Schuldneratlas Jeder neunte Saarländer ist überschuldet

Saarbrücken · Gegen den Bundestrend ist die Zahl der Menschen in Geldnot im Saarland leicht gestiegen. Vor allem im Regionalverband sieht es zunehmend düster aus.

Schuldnertatlas: Schuldnerquote im Saarland gegen Bundestrend gestiegen
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Im Saarland kann jeder Neunte seine laufenden Rechnungen auf Dauer nicht zahlen und bekommt auch keinen Kredit. 96 645 Menschen über 18 Jahren und damit 11,5 Prozent sind zum Stichtag 1. Oktober überschuldet. Im Vorjahr lag die Quote noch bei 11,36 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Das Saarland liegt damit weiterhin über dem Bundesdurchschnitt. Bundesweit kommen 6,92 Millionen Menschen nicht mit ihrem Geld aus, die Schuldnerquote liegt damit unverändert bei zehn Prozent. Während die Überschuldungsquote der Bevölkerung in Bayern mit 7,31 Prozent am niedrigsten ist, bildet wie in den Vorjahren Bremen mit 14,02 Prozent das Schlusslicht.

Saarlandweit sitzen im Regionalverband die meisten Menschen auf einem Schuldenberg. Mit 14,7 Prozent ist hier jeder Siebte betroffen. Im Saarbrücker Stadtteil Malstatt ist es sogar jeder Dritte. Auch im Landkreis Neunkirchen sind die Menschen überdurchschnittlich belastet (zwölf Prozent). Die beste Bonität können dagegen die Landkreise St. Wendel (unter acht Prozent), der Saarpfalz-Kreis und Merzig-Wadern (beide etwa neun Prozent) aufweisen. In den drei Landkreisen sind damit weniger Menschen überschuldet als im Bundesdurchschnitt. Das liegt laut Carsten Uthoff, Chef von Creditreform im Saarland, unter anderem an den großen Unternehmen, die ihren Sitz in den entsprechenden Regionen haben. Die Zahl der Arbeitslosen sei dort demnach kleiner.

 (Symbolbild)

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Foto: SZ/Steffen, Michael

Denn prekäre Arbeitsverhältnisse sind laut Uthoff eine der Hauptursachen für Überschuldung. Vor allem ein längerfristiges Niedrig­einkommen, neu in die Statistik aufgenommen, ist laut dem Bericht ein Problem. Auf die Gesamtmenge der überschuldeten Personen in Deutschland umgerechnet, gingen im letzten Jahr rund 610 000 Überschuldungsfälle auf längerfristige Niedrigeinkommen zurück. 2015, dem ersten Jahr, in dem das Statistische Bundesamt den Wert erhoben hat, waren es 230 000, was laut Creditreform einem Plus von 169 Prozent in vier Jahren entspricht.

Weitere Auslöser, die laut Bericht an Bedeutung gewinnen, sind: Erkrankung, Suchtprobleme und Unfälle sowie unwirtschaftliche Haushaltsführung. Hierbei sieht Uthoff vor allem den schnellen Kauf auf Rechnung im Internet kritisch. Er fordert deshalb, besonders junge Menschen zu bilden, damit sie nicht leichtfertig auf verlockende Angebote eingehen.

Am höchsten ist die Überschuldungsquote deutschlandweit bei den 30- bis 39-Jährigen. Sie liegt bei 17,72 Prozent. Allerdings ist sie in dieser Altersgruppe genau wie in der der unter 30-Jährigen (12,13 Prozent) zurückgegangen. Der Hauptgrund ist laut Uthoff, dass junge Menschen noch in den Arbeitsmarkt einsteigen können und so die Möglichkeit haben, aus eigener Kraft den Weg aus der Schuldenspirale zu gehen. Anders ist das bei den überschuldeten Rentnern über 70 Jahren. In dieser Altersgruppe hat die Quote überdurchschnittlich zugenommen. Sie hat sich in nur einem Jahr mit 45 Prozent oder 118 000 Fällen auf 381 000 Menschen nahezu verdoppelt. Wie Uthoff erläutert, haben viele der Rentner Anspruch auf Sozialleistungen, die sie aber nicht nutzen.

Männer neigen zwar nach wie vor eher dazu, sich zu überschulden, die Zahl der Fälle hat in dieser Gruppe dennoch um 16 000 abgenommen (12,46 Prozent, Vorjahr: 12,55), während bei den Frauen 6000 Fälle dazugekommen sind. Ihre Quote lag damit dennoch wie im Vorjahr bei 7,65 Prozent.

Der Creditreform-Bericht unterscheidet zwischen harter und weicher Überschuldung. Eine harte Überschuldung liegt nach Uthoffs Erläuterungen vor, wenn bereits juristische Maßnahmen eingeleitet wurden, das trifft etwa bei einer Privatinsolvenz zu. Weiche Überschuldung liegt beispielsweise vor, wenn jemand trotz mehrfacher Mahnungen seine Rechnung nicht zahlt oder ein Inkassoverfahren gegen die Person läuft. Im Saarland sind die Fälle mit harten Negativmerkmalen zurückgegangen. Das sei zwar grundsätzlich positiv, meint Uthoff. Allerdings sind die Fälle weicher Überschuldung gestiegen. Das sei kritisch, da sie den Einstieg in die harte Überschuldung ebneten.

Auch wenn Deutschland nach der aktuellen Konjunkturbilanz gerade so an einer technischen Rezession, also zwei Quartalen mit sinkendem Bruttoinlandsprodukt in Folge, vorbeigeschrammt ist, geht der Bericht von Creditreform davon aus, dass mittelfristig nicht mit einer nachhaltigen Entspannung bei der privaten Überschuldung und Armutsgefährdung zu rechnen ist. „Die Überschuldungsampel bleibt weiterhin auf Rot“, heißt es dort. Auch für das Saarland blickt Experte Carsten Uthoff mit Blick auf Kurzarbeit und Freistellungen etwa in der Stahlindustrie düster in die Zukunft. „Wir haben im Saarland schon die technische Rezession. Ohne Dreh wird sich die Überschuldungsquote 2020 noch verschlechtern.“

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