteres keine neuen Anträge gestellt werden“, heißt es in der Mitteilung des BMWK. „Zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang das Programm wieder geöffnet werden kann, ist im Moment noch nicht bestimmbar.“

Zwar weist das BMWK darauf hin, dass dieser Antragsstopp keineswegs einen Förderstopp bedeute, doch die Nachricht ist trotzdem wie eine Bombe eingeschlagen. Vor allem für kleinere und neu gegründete Independent-Studios, hinter denen keine großen Publisher stehen und die auf Förderung angewiesen sind, ist der Antragsstopp gefährlich – also für fast alle im Saarland angesiedelten Studios.

„In naher Zukunft werden unvermeidlich Studios daran zugrunde gehen“

„Dieser erneute Antragsstopp kam de facto wieder ohne Vorwarnung“, klagt Julian Colbus von der saarländischen Vertretung des Industrieverbands Game an. „Ein zentrales Merkmal der Computerspiele-Förderung des Bundes sollte ihre Planbarkeit sein.“ Diese sei aktuell aber nicht gegeben. „In naher Zukunft werden unvermeidlich Studios daran zugrunde gehen, dass sie sich auf die angebliche Planbarkeit der Förderung verlassen haben“, so Colbus weiter.

Im November 2022 konnte der Antragsstopp in letzter Minute abgewendet werden. Im Haushaltsausschuss wurde beschlossen, die Fördertöpfe aufzustocken. Doch schon damals befürchtete Colbus, dass das Geld bald wieder aufgebraucht sein könnte. „Dieser Vorfall hat natürlich Unsicherheit geschaffen und könnte dazu führen, dass jetzt jede Menge Studios zeitnah Projekte einreichen, um Gelder für sich zu sichern“, sagte er damals der Saarbrücker Zeitung. Er befürchtete, dass sich Entwickler in Zukunft auf jeden neuen Fördertopf stürzen, sobald es möglich ist. Genau das scheint nun passiert zu sein.

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Foto: Radical Fish Games

Game-Geschäftsführer Felix Falk warnt in einer Pressemitteilung des Industrieverbands: „Dieses Hin und Her schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit, denn Deutschland sendet damit das Signal aus, dass die Standortbedingungen hier nicht verlässlich sind. Die Bundesregierung muss die Games-Förderung deshalb dringend weiterentwickeln, wenn wir hierzulande von den damit verbundenen Chancen für digitale Innovationen wirtschaftlich und kulturell profitieren wollen.“

Deutsche geben mehr als neun Milliarden Euro für Computerspiele aus – aber nicht in Deutschland

Laut Jahresreport des Game-Verbands spielen mittlerweile sechs von zehn Deutschen und haben alleine im Jahr 2021 mehr als neun Milliarden Euro für Computerspiele und entsprechende Hardware ausgegeben. Demnach ist Deutschland größter Games-Markt Europas und weltweit der fünftgrößte. Doch der allergrößte Teil des Geldes fließt laut Game-Verband immer noch ins Ausland. Die deutsche Spielebranche sei zwar im Wachstum, werde international aber immer noch abgehängt. Auch darin sieht der Verband ein Argument für die staatliche Förderung von Spieleentwicklung in Deutschland.

Es gibt im Saarland auch eine landeseigene Spieleförderung: 2018 fiel der Startschuss für die Initiative Game Base Saar, die das Etablieren der Videospielindustrie als saarländischen Wirtschaftszweig unterstützen soll. Auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung teilt Julia Kaiser von der Landesmedienanstalt Saarland mit, dass die Mittel der Game Base Saar weiter unabhängig von der Bundesförderung bestehen bleiben. Auch eine Gefahr, dass die Landesförderung ähnlichen Entwicklungen zum Opfer fallen könnte, sieht Kaiser nicht. „Die saarländischen Mittel zur Gamesförderung sind im saarländischen Haushalt eingestellt und nicht vom Bestehen einer Bundesförderung abhängig“, sagt sie – aber fügt hinzu: „Jedoch läuft der hiermit intendierte Hebeleffekt nun leer.“ Denn die 180 000 Euro, die die Landesregierung jährlich zur Verfügung stellt, reichen voraussichtlich alleine nicht aus, damit sich die wachsende saarländische Spieleindustrie vollkommen über Wasser halten kann.

Auch renommierte Spielestudios in Gefahr wegen Antragsstopps

Julian Colbus entwickelt selbst Spiele: Er ist Mitbegründer des Saarbrücker Studios Digitales Interactive, das mit seinem Erstlingswerk „Lacuna“ international Erfolg hatte. Sogar ins Chinesische wurde das Spiel übersetzt, und beim Deutschen Computerspielpreis war es in der Kategorie „Bestes Spiel“ nominiert. Doch auch ein solches Prestige-Projekt schützt nicht vor den Gefahren des Antragsstopps. Der nächste Titel, „Between Horizons“, soll noch dieses Jahr erscheinen – finanziert unter anderem mit Fördermitteln des Bundes. Colbus erzählt: „Unserem Studio ist über Nacht ein sechsstelliger Betrag aus der Finanzplanung weggebrochen, was für eine so kleine Firma kaum zu verkraften ist.“ Also sind auch die „big players“ der saarländischen Spieleindustrie in Gefahr.

Julia Kaiser von der Landesmedienanstalt bezeichnet den Antragsstopp als „besorgniserregende Nachricht für die Entwicklerbranche“. Darum habe man unter den hiesigen Studios nachgefragt, wer in welchem Ausmaß betroffen ist, um sich einen genaueren Überblick zu verschaffen. „Konkret hat dies in etwa eine Verschiebung von Projekten um mehrere Jahre oder erhebliche Unsicherheiten in der Finanzplanung zur Folge“, erklärt sie. In einem nächsten Schritt wolle die Game Base Saar das BMWK gezielt auf die Situation – insbesondere der Independet-Szene – ansprechen „und sich für die Belange der Gamestudios stark machen“.

Wie sehen die konkreten Lösungsvorschläge der Industrie aus? Game-Geschäftsführer Falk fordert den Übergang zu einer steuerlichen Finanzierung: „Diese Struktur ist international Standard und wird bereits seit vielen Jahren von Top-Standorten wie Frankreich, Großbritannien oder Kanada erfolgreich praktiziert.“ Colbus’ Ansicht nach müssen zwei Dinge so bald wie möglich passieren: „Erstens sollte die aktuelle Höhe der noch verfügbaren Mittel stets transparent sein. Zweitens sollte der Fördertopf drastisch erhöht werden.“ Und auch bei der Game Base Saar ist man der Meinung: „Um für die saarländischen Entwicklerstudios die erforderliche Produktionssicherheit zu gewährleisten, ist eine weitere Erhöhung der Gesamtfördersumme auf Bundesebene wünschenswert.“ Das Geld dürfe in Zukunft aber nicht nur nach dem „first come, first served“-Prinzip verteilt werden. Ein Teil müsse für kleinere Studios und Start-ups reserviert werden, um ihnen eine Chance zu geben.

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